Roboter wischen Corona weg
So einfach ist es zwar nicht, aber unterschiedliche Fraunhofer-Institute arbeiten gemeinsam an Lösungen, die nicht nur auf UV-Strahlung setzen. Ziel ist eine effiziente Reinigung und Desinfektion von Gebäuden und Verkehrsmitteln.
Desinfektion ist nicht nur in Krankenhäusern ein Thema. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es auch an öffentlichen Orten und Arbeitsplätzen notwendig ist, Viren und Keime abzutöten, um Infektionsketten zu unterbrechen. Dafür Roboter einzusetzen ist nicht neu. Insbesondere mobile Plattformen mit UV-Licht sind weltweit im Einsatz. Prominente Beispiele dafür gibt es in Dänemark, Singapur und anderen Ländern. Der Ansatz des Projektes „Mobile Desinfektion“ (MobDi) ist deshalb weiter gefasst. Zwölf Fraunhofer-Institute bündeln dazu ihre Kompetenzen. Ihre Serviceroboter könnten künftig beispielsweise Gebäude und Verkehrsmittel regelmäßig und mit gleichbleibend hoher Qualität reinigen und desinfizieren.
Reinigungsmethoden werden analysiert
Damit die Reinigung gezielt und schonend erfolgen kann, führen die Projektpartner Versuche mit unterschiedlichen Reinigungs- und Desinfektionsverfahren durch. Dabei untersuchen sie die Wirkungsweise auf weit verbreiteten Oberflächentypen wie Edelstahl und Kunststoffen durch. Darüber hinaus analysieren sie auch Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Reinigungs- und Desinfektionsverfahren. So könnten die Roboter beispielsweise zunächst einen Türgriff wischen und anschließend UV-Licht einsetzen, um auch die Keime an schwer zugänglichen Stellen zu neutralisieren. Die UV-C-Strahlung wird bereits in vielen anderen Anwendungen genutzt, um Bakterien und Viren abzutöten. Das Bundesamt für Strahlenschutz warnt jedoch davor, UV-C-Entkeimungsgeräte am Körper einzusetzen. Insbesondere für die Haut und die Augen besteht durch die Strahlung die Gefahr einer Schädigung. Deshalb analysieren Forscher des Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) speziell den kombinierten Einsatz von UV- und Plasmaquellen.
Für die verschiedenen Verfahren werten die Forscher der Fraunhofer-Institute FEP (Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik) und Ifam (Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung) den Desinfektionserfolg sowohl anhand von Verunreinigungen mit Bakterien- als auch mit Virenproben aus. Darüber hinaus untersucht das Fraunhofer IST (Institut für Schicht- und Oberflächentechnik) mögliche Materialschädigungen und das Fraunhofer IWS (Institut für Werkstoff- und Strahltechnik) die Entstehung schädlicher Zersetzungsprodukte. Dabei soll eine Methodik entwickelt werden, um für jeden Desinfektionsvorgang abhängig von Material und Verschmutzungsgrad die am besten geeigneten Verfahren auszuwählen.
Forscher bündeln Ressourcen
Die insgesamt zwölf Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft haben bereits im Oktober 2020 die Arbeit an entsprechenden Technologien aufgenommen. Geleitet wird das Forschungsprojekt MobDi vom Fraunhofer-Institut für Produktion und Automation IPA in Stuttgart. Die Stuttgarter liefern dafür auch die passende mobile Plattform. Die wurde ursprünglich für die Pflege entwickelt und basiert auf der Entwicklung des Care-O-bot. So wundert es auch nicht, dass die Wissenschaftler nicht nur die Desinfektion und Reinigung von Oberflächen im Sinn haben, sondern auch den automatisierten Materialtransport in Kliniken zu automatisieren. Sie sehen darin eine weitere Möglichkeit, der Verschleppung von Keimen durch das Personal entgegenzuwirken.
In dem Vorgängerprojekt „DeKonBot“ des Fraunhofer IPA wurde bereits ein entsprechender Desinfektions- und Reinigungsroboter entwickelt. Dessen Werkzeug für die Wischdesinfektion wollen die Forscher im Projekt weiter verbessern. Zudem gilt es nun, die Plattform hinsichtlich einer späteren Serienproduktion zu optimieren. Für die Desinfektion in Verkehrsmitteln entwickelt dagegen das Fraunhofer Ifam entsprechende Roboter. Deren Antriebe müssen in der Lage sein, auch Spalten und Absätze zu überwinden. Für beide Roboter erstellen die Projektpartner verschiedene Werkzeuge, die durch Wischen, Sprühen, UV- oder Plasmabehandlung desinfizieren. Je nach Aufgabe sollen diese automatisch gewechselt werden können.
Sensoren erkennen Reinigungsbedarf
Dank intelligenter Wahrnehmungsfunktionen sollen die Desinfektionsroboter gezielt reinigen können. Dafür kommt ein neuer multimodaler 3-D-Sensor des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) zum Einsatz. Durch den Sensor erkennen die Roboter während der Inbetriebnahme selbstständig alle Objekte, die sie desinfizieren sollen, und das Material, aus dem die Objekte bestehen. Eine Objekterkennung des Fraunhofer IPA sowie die Materialerkennung des Fraunhofer IPM werten die Sensordaten mit Methoden des maschinellen Lernens aus. Damit erreichen sie laut den Forschern eine robuste Erkennung, selbst wenn die Objekte in jeder Einsatzumgebung etwas anders aussehen.
Ein mehrschichtiges Umgebungsmodell, das am Fraunhofer IOSB entwickelt wurde, führt schließlich alle benötigten Informationen zusammen. Damit können die Roboter Reinigungsabläufe selbstständig planen. Das Modell enthält eine Karte der Umgebung sowie Informationen zu den Positionen der zu reinigenden Objekte und deren Material.
Um die Roboter bedarfs- und praxisgerecht anzupassen, entwickelten die Projektpartner gleich zu Projektbeginn gemeinsam mit Anwendern die Szenarien, die mit den Robotern umgesetzt werden sollen, und leiteten daraus die technischen Anforderungen ab. Dazu führten sie zahlreiche Gespräche mit Logistik- und Hygieneexperten in Kliniken nebst Betreibern und Reinigungskräften in Gebäuden und im Personenverkehr. Darüber hinaus werden Anwender eingebunden, um das Einrichten und den täglichen Betrieb der Roboter möglichst intuitiv zu gestalten. Bis zum Abschluss des Projekts im September 2021 sollen die entwickelten Roboter auch praktisch evaluiert werden.
Der Einsatz der Lösungen muss aber nicht auf Reinigungseinsätze beschränkt bleiben. Weil die Roboter modular gestaltet sind und handelsübliche Schnittstellen nutzen, sind die Technologien laut den Fraunhofer-Forschern einfach auf andere Maschinen und Roboter übertragbar. Damit soll ein schneller Transfer der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in die Praxis erreicht werden.