Roboter: Feinfühlig greifen – nach dem Vorbild der Natur
Additive Fertigungstechnik macht es möglich, Greifer nach dem Vorbild der Natur zu fertigen. Auch Sensorik kann damit in die Struktur integriert werden.
Den meisten Menschen fällt es leicht, eine weiche Frucht oder ein rohes Ei so feinfühlig zu greifen, dass es nicht zerquetscht wird. Für Roboter ist das eine Herausforderung – insbesondere dann, wenn der flexible Greifer gleichzeitig möglichst leicht und kostengünstig sein soll. Genau darauf kommt es aber an, wenn Roboterarme oder kleine Drohnen beispielsweise effizient Früchte ernten sollen.
Forschende des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS aus Dresden arbeiten dazu gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung an künstlichen Greifern, die nach dem Vorbild der Natur konstruiert sind. Sie nutzen dazu eine Kombination aus 3D- und Dispensdruck mit weiteren Technologien.
Drucktechnologie bringt biologische Konzepte in eine technische Form
„Die technologischen Fortschritte in der additiven Fertigung ermöglichen es inzwischen, viel mehr biologische Konzepte als früher zu adaptieren“, erklärt Mechatronikingenieur Hannes Lauer vom Fraunhofer IWS, der das Projekt „Biogrip“ betreut. „Die Natur ist voll von Lösungen. Wenn wir als Ingenieure nicht weiterkommen, lohnt sich immer der Blick auf ihre Konzepte.“
Die Forschenden setzen dabei auf flexible Greifer, die per 3D-Druck hergestellt und mit Sensorik kombiniert werden. Diese erkennen mit Sensorhilfe, wie fest sie zupacken dürfen, ohne etwas zu beschädigen. Neben Ernterobotern, die Erdbeeren pflücken, ohne sie zu quetschen, sehen sie dafür auch Anwendungspotenziale bei autonomen Rovern, die Proben auf fernen Planeten oder dem Meeresgrund sicher bergen.
Der Greifer arbeitet nach dem Vorbild einer Fischflosse. Seine Struktur ähnelt dem Flossenskelett spezieller Fischarten. Bei Druck reagiert er mit einer Gegenbewegung. Dieser sogenannte Fin-Ray-Effekt kam erstmals beim bionischen Handling-Assistenten zum Einsatz, dessen Entwickler 2010 den Deutschen Zukunftspreis erhielten. Der Greifer kann damit Objekte umschließen.
So kommen die Sensoren auf den Greifer
Zunächst baut ein 3D-Drucker dafür die Struktur der Greifer schichtweise aus geschmolzenem Kunststoff (Polyurethan) auf. Fachleute bezeichnen das Verfahren auch als „Fused Filament Fabrication“ (FFF).
Auf die Oberfläche des Greifers bringt danach ein Dispensdrucker feine Strukturen aus einer Silberpaste auf. Im Anschluss werden die so generierten Muster mittels Infrarotstrahlung funktionalisiert. Zu den Funktionsstrukturen gehört z. B. ein Mäander-Muster aus schmalen Leiterbahnen (etwa 250 μm). Biegt oder streckt sich der einzelne Finger, ändert sich der elektrische Widerstand in den aufgebrachten Leiterbahnen. Dadurch lässt sich die Greiferkrümmung jederzeit ermitteln.
Ein anderer Effekt liefert weitere Sensorinformationen. Der Drucker generiert dazu auf den Greiferfingern zusätzlich übereinander geschichtete dünne Ebenen aus Silber und Isolatoren. Dadurch entsteht ein flacher Kondensator. Werden die beiden Silberebenen durch eine äußere Kraft zusammengepresst, ändert sich die Kapazität des Kondensators. Damit lässt sich die auf den Greifer wirkende Kraft ermitteln.
Darüber hinaus kann der Dispensdrucker berührungssensitive und andere Oberflächensensoren aufbauen. Kombiniert mit Mikrosystemen in der integrierten Steuer- und Auswerteelektronik lässt sich auf diese Weise eine Vielzahl weiterer Funktionen der menschlichen Hand simulieren. So ließe sich beispielsweise durch ein leichtes Schütteln des gegriffenen Objektes dessen Gewicht abschätzen.
Nächstes Projekt: Filter nach dem Vorbild von Meerestieren
Nachdem das Projekt Biogrip inzwischen abgeschlossen ist, arbeiten die Dresdner Bioniker an einer weiteren von der Natur inspirierten Lösung. Im Projekt „Nature4Nature“ entwickeln sie gemeinsam mit Partnern neuartige Filter. Die sollen verhindern, dass Kläranlagen Mikroplastik in die natürlichen Wasserkreisläufe und letztlich in die Weltmeere spülen. Als Vorbild dafür haben sich die Forscher die Fähigkeit einiger Rochen und Paddelfische sowie anderer Suspensionsfresser in den Ozeanen ausgewählt. Mit speziellen gewachsenen Strukturen sieben die Meerestiere ihre Lieblingsspeisen wie Plankton und andere Kleinstlebewesen aus dem Meerwasser.
Viele dahinter steckende Prinzipien verstehen die Biologen bereits. Beispielsweise haben die Paddelfische in ihren Kiemen natürlich gewachsene Bögen und Rechen. Zusammen bilden diese Stufenstrukturen. In den jeweiligen Zwischenräumen entstehen Wirbel. Darin sammeln sich die Nahrungsteilchen. Bei Mantarochen wiederum prallen die Partikel in den Mäulern an kleinen Strukturen ab. Mit dem Hauptstrom gelangen sie dann zum Rachen, während das Wasser nach außen dringen kann.