ZVEI: Aufträge in der Automatisierungstechnik sind deutlich rückläufig
Anlässlich der Messe Smart Production Solutions (SPS) in Nürnberg veröffentlichte der Fachverband ZVEI aktuelle Branchenzahlen und stellte Forderungen an die Politik auf.
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In Deutschland ansässige Unternehmen der Automatisierungsbranche verbuchten 5,4 % weniger Aufträge im September 2024 als ein Jahr zuvor. Das geht aus den aktuellen Zahlen des ZVEI – Verband der Elektro- und Digitalindustrie hervor. Im Gesamtzeitraum von Januar bis September 2024 lagen die Bestellungen sogar 7,0 % unter ihrem Vorjahreswert. Auch der Umsatz ging gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück. Er sank im September um 6,8 % und in den ersten neun Monaten dieses Jahres insgesamt um 8,3 %.
Aufgrund von Basiseffekten aus dem Vorjahr rechnet der ZVEI für das vierte Quartal 2024 jedoch mit einem geringeren Rückgang. Der Ausblick auf 2025 ist derzeit dennoch getrübt. „Die Automation folgt der Konjunktur ihrer Abnehmerbranchen“, sagte Rainer Brehm, Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Automation auf der Messe in Nürnberg. Gemeint sind damit die Auswirkungen der schlechten Konjunktur, insbesondere bei Automobilherstellern sowie deren Zulieferern im Maschinenbau, also bei wichtigen Kunden der Automatisierungsbranche.
Beckhoff erwartet 2024 einen Umsatzrückgang von 30 %
Deutlich wird das auch beim Automatisierungsspezialisten Beckhoff Automation aus Verl. In der Vergangenheit wuchs das Unternehmen stark. Auch im vergangenen Geschäftsjahr 2023 stiegen die Verkäufe um 16 % auf etwa 1,75 Mrd. €. Für 2024 rechnet das Unternehmen aber mit einem Rückgang um rund 3 0% auf das Niveau von 2021. Dennoch schaut das Unternehmen positiv in die Zukunft. Laut Frederike Beckhoff ist die Talsohle jedoch bereits durchschritten. In Nürnberg präsentierte Beckhoff zahlreiche Neuheiten, darunter mehrere neue Industrie-PC, optimierte Ein- und Ausgänge (I/O) sowie verbesserte Antriebslösungen wie eine längere und kostengünstigere Variante des Linearsystems XTS EcoLine.
ZVEI: Effizienzpotenziale der Automatisierung sollen für konjunkturelle Impulse sorgen
Zur wirtschaftlichen Lage und dem Innovationsbeitrag der Automationsbranche verdeutlichte Brehm: „Nur wenn wir schnellstmöglich die vorhandenen Effizienzpotenziale durch Automation nutzen und digitale, vernetzte Lösungen wie Industrie 4.0 skalieren und Factory-X gemeinsam vorantreiben, schaffen wir positive Impulse für die Konjunktur.“ Factory-X ist eines der geförderten Projekte im Rahmen der Initiative Manufacturing-X, des gemeinsamen Datenraums für die Industrie.
Mit Blick auf die Politik in Europa und Deutschland hob er hervor: „Wir brauchen eine Effizienzwende – nicht nur in der Industrie, sondern insbesondere in der Politik. Die Unternehmen benötigen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen und Planungssicherheit. Sie müssen von unnötiger Bürokratie entlastet werden, um wieder mehr Raum für Innovationen zu schaffen.“ Der ZVEI verwies dabei auch auf aktuelle Umfragen, etwa der KfW. Diese machten deutlich, dass der Faktor Bürokratie noch vor Steuern und Energiekosten zum größten Standortrisiko für die deutsche Industrie geworden ist.
Schneider Electric adressiert Fachkräftemangel
Als Konjunkturbremse sieht der ZVEI auch den zunehmenden Fachkräftemangel. Wie Unternehmen darauf mit Automatisierungstechnik reagieren können, zeigte beispielsweise Schneider Electric am Beispiel eines Automaten für Apotheken. Jessica Bethune, verantwortlich für den Industriebereich von Schneider Electric in Deutschland, Österreich und der Schweiz, verwies dazu auf eine Studie der Boston Consulting Group, nach der durch Fachkräftemangel in Deutschland jährlich rund 86 Mrd. € der Wirtschaftsleistung verloren gehen könnten.
Bethune sagte zu den Folgen für Industrieunternehmen: „Wenn ich nicht mehr genügend Fachkräfte habe, muss ich überlegen, mein Angebot auszudünnen oder Aufträge abzulehnen.“ Das führe wiederum zu Umsatzausfällen. Bleibt das Angebot bestehen, sieht sie dagegen andere Gefahren: „Wenn ich so weitermache, wird die bestehende Belegschaft unter Druck gesetzt. Der Arbeitsdruck steigt. Die Frustration steigt.“
Besonders sichtbar wird der Konflikt laut Bethune bereits bei Apotheken, die bisher noch wenig automatisiert sind und immer schwerer Personal finden. Schneider-Electric-Kunde Gollmann habe deshalb ein Storage-and-Retrieval-System entwickelt, dass auf der Messe SPS auch zu sehen ist. Der deutsche Maschinenbauer Gollmann automatisiert damit die Lagerung und Ausgabe von Medikamenten in Apotheken. Die vom Handel angelieferten Medikamente werden dazu einfach als lose Packungen in einen Trichter geschüttet. Das System erfasst diese dann automatisch und lagert sie in einem patentierten Rollschrank platzsparend ein. So können im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen bis zu 50 % mehr Produkte auf gleicher Fläche verstaut werden. Durch die Automatisierung werde nicht nur das Personal im Verkaufsraum entlastet, sondern auch die Bestandsverwaltung abgelaufener Medikamente zum Beispiel automatisch ausgelagert.
Politik soll weniger regulieren und mehr in digitale Infrastrukturen investieren
Statt stetig zunehmender Regulierung sind laut ZVEI seitens der Politik die Unterstützung für digitale Infrastrukturen und Initiativen wie Manufacturing-X wichtig. „Wir müssen den Aufbau souveräner Datenökosysteme und die Entwicklung von Industrie 4.0 sowie industrieller KI-Anwendungen in vernetzten Wertschöpfungsketten fördern – um die Effizienz zu steigern und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen“, forderte Brehm. Das und technische Entwicklungen in der Antriebstechnik, Sensorik und Steuerungstechnik werden die Gespräche auf der Messe SPS in den nächsten Tagen prägen.