Sebastian Thrun: Ein Urvater autonomer Robotersysteme
Der deutsche Robotikexperte Sebastian Thrun hat den den Aachener Ingenieurpreis 2020 erhalten. Die Preisverleihung fand coronabedingt erst am 3. September 2021 statt.
Digitalisierung ist zwar ein zentraler Bestandteil im Leben von Sebastian Thrun, doch seine Auszeichnung soll der Preisträger des Aachener Ingenieurpreises 2020 nicht in einer Onlinekonferenz, sondern persönlich entgegennehmen. Deshalb wurde die Verleihung im Krönungssaal des Aachener Rathauses auf dieses Jahr verschoben. Doch wer ist der Mann, der einst in einem Wettbewerb der Forschungsbehörde des Pentagons (Darpa) weltweit Aufmerksamkeit erlangte?
Der Rektor der RWTH Aachen Ulrich Rüdiger beschreibt Thrun mit den Worten: „Er verkörpert den digitalen Fortschritt wie kaum ein Zweiter und setzt seit mehr als 20 Jahren herausragende Impulse in den Forschungsfeldern künstliche Intelligenz, autonomes Fahren und digitale Hochschulbildung.“
Aufgewachsen in Hildesheim
1967 in Solingen geboren, verbrachte Thrun einen großen Teil seiner jungen Jahre in Hildesheim. Dort besuchte er das Gymnasium und studierte anschließend als einer der ersten Studenten an der dortigen Universität Informatik. Der Stadt ist er bis heute verbunden. Oberbürgermeister Ingo Mayer sagt über ihn: „Obwohl er als einer der weltweit wichtigsten Denker unserer Zeit bezeichnet wird, ist er auf dem Boden geblieben und nach wie vor sehr sympathisch.“
Ab 1993 studierte und promovierte Thrun an der Universität Bonn, wo er mit Gerhard Lakemeyer zur kognitiven Robotik publizierte. Mit seinem ehemaligen Mitstreiter, der heute Professor am Lehrstuhl für Informatik 5 der RWTH Aachen ist, ist er bis heute befreundet.
Lakemeyer erinnert sich an das Jahr 1993, als Thrun für die Universität einen mobilen Roboter aus den USA besorgt hatte.
Roboter aus Bonn
Als es zum Jahresende darum ging, dem Roboter einen Namen zu geben, stand das Hochwasser des Rheins kurz vor den Fenstern des Institutsgebäudes. „Wir brauchten also nur aus dem Fenster schauen, und schon war der Name ,Rhino‘ geboren“, berichtet er lachend. Auf dem Roboter wurden damals zahlreiche Algorithmen entwickelt, bis er schließlich 1997 als „Museumsführer“ in das Deutsche Museum in Bonn umzog. Das sorgte weltweit für Beachtung in der KI-Forschung. „Die Algorithmen verhalfen der Robotik im Bereich Navigation zum Durchbruch und sind auch heute noch Grundlage des autonomen Fahrens“, stellt Lakemeyer fest.
Wüstenrennen mit autonomem VW-SUV
Noch mehr Aufmerksamkeit bekam Thrun, nachdem er in die USA wechselte: 1998 zunächst als Assistenzprofessor für Informatik an die private Eliteuniversität Carngie Mellon in Pittsburgh und 2003 an die Stanford University.
Als Leiter des Labors für Künstliche Intelligenz des Racing Teams der Stanford-Universität ging er 2005 mit einem umgebauten VW Touareg ins Wüstenrennen Darpa Grand Challenge und kam als Sieger ins Ziel. Bei dem Rennen durch die Mojave-Wüste kamen nur fünf der 195 registrierten Teams mit ihren autonomen Fahrzeugen an. „Vor 15 Jahren gab es noch keine selbstfahrenden Autos, mit wenigen Ausnahmen, die nur sehr beschränkt im Verkehr fahren konnten“, erinnert sich Thrun und merkt an, dass die Grundlagen dazu aus Deutschland kamen.
Der Erfolg beim Darpa-Rennen wiederum weckte Interesse im Google-Konzern, wo Thrun zwischen 2011 und 2014 an Zukunftsthemen arbeitete – unter anderem an selbstfahrenden Autos, der Datenbrille Google Glass und im Deep-Learning-Team an Google Brain. In der Zeit gründete er mit zwei Partnern auch die private Onlineakademie Udacity und gilt für viele seitdem als Erfinder von Onlinevorlesungen.
Inzwischen entwickelt er mit dem Start-up Kitty Hawk Flugtaxis und hadert rückblickend damit, dass er damals das Potenzial selbstfahrender Autos falsch eingeschätzt hat: „Im Jahre 2005 wollten wir einfach den Darpa Grand Challenge gewinnen, und das hat geklappt. Fünf Jahre später wollten wir selbstfahrende Autos für den normalen Straßenverkehr erfinden, und das hat auch geklappt.“ Jetzt entwickelt er das fliegende Auto. „Und auch das wird funktionieren“, sagt er.
Deutschland und die Start-ups
Thrun freut es, dass in Deutschland inzwischen eine professionelle Gründerszene heranwächst. Das Land könne aber Start-up-freundlicher werden, vor allem in Bezug auf Finanzierungsmöglichkeiten für neue Ideen gebe es noch Luft nach oben. Die Richtung stimme bereits.
Seinen Mitmenschen gibt er auf den Weg: „Ich habe immer wieder erfahren, dass wenn man nach den Sternen greift, man trotzdem Erfolg haben kann. Oder vielleicht auch weil man nach den Sternen greift.“