Smarte Roboter: Grenzen zwischen Cobots und Industrierobotern verschieben sich
Sensorik, künstliche Intelligenz und vereinfachte Bedienoberflächen machen den Robotereinsatz immer smarter. Doch sind Cobots immer die beste Lösung?
Cobots sind kostengünstig und vereinfachen die Automatisierung. Industrieroboter sind teuer und komplex. Das möchte Carsten Busch nicht so stehen lassen. Der Produktmanager von Denso Robotics Europe nahm solche Mythen gestern (26. 11. 2024) auf dem VDI-Kongress „Smarte Robotik“ in Filderstadt unter die Lupe. Außerdem ging es um innovative Ansätze und darum, wie Unternehmen in Produktion und Logistik davon profitieren können.
Cobots sind nicht immer die kostengünstigere Lösung
Die Welt der Robotik verändert sich laut Busch. „Früher wollte man Cobots überall einsetzen“, erinnert er sich. Tatsächlich sehe man heute nur sehr selten eine echte Mensch-Maschine-Kollaboration. Zwar wollten die meisten Anwender zaunlose Anwendungen, gleichzeitig solle der Roboter aber auch produktiv sein, wenn kein Mensch in der Nähe ist. Vom Konzept her ist ein Cobot, der künftig von der Norm als „kollaborierender Roboter für industrielle Anwendungen“ bezeichnet wird, aufgrund der Regulierungen nach TS 15066 allerdings langsamer als der Industrieroboter.
Busch kommt zum Ergebnis, dass die Aussage „Cobots sind günstiger als ein Industrieroboter“ ein Mythos ist. Abgesehen von Low-Cost-Robotern hätten auch gute Cobots ihren Preis, der von Industrierobotern unterboten werden könne. Denn: Industrieroboter seien inzwischen günstiger als noch vor 20 bis 30 Jahren. Auch sei es nicht so, dass sich mit Cobots alles einfacher umsetzen lasse. Sobald eine Applikation komplexer werde, sei auch hier Expertise notwendig. „Machen wir uns nichts vor, in der Fertigung sind auch die Aufgaben für Cobots richtig komplex“, so Busch. Auf der anderen Seite sei es inzwischen auch mit Industrierobotern möglich, leichter Applikationen zu erstellen als früher.
Auch dass Sicherheitskonzepte durch Cobots einfacher werden, lässt Busch nur eingeschränkt gelten. „Ja, ich brauche keine Schutzeinhausung. Aber das heißt nicht, dass eine Sicherheitsbetrachtung dadurch einfacher wird.“ Im Gegenteil sei eine Sicherheitsbetrachtung bei einem Roboter mit Zaun oder Einhausung einfacher. Beides müsse gegeneinander abgewogen werden. Er sagt mit Blick auf Industrieanwendungen: „Nicht immer ist ein Cobot notwendig. Wenn ich eine hohe Performance brauche, ist manchmal eine Sicherheitssteuerung der bessere Weg.“
Große Potenziale für Cobots sieht Busch dagegen in Bereichen, in denen sich Industrieroboter bisher nicht durchsetzen konnten. Auch die Kombination mit autonomen mobilen Robotern (AMR) hat für ihn Zukunftspotenzial. Der Cobot könne dabei auf dem AMR montiert werden oder der AMR führe dem Cobot Material zu. Grundsätzlich verbessere auch der Einsatz von KI künftig die Bedienung von Robotern.
Smarte Robotik profitiert von KI und braucht jetzt feinfühlige Hände
„Wir haben in den letzten Jahren große Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz gesehen, beispielsweise bei ChatGPT, aber auch in der Bildverarbeitung, die wir jetzt auch in der Robotik nutzen können“, unterstreicht Werner Kraus, Abteilungsleiter Roboter und Assistenzsysteme am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). „Was uns wirklich noch fehlt im Bereich der Handhabung, ist die Feinfühligkeit wie bei der menschlichen Hand.“ Er denkt dabei an Roboterhände, die künftig in der Montage und der Logistik eingesetzt werden könnten, wo bisher die Greiftechnik noch ein Flaschenhals bei der Automatisierung sei.
Zu Robotern mit zwei Armen sagt er: „Die Koordination der Hände ist von den Algorithmen bereits gut abgedeckt, aber man kommt mit klassischen Bedienpanels nicht mehr weiter. Das heißt, da müssen sich Roboter am Ende selbst programmieren.“
Smarte und humanoide Roboter in der Automobilproduktion
Durch immer smartere Roboter ergeben sich auch neue Überlegungen. In der Logistik bei BMW erprobt man beispielsweise verschiedene Kombinationen aus autonomen Transportsystemen und Handhabungsrobotern. Neben dem Konzept, bei dem mobile Roboter Waren zu den Werkern bringen, werden auch die Konzepte Ware-zu-Roboter und Roboter-zu-Ware erprobt. Das bedeutet, dass einmal ein Transportsystem Waren für die Weiterverarbeitung zu einem stationären Roboter bringt und im anderen Fall ein mobiler Roboter zu den Waren fährt.
An seinem Standort in den USA erprobt BMW seit Kurzem auch humanoide Roboter. „Wir arbeiten mit einem Start-up und sind überrascht, wie schnell sie sich entwickeln“, sagt Firas Zoghlami. Das gelte aber auch für andere Anbieter, die sich BMW angeschaut habe.
Folgendes Video zeigt den neusten Stand (November 2024) der Entwicklung des humanoiden Roboters von Figure bei BMW:
Hier wird Ihnen ein externer Inhalt von youtube.com angezeigt.
Mit der Nutzung des Inhalts stimmen Sie der Datenschutzerklärung
von youtube.com zu.
„Wir wollen von Anfang an dabei sein“, erklärt er. Für ihn sind solche Allzweckroboter aber eher für Anwendungen mit geringen Anforderungen an Geschwindigkeit und Präzision. Bei hohen Anforderungen an die Dynamik hätten dagegen „Einzweckroboter“ – wie er Gelenkarmroboter auch bezeichnet – weiterhin die Nase vorn.
https://www.vdi-nachrichten.com/technik/automation/spannende-entwicklungen-bei-cobots/
https://www.vdi-nachrichten.com/technik/automation/wie-neura-chef-reger-die-zukunft-der-roboter-praegen-moechte/
Neue ISO-Norm: Kontaktkräfte und -drücke an Cobots standardisiert messen