Technik für Menschen mit Behinderung 01. Nov 2024 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 3 Minuten

Cybathlon 2024: Roboter helfen Menschen mit Einschränkungen

Technische Assistenzsysteme können Menschen mit körperlichen Einschränkungen den Alltag erheblich erleichtern. Beim Cybathlon in Zürich traten verschiedene Teams gegeneinander an. Ein Gewinner ist das deutsche Team vom DLR.

ROB - Assistance Robot Race
Beim Assistenzroboter-Rennen auf dem Cybathlon 2024 in Kloten galt es, verschiedene Alltagsaufgaben zu meistern. Am besten gelang das dem Team Edan vom DLR aus Deutschland mit seinem Piloten Mattias Atzenhofer.
Foto: ETH Zurich / Cybathlon / Alessandro Della Bella

Sich in unbekannten Räumen zu orientieren, Dinge sicher zu greifen, selbstständig zu laufen oder auf Rollen zu manövrieren, all das stellt Menschen mit körperlichen Einschränkungen täglich vor Herausforderungen. Weltweit arbeiten Forschungseinrichtungen deshalb an technischen Lösungen. Im Cybathlon, der Olympiade der Assistenztechnologien der ETH Zürich, konnten sie sich miteinander messen. In Kloten traten vom 25. bis 27. Oktober 2024 insgesamt 78 internationale Teams aus Forschung und Industrie in acht Disziplinen gegeneinander an. Dazu gehörten beispielsweise Wettbewerbe mit Prothesen für Arme und Beide, intelligente Sehassistenten für blinde Menschen, aber auch komplexe Lösungen wie Exoskelette und mobile Roboter.

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Das Rennen mit dem Assistenzroboter

Als besonders vielfältig erwies sich dabei der Wettbewerb in der Kategorie „Assistenzroboter-Rennen“. In einem Parkour galt es dabei verschiedene Alltagsaufgaben zu lösen, beispielsweise ein Paket aus dem Briefkasten zu holen und auf einen Tisch zu legen, eine Zahnbürste aus einem Becher zum Mund zu führen und eine Tür zu öffnen sowie zu passieren.

Am besten kam damit das Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zurecht und belegte mit dem Dachauer Piloten Mattias Atzenhofer und dem Robotersystem Edan in dieser Kategorie den ersten Platz. Das robotische System Edan ist eine Kombination aus einem elektrischen Rollstuhl und einem vom DLR entwickelten Leichtbau-Roboterarm.

Der 30-jährige Cybathlon-Pilot, der mit Muskeldystrophie lebt, steuert das Gerät per Joystick. Mithilfe einer Kamera kann das DLR-System verschiedene Gegenstände erkennen und unterstützt den Piloten bei schwierigen Bewegungsabläufen mittels künstlicher Intelligenz (KI). Damit reicht es, wenn Mattias Atzenhofer den Roboterarm in die ungefähre Richtung eines bekannten Gegenstands steuert. Die KI des Roboters übernimmt dann die präzisen Bewegungsabläufe, sodass einfache Joystick-Kommandos genügen, um die Aufgabe flüssig auszuführen. Hilfreich war dies beispielsweise, um einen Pfefferstreuer und eine tief gelegene Soßenflasche in einem Regal zu greifen.

Roboter hilft Alltagshürden zu überwinden

Insgesamt zehn solcher Stationen musste Mattias Atzenhofer im Assistenzroboter-Rennen bewältigen. Er musste beispielsweise zeigen, dass er mithilfe des Roboters in einen Apfel beißen, ein Kleidungsstück aufhängen und einen Teller aus einer Spülmaschine räumen kann. Als besondere Herausforderung erwies sich für die Teilnehmenden dieser Wettbewerbskategorie das Durchfahren einer Tür – die sowohl per Drehknauf geöffnet, als auch per Türklinke wieder geschlossen werden musste.

„Bei der Tür gilt es, verschiedene Hürden zu überwinden“, erklärt Jörn Vogel, Leiter der Edan-Teams vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik. „Zum einen ist es schwierig, den Türknauf zu drehen, denn das erfordert Kraft. Dazu kommt, dass die Aufgabe nicht mit einer Armbewegung alleine ausgeführt werden kann, sondern der Rollstuhl muss zeitgleich zurückfahren, um Platz zu schaffen, damit die Türe überhaupt geöffnet werden kann. Beim Schließen der Türe ist wiederum die koordinierte Bewegung von Rollstuhl und Arm nötig – vorher muss sich der Pilot mit Rollstuhl allerdings noch umdrehen. Für genau solche Aufgaben verfügen wir über unsere Ganzkörperregelung, die die Koordination zwischen Rollstuhl und Arm sicherstellt.“

Gewürdigt wurde im Wettbewerb deshalb nicht nur die technische Umsetzung. Denn letztlich steht und fällt alles mit dem Piloten: Hoch konzentriert doch mit sichtlicher Freude erfüllte Atzenhofer alle Aufgaben. Nach einem perfekten Punkte-Score in den Qualifikationsrunden war das Team Edan bei der letzten Aufgabe minimal über der Zeit, aber die bereits tadellos erledigten neun anderen Aufgaben in Rekordzeit sorgen für einen souveränen Sieg. Mit 7 min und 45 s war das DLR-Team fast zwei Minuten schneller als das zweitplatzierte Team aus Frankreich.

Ziel des Cybathlon: die Akzeptanz von Assistenzlösungen steigern

Der Cybathlon existiert seit 2016 und findet alle vier Jahre öffentlich im Eishockey-Stadion Swiss Life Arena statt. Ziel ist es, die Akzeptanz von Assistenztechnologien zu steigern und Lücken zwischen Entwicklung und Anwendung zu schmälern.

Denn für die Anwender bedeuten technische Neuentwicklungen meist auch ein Umdenken. Mattias Atzenhofer drückt es so aus: „So eine neue Technologie ist natürlich zunächst eine Umstellung. Vier Monate habe ich wöchentlich mit dem Edan-Team trainiert. Es macht sehr viel Freude, neue Erfindungen so hautnah mitzugestalten, und mir ist es wichtig, dass technische Hilfsmittel so entwickelt werden, dass sie auch wirklich unterstützen.“

Jörn Vogel und das DLR-Team freuen sich über solche Rückmeldungen: „Diese Zusammenarbeit ist auch für uns Entwickler ein echtes Geschenk.“ Nun gehe es darum, die DLR-Spitzenforschung den Anwendern zugänglich zu machen. „Der erste Platz im Assistenzrobotik-Rennen freut uns alle riesig – zumal dies zeigt, wie robust und einzigartig Edan ist. Wir sind also auf dem richtigen Weg.“ So ist der Wissenschaftler im Begriff, eine Ausgründung mit dieser Technologie ins Leben zu rufen. Der Technologietransfer wird durch die DLR_Startup Factory unterstützt. Die Forschungsarbeit soll aus dem Labor zu den Menschen gebracht werden, die direkt von dieser Technologie profitieren.

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