Vertical Farming: So wird es nachhaltig und wirtschaftlich
Proteine aus Pflanzen sind weltweit gefragt. Ihr Wachstum hängt aber stark vom Wetter ab. Eine Lösung ist das Vertical Farming. Das rechnet sich aber nur, wenn die Energiebilanz stimmt.
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Der Erfolg von Pflanzenzucht ist bisher stark vom Wetter abhängig, insbesondere dem optimalen Zusammenspiel von Sonne und Wasser. In Konzepten wie dem „Vertical Farming“ bzw. dem „Indoor Farming“ lässt sich das Wachstum hingegen längst automatisiert steuern. Wie Weizengras, Luzerne und Kartoffeln ohne Erde bzw. Substrat in Innenräumen bei künstlicher Belichtung erfolgreich kultiviert werden können, ist beispielsweise am automatisierten Pflanzenzuchtsystem Orbiplant vom Fraunhofer IME zu sehen. Aber ist ein solcher Anbau ökologisch nachhaltig und ist das auch wirtschaftlich?
Vertical Farming – die Pflanzenzucht mit dem Fließband
Der Frage der Wirtschaftlichkeit widmet sich aktuell das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU). Denn der Preis für die Anlage und deren Betrieb ist ein wichtiger Faktor für die Marktakzeptanz. Gerade in Regionen mit großer Armut wären hohe Kosten ein absolutes K.-o.-Kriterium. Deshalb lohnt sich ein genauer Blick auf die eingesetzte Technologie.
Das Pflanzenzuchtsystem Orbiplant sieht aus wie ein langes Förderband, das sich über mehrere Türme wellenförmig nach oben und unten bewegt. In einem endlosen Kreislauf wird es am Anfang des Prozesses bepflanzt und am Ende abgeerntet. Dann beginnt alles wieder von vorne. Durch den wellenförmigen Prozess wird sichergestellt, dass mehr Pflanzen aufgezogen werden können, als es die Grundfläche bei einem klassischen Anbau zulässt. Damit das System tatsächlich wetterunabhängig arbeitet, läuft es in einer geschlossenen Umgebung und benötig damit Wasser und Licht.
Kostenfaktoren im Vertical Farming sind standortabhängig
Das Fraunhofer IWU geht davon aus, dass das Vertical Farming keine Nische bleiben und die Wirtschaftlichkeit dann ein wichtiger Faktor sein wird. Als wesentlichen Kostenfaktor haben die Wissenschaftler die notwendige Klimatisierung und Beleuchtung ausgemacht. Zwar ermögliche die künstliche Beleuchtung eine hohe Produktivität und Unabhängigkeit von Wettereinflüssen, gleichzeitig verursacht sie Kosten und CO2-Emissionen. Denn auch die sparsamere LED-Technik verbraucht Strom.
Durch die langjährige Erfahrung im Leitprojekt „FutureProteins“ kommt das Fraunhofer IWU zum Ergebnis, dass der Standort sowie die Gestaltung und Dimensionierung des Energieversorgungssystems entscheidende Faktoren für die Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage sind. Verglichen hat das Forscherteam dazu die Standortbedingungen in Berlin, in Island, in Burkina Faso und in Indien. Dafür wurden zunächst Energieszenarien für die jeweiligen Standorte erstellt.
In dem kleinen isländischen Ort Dalvík herrscht beispielsweise ganzjährig kaltes Klima. Zudem sind die Winter lang und dunkel. Dagegen ist es im ländlichen Kongoussi in Burkina Faso heiß und trocken. Ähnlich ist es in der indischen Megacity Chennai, die 2019 zudem von einer starken Wasserknappheit betroffen war. Für ein eher gemäßigtes Klima steht dagegen Berlin. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Konzepte zur Energieversorgung der Anlagen. Könnte in Berlin z. B. eine Kombination aus Solarenergie und Batterienutzung sinnvoll sein, bietet sich in Island aufgrund der dafür ungünstigen Wetterbedingungen eher die Nutzung von Geothermie an.
Leistungsbedarf für das Vertical Farming kann per Simulation bestimmt werden
Um den spezifischen Leistungsbedarf der Anlagen bei verschiedenen Pflanzen noch besser prognostizieren zu können, arbeitet das Fraunhofer IWU mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) zusammen. Das lieferte Informationen, um zudem die Menge an erzeugter Biomasse bestimmen zu können. Letztlich bauten die Forschenden damit Simulationsmodelle für die unterschiedlichen Versorgungsstrategien in den verschiedenen Beispielregionen auf. Am Ende der Analyse steht dann die Optimierung des Gesamtsystems hinsichtlich Kosten und Treibhausgasemissionen der Vertical-Farming-Systeme.
Wie wichtig eine individuelle Betrachtung ist, zeigt das Beispiel der Aufzucht von Weizengras im Vertical Farming: Laut Fraunhofer IWU machen hier die Kosten für die Beleuchtung und die Klimatisierung mehr als zwei Drittel der gesamten Betriebskosten aus. Gerade an Standorten mit hohen Energiekosten lohne es sich daher, an dieser Stelle anzusetzen.
An Standorten mit vergleichsweise hohen Energiebezugskosten wie Berlin empfehlen die Experten die Nutzung eigener Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) in Kombination mit Energiespeichern. So lasse sich die Menge an zuzukaufendem Strom reduzieren. Für eine PV-Anlage auf einem Gebäudedach und einem Batteriespeicher kalkulieren die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Deutschland, abhängig von Standort und Größe des Energiespeichers, mit Stromgestehungskosten zwischen 0,10 €/kWh und 0,20 €/kWh.
Liefert Wasserstoff bald Energie für das Vertical Farming?
Ganz anders als in hoch entwickelten Städten wie Berlin sieht es in Ländern wie Burkina Faso aus. Dort gibt es instabile Stromnetze, die zu Ausfällen der Anlagen und damit zu Schäden an den Pflanzen führen können. Gerade in den ländlichen Gebieten sollten die Anlagen deshalb energetisch autark sein. Neben Solar- und Windenergie mit Batteriespeichern sehen die Experten vom Fraunhofer IWU hier auch Potenziale für die Wasserelektrolyse mithilfe von erneuerbaren Energien. Der so erzeugte Wasserstoff könne in einem Brennstoffzellensystem dann bedarfsgerecht wieder in elektrische Energie umgewandelt werden. Am Standort Chemnitz betreibt das Institut selbst ein Wasserstoffkraftwerk, mit dem nach eigenen Angaben eine Speicherung von bis zu 2,5 MWh grüner Energie möglich ist. Damit könnte eine Vertical-Farming-Produktion auf einer Fläche von 1500 m² mehr als einen Tag lang unterbrechungsfrei mit elektrischer Energie versorgt werden, heißt es.