Mobilität 23. Sep 2024 Von Peter Kellerhoff Lesezeit: ca. 4 Minuten

Autogipfel 2024: Kommt die neue Abwrackprämie?

Der Autogipfel 2024 soll die deutsche Autoindustrie wieder in die Spur bringen. Die Wunschliste der Autovertreter an die Politik ist lang.

GERMANY-ECONOMY/BMW
Wirtschaftsminister Robert Habeck wird sich Fragen der Automobilindustrie stellen müssen - und sie hoffentlich auch zufriedenstellend beantworten können.
Foto: picture alliance/REUTERS/Lukas Barth

Die Liste der Negativ-Schlagzeilen reißt auch im Umfeld des Autogipfels 2024 nicht ab – überall in der Autoindustrie sollen Stellen abgebaut werden, Werke sind nicht ausgelastet, Tarifverträge werden gekündigt, Zulieferer mussten Insolvenz anmelden. Die Elektromobilität lahmt, die CO2-Flottenziele könnten 2025 für einige Hersteller zu Milliardenstrafzahlungen führen, wenn sie die ambitionierten Flottenvorgaben der EU reißen, und auf dem wichtigen chinesischen Markt brechen die Absatzzahlen weg.

Autogipfel 2024: Genug Gesprächsstoff

Für genügend Gesprächsstoff ist also gesorgt auf dem Autogipfel 2024, der in diesem Jahr erstmals nicht im Kanzleramt, sondern virtuell stattfindet. Nicht der Kanzler, sondern Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte zur Runde eingeladen, an der neben den Vertretern der Autohersteller auch Verbände wie der VDA, Zulieferer wie Bosch, Continental und ZF sowie auch die IG Metall teilnehmen.

Der Fragen- und Forderungskatalog an den Bundeswirtschaftsminister ist lang und wird bereits länger diskutiert. So sollen die strengen CO2-Flottenzielvorgaben der EU überdacht werden, denn sie sind für einige Hersteller schlicht nicht erzielbar – vor allem nicht vom VW-Konzern. Ebenso möchte man das Verbrennerverbot bei Neuwagen ab 2035 auf den Prüfstand stellen. Weiterhin geht es um Kaufanreize für Elektrofahrzeuge, denn deren Absätze entwickeln sich nicht so wie prognostiziert. Nach dem abrupten Ende der Förderung im Dezember letzten Jahres brachen sie regelrecht ein, einige Branchenexperten machen diesen politischen Schnellschuss dafür mit verantwortlich.

Die Förderung von E-Autos soll zurückkommen

Ins Gespräch gebracht für eine erneute Förderung werden gleich mehrere Modelle. Eine Abwrack- oder Umweltprämie, bei der bis zu 6000 € staatliche Prämie gezahlt wird, wenn ein Kunde einen Verbrenner gegen ein E-Fahrzeug tauscht. Dieser Vorschlag wird u. a. von der SPD unterstützt, findet aber auch Kritiker, die nicht nur bemängeln, dass das ein großer Griff ins Steuersäckel – und damit von jedem einzelnen Steuerzahler – sei. Zudem profitieren davon letztendlich nur einzelne Unternehmen. Auch würden Werte zerstört, wenn ein funktionierendes Verbrennerauto abgewrackt werde. Von VW kommt der Vorschlag, dass sich Autobauer und Politik eine Prämie im Verhältnis 1/3 zu 2/3 teilen. Darüber hinaus wird ein weiteres Modell nach französischem Vorbild ins Spiel gebracht: Menschen mit niedrigen bis mittleren Einkommen könnten einen staatlichen Zuschuss für das Leasing eines mittelpreisigen Elektroautos erhalten.

Das Thema „mittelpreisiges Elektroauto“ ist in Deutschland ein schwieriges. Wo fängt mittelpreisig an und wo hört es auf und welcher Hersteller hat ein solches E-Auto überhaupt im Angebot? Stefan Bratzel, Direktor des des Center of Automotive Management CAM, legte im Gespräch mit VDI nachrichten den Finger in die Wunde: „In Deutschland kommen die falschen Elektroautos auf den Markt. Wir brauchen viel mehr Fahrzeuge im Kompakt- und Kleinwagenbereich, die preislich attraktiv sind. Das ist das zentrale Problem.“ Die Anschaffungspreise für deutsche E-Autos liegen laut CAM-Studie im Schnitt bei 52.000 €. „Damit ist der Preisabstand zu den Verbrennern viel zu groß“, so Bratzel.

Verbrenner-Aus 2035 soll diskutiert werden

Auch das Thema „Verbrenner-Aus 2035“ steht auf dem Prüfstand – besonders beim VW-Konzern und bei Mercedes. So fordert etwa Mercedes-Chef Ola Källenius in der Klimapolitik ein Entgegenkommen der Politik. Mercedes teilte mit, dass bis weit in die 2030er-Jahre hinein sowohl Elektroantriebe als auch Verbrenner produziert werden sollen. „Das Tempo der Transformation bestimmen die Marktbedingungen und die Wünsche unserer Kundinnen und Kunden“, so Källenius. „Unser Produktangebot richtet sich grundsätzlich nach den Kundenwünschen und wird stets auf dem technologisch neuesten Stand sein – das beinhaltet bis deutlich in die Dreißigerjahre hinein auch Verbrenner.“

Auch das Thema CO2-Flottenziele stößt Källenius auf: „Wir müssen über die CO2-Regulierung in Europa reden“, sagte Källenius schon vor Monaten gegenüber dem „Handelsblatt“. Zwar stehe der Stuttgarter Autobauer nach wie vor zum Ziel der Dekarbonisierung der Autoindustrie, „doch die Schätzungen der EU-Kommission waren zu optimistisch, wie sich jetzt zeigt“, sagte Källenius. Da müsse nachgebessert werden. „Wir können die Kundenwünsche nicht ignorieren“, so Källenius. Konkret fordert er eine Erleichterung bei den Klimavorgaben der EU für die Neuwagenflotten, die ab 2025 greifen. Weil die meisten europäischen Hersteller zu wenig Elektrofahrzeuge verkaufen, drohen der Industrie milliardenschwere Strafzahlungen.

Leere Versprechen vom letzten Autogipfel nicht wiederholen

Dass der Autogipfel zu konkreten und auch wirklich in Angriff genommen Lösungen führt, hofft nicht nur Automobilexperte Bratzel. Der Autogipfel im Dezember 2023 sei ein warnendes Beispiel für ihn: „Beim letzten Autogipfel wurde noch die Marke von 15 Mio. Elektroautos bis 2030 beschworen und dass man alles dafür tun wolle – und nur ein paar Tage später wurde von heute auf morgen die Förderung für Elektrofahrzeuge geköpft.“ Das sei in der Autoindustrie ganz schlecht angekommen. „So ein negatives Signal schlägt auf die Stimmung, nicht nur bei den Produzenten, sondern auch bei den Konsumenten und Käufern.“ Hinzu komme laut Bratzel, dass der angekündigte Bürokratieabbau deutlich zu langsam gehe.

BMW gegen eine neue Abwrackprämie

Die deutschen Autobauer sind sich dabei keineswegs einig in ihrem Ruf nach einer neuen E-Auto-Prämie. Von BMW ist zum Beispiel zu hören, die deutsche Automobilindustrie brauche „keine kurzfristigen, marktverzerrenden Strohfeuer“. Im Fokus sollten stattdessen nachhaltige Rahmenbedingungen stehen, die den Kunden die Entscheidung für elektrische Fahrzeuge vereinfachten. BMW spricht damit flächendeckend verfügbare Ladepunkte an sowie den Zugang zu günstigem Ladestrom. „Denn wenn die Kosten für einen elektrisch gefahrenen Kilometer höher sind als mit Benzin oder Diesel, fehlt vielen Kunden ein zentraler Anreiz für elektrische Fahrzeuge“, so BMW.

Diskussion um eine E-Auto-Prämie könnte den Verkauf ausbremsen

Aktuell könnten die Forderungen nach einer erneuten Förderung von E-Autos für den Absatz sogar schädlich sein, warnt etwa Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer: „Das große Risiko der jetzt losgetretenen Autogipfel-Diskussion ist eine weitere Verunsicherung der Verbraucher. Natürlich warten Käufer jetzt erst mal ab, ob eine Prämie kommt“, so Dudenhöffer. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, hat Wirtschaftsminister Habeck bereits zugesagt, mögliche neue Fördermaßnahmen würden rückwirkend gelten. Kaufinteressenten hätten demnach also keinen Grund, ihren E-Auto-Erwerb zu verzögern.

Die Zukunft wird zeigen, ob der Automobilgipfel 2024 nicht wieder nur „ein unverbindliches Gespräch“ ist wie 2023, sondern konkret und wirksam die Weichen für eine dekarbonisierte Zukunft und für wirtschaftlich erfolgreiche Autobauer und Zulieferer stellen kann.

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