DIGITALISIERUNG 10. Jul 2019 Martin Ciupek Lesezeit: ca. 4 Minuten

Industrieplattformen nehmen Gestalt an

Für digitale Geschäftsmodelle werden Plattformen benötigt. Daran arbeiten derzeit viele Unternehmen und bilden dazu Partnernetzwerke.

Daten von der Maschine: Bisher werden sie vorwiegend zur Prozesssteuerung genutzt. Das soll sich jetzt ändern.
Foto: www.siemens.com/presse

Vergleiche von industriellen Plattformen und Ökosystemen sind aktuell schwer. Mal liefern Anbieter beeindruckende Zahlen und mal halten sie sich damit zurück. Gleichzeitig liegt es in der Natur des Internet der Dinge (Internet of Things – IoT), dass es flexibel angepasst werden kann. Aus Anwendersicht scheint allerdings der individuelle Nutzen wichtiger zu sein als die Menge der Applikationen.

Beispiele für Industrieplattformen

Adamos: Gegründet u. a. von DMG Mori, Dürr, Software AG und Zeiss mit dem Fokus Maschinenbau.

Axoom: Von Lasertechnikspezialist Trumpf für Industrie 4.0 gegründet.

MindSphere World: Initiiert von Siemens sowie Partnern aus Maschinenbau und Automatisierungstechnik.

Predix: GE Digital bündelt darunter Marktplatz und Cloud-Infrastruktur.

3DExperience-Marketplace: Dassault Systèmes fasst darunter Engineering und Auftragsvergabe zusammen.

Schon bei den bekannteren Lösungen gibt es deutliche Unterschiede. Beispielsweise wirbt GE Digital für seine Industrieplattform Predix mit 38 000 Entwicklern und über 1100 Partnern. Die vom deutschen Maschinenhersteller Trumpf ins Leben gerufene Plattform Axoom kommt dagegen nach Unternehmensangaben auf „100 qualifizierte Partner“. Zu den Nutzern gehören Daimler, Makino sowie die japanische Firma Konica Minolta. Der Optik- und Bürotechnikspezialist hat vor wenigen Wochen ein Zentrum für die Digitale Fertigung in Darmstadt eröffnet und nutzt nun die IoT-Lösung und Industrie-4.0-Kompetenz von Trumpf. „Mit Konica Minolta haben wir einen starken internationalen Partner, der es uns ermöglicht, speziell kleine und mittelständische Unternehmen zu adressieren“, sagt Tom Tischner, Geschäftsführer von Axoom.

Christian Thönes, DMG Mori AG, Bielefeld Foto: Adamos

Zur Frage nach Partnern hat Christian Thönes, Vorstandsvorsitzender der DMG Mori AG und Mitbegründer der Plattform Adamos, eine klare Meinung: „Es ist nicht entscheidend, ob wir acht, zehn oder 15 haben, sondern dass wir in die Breite gehen, Durchgängigkeit hinbekommen und Kundennutzen schaffen – und, dass wir gemeinsam schnell werden.“ Der japanisch-deutsche Werkzeugmaschinenbauer hatte die Plattform im September 2017 zusammen mit Unternehmen wie Dürr, Zeiss und der Software AG gestartet. Damit war er dem Siemens-Konzern zuvor gekommen, der Ende Januar 2018 den auf seinem Plattformkonzept aufbauenden Verein MindSphere World gegründet hat. Partner sind dort wiederum Unternehmen wie die Chiron Group, die Heller Maschinenfabrik und Trumpf sowie Automatisierer wie Festo und die Sick AG.

Daran wird deutlich, dass derzeit vieles ausprobiert wird. Heinz-Jürgen Prokop, Mitglied der Trumpf-Geschäftsführung und Vorstand des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), erwartet, dass sich zunächst viele Plattformen Konkurrenz machen werden. „Man muss jedoch zwischen Geschäftsmodell und Standard unterscheiden“, mahnt der VDW-Vorstand. An die Maschinendaten heranzukommen sei bereits ein Entwicklungsprojekt für sich, bevor überhaupt an eine IoT-Anbindung gedacht werden könne. „Das Wesentliche ist, dass wir erst einmal Standards dafür schaffen“, betont er. Daran arbeite die Branchenvereinigung.

DMG-Mori-Chef Thönes, dessen Unternehmen Steuerungen von Herstellern wie Fanuc und Siemens in seine Maschinen integriert, sieht den Wettbewerb zur eigenen Adamos-Plattform sportlich: Es werde z. B. Kunden geben, die Siemens angeschlossen haben wollten und solche, die Adamos bevorzugten. „Fakt ist: Wir können beides“, so Thönes. Er ergänzt: „Pushen werden wir auf App-Seite aber zunächst Adamos. Ähnliches gilt für Japan. Masahiko Mori, Chef der DMG-Mori Ltd., erklärt„Anwender nutzen nicht nur Siemens-Maschinen, nicht nur Fanuc-Maschinen. Sie nutzen ebenso andere Steuerungen und Roboter. Unsere Aufgabe ist das zu verbinden und dem Bediener oder Fabrikmanager die nötigen Informationen zu liefern.“

Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG:
„Das breite Know-how und Angebot aller Partner in der MindSphere World eröffnet Anwendern weltweit völlig neue Potenziale in der Digitalisierung.“Foto: Siemens AG

Ähnlich klingt es bei Siemens. Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG: „Wir wollen das Thema Cloud in der industriellen Anwendung vorantreiben.“ Als Zusammenschluss von zunächst 19 Gründungsunternehmen repräsentiere die MindSphere World das Fabrikumfeld mit den Fertigungsanlagen. „Wenn Sie heute eine Softwareplattform in die Welt bringen wollen, dann geht das nur über eine breite Akzeptanz und über Skaleneffekte. Diese Effekte wollen wir in Anwendungen der Gebäudetechnik, der Mobilität und der Industrie erreichen“, kündigt er an. Der Verein soll nun Plattformstandards vorantreiben und den internationalen Bekanntheitsgrad der MindSphere World erhöhen, besonders in Italien, Japan, Südkorea und den USA.

Beispielhafte Anwendungen sind neue Servicemodelle von Maschinenbauer Heller, der u. a. eine Abrechnung nach Gebrauchsdauer realisiert hat, Analysen zur Prozessoptimierung bei Anlagenbauer Eisenmann sowie Monitoringkonzepte für Siemens-Züge bei der Deutschen Bahn.

Die MindSphere-Anwendungen laufen dabei über Cloud-Server von Partnern wie Amazon, Microsoft und SAP. Damit unterscheidet sich das Konzept von US-Wettbewerber GE, der neben einem Marktplatz (App-Store) auch eine eigene Cloud-Infrastruktur aufbauen will. Dazu sagt Martin Lüers, Principal bei Roland Berger: „GE möchte Infrastruktur, Plattform und Applikationsanbieter sein.“ Das Geschäft mit der Infrastruktur sei jedoch sehr kapitalintensiv und lebe von Skaleneffekten. „Damit wird der Konzern zum Konkurrenten von Amazon, Google & Co., die aber anders als GE auf viele Branchen hochskalieren können“, so der Berater.

Während die genannten Plattformen vor allem den Ansatz verfolgen, Maschinen zu überwachen und daraus Mehrwert für Unternehmen und Anwender zu generieren, entstehen im Engineering- und Produktionsumfeld weitere Lösungen. Beispiel dafür ist der 3DExperience-Marketplace von Dassault Systèmes. Dort sind nach Angaben des französischen Unternehmens bereits 50 Hersteller mit über 500 Maschinen sowie 600 Zulieferer gelistet. Über die IoT-Lösung sollen Konstruktions- und Fertigungsspezifikationen vor der Auftragsvergabe geprüft, angepasst und sicher übermittelt werden. Besonders für den 3-D-Druck sieht Dassault Systèmes große Potenziale und ist damit nicht alleine. Denn auch das US-Unternehmen Protolabs und die deutsche Firma Protiq sind hier bereits aktiv.

Die Vielfalt der Marktplätze und Plattformen zeigt, dass die Potenziale groß sind. Marktbeobachter rechnen daher zwar mit einer Konsolidierung, aber nicht damit, dass sich am Ende alles auf eine Plattform konzentrieren wird.

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