TÜV-Report 2022 10. Nov 2021 Von Peter Kellerhoff/TÜV Lesezeit: ca. 4 Minuten

Coronaeffekte führen zu weniger Fahrzeugmängeln

Der TÜV-Report 2022 wartet mit der niedrigsten Durchfallquote von Fahrzeugen seit Jahren auf. Ein möglicher Grund ist mehr Zeit für die Wartung der eigenen Fahrzeuge aufgrund der Coronapandemie.


Foto: Dieter Sieg/Tüv Süd

Offenbar hinterlässt die Coronapandemie ihre Spuren in der Mängelstatistik des „TÜV-Reports 2022“: Im aktuellen Untersuchungszeitraum sind 17,9 % der insgesamt 9,6 Mio. untersuchten Fahrzeuge bei der Hauptuntersuchung (HU) mit „erheblichen“ oder „gefährlichen Mängeln“ durchgefallen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Wert um 2 % gesunken, im Vergleich zu 2014 sogar um 7 %.

Die Coronapandemie wirkte sich offenbar positiv auf den Wartungsstatus aus

„Im aktuellen TÜV-Report sind so wenige Fahrzeuge durch die Hauptuntersuchung gefallen wie seit Jahren nicht mehr“, sagte Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, bei der Vorstellung des TÜV-Reports am heutigen Mittwoch. Nach Ansicht des TÜV spricht das einerseits für eine höhere Langlebigkeit der Fahrzeuge, andererseits zeigen sich mehrere Coronaeffekte. Bühler: „Viele Fahrzeughalter hatten während der Lockdowns mehr Zeit, sich um die Wartung ihrer Autos zu kümmern.“ Die Coronapandemie hatte weitere Auswirkungen, beispielsweise die Verknappung von Chips und Halbleitern. Dadurch seien mehr junge Fahrzeuge mit relativ wenig Mängeln in die Daten eingeflossen. „Die bei der Produktion von Neuwagen auftretenden Lieferengpässe bei Computerchips haben Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt. Viele Besitzer von Leasingfahrzeugen haben ihre nach drei Jahren auslaufenden Verträge während der Pandemie verlängert, anstatt ein neues Modell zu ordern“, erläuterte Bühler. Zudem hätten viele Leasingnehmer während der Pandemie Aufwand und Kosten einer Neuanschaffung gescheut. Anstatt ins Ausland verkauft zu werden, sind viele der jungen Gebrauchtwagen in Deutschland geblieben und senken den Mängelschnitt.

10 000 Fahrzeuge mussten aus dem Verkehr gezogen werden

Trotz der insgesamt positiven Entwicklung sind immer noch sehr viele Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs, die eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen. Laut den Ergebnissen des TÜV-Reports 2022 wurden 0,04 % der Pkw von den Sachverständigen als „verkehrsunsicher“ eingestuft und mussten sofort stillgelegt werden. Bezogen auf alle Hauptuntersuchungen in Deutschland sind das rund 10 000 Fahrzeuge innerhalb eines Jahres. Und rund 100 000 Fahrzeuge mussten mit „gefährlichen Mängeln“ wie zerschlissenen Bremsscheiben, stark beschädigten Reifen oder einem Komplettausfall der Bremslichter sofort in die Werkstatt (0,4 %).

Häufig beanstandete Mängel

Besonders häufig beanstanden die Sachverständigen Defekte an der Beleuchtung. „Lichtmängel sind ein Klassiker bei den Hauptuntersuchungen, die von den Autofahrern und Autofahrerinnen gerne vernachlässigt werden“, sagte Bühler. „Kaputte Bremslichter oder blendende Scheinwerfer sind gerade in der dunklen Jahreszeit ein ernstes Risiko für alle Verkehrsteilnehmer.“ Ein weiteres Manko ist Ölverlust. „Austretendes Öl am Antrieb oder am Motor belastet die Umwelt und wirkt brandbeschleunigend“, warnte Bühler. Und: Die Behebung dieser Mängel ist teuer.

Die Sieger und Verlierer des Mängelreports

Gesamtsieger des TÜV-Reports 2022 ist wie in den beiden Vorjahren der Mercedes GLC. Die Quote der erheblichen Mängel des hochwertigen SUVs liegt bei den zwei bis drei Jahre alten Fahrzeugen bei nur 1,5 %. Das ist der niedrigste Wert aller untersuchten Fahrzeuge. Auf das Podium schaffen es daneben die Mercedes B-Klasse auf Platz zwei und der Volkswagen T-Roc auf den dritten Platz. In den weiteren Altersklassen gewinnt der Audi Q2 bei den vier- bis fünfjährigen und der Porsche 911 bei den sechs bis sieben Jahre alten Fahrzeugen. Bei den älteren Fahrzeugen steht der Audi TT an der Spitze. In der Auswertung nach Fahrzeugklassen schafft es mit dem Opel Karl in der Miniklasse in diesem Jahr nur ein Volumenhersteller in die Riege der Premiumfahrzeuge. Der Audi A1 gewinnt bei den Kleinwagen, in der Kompaktklasse die Mercedes A-Klasse, in der Mittelklasse die C-Klasse und die Mercedes B-Klasse bei den Vans.

Die Kehrseite der Medaille: Die letzten Plätze in den Altersklassen gehen bei den zwei- bis dreijährigen Fahrzeugen an den Dacia Logan, bei den bis zu fünf Jahre alten Fahrzeugen an den BMW 5er/6er, bei den bis siebenjährigen an den Fiat Punto, in der Klasse der acht bis neun Jahre alten Autos liegt der Renault Kangoo ganz hinten und in der Klasse der bis elfjährigen ist es wieder der Dacia Logan. Die schlechte Platzierung des BMW mag verwundern, ihm wird eine spezielle Technik zum Öffnen der Motorhaube zum Verhängnis, die regelmäßig ausgetauscht werden muss, was viele Besitzer versäumten.

Längst überfällig: Die Modernisierung der Hauptuntersuchung wegen zunehmender Digitalisierung der Fahrzeugtechnik

Der TÜV-Verband fordert von der neuen Bundesregierung eine längst überfällige Modernisierung der Hauptuntersuchung, um der Digitalisierung der Fahrzeugtechnik, neuen Antriebskonzepten sowie dem Umwelt- und Klimaschutz gerecht zu werden. „Digital gesteuerte Assistenzsysteme können durch Beschädigungen wie Parkrempler, falsche Installation oder fehlerhafte Updates ‚verschleißen‘ und müssen während ihrer gesamten Lebensdauer sicher sein“, sagte Bühler. Sowohl die Funktion als auch die tatsächliche Wirkung von Spurhalte-, Stau- oder Notbremsassistenten sollten bei der Hauptuntersuchung geprüft werden. Zudem benötigen die Sachverständigen Zugang zu sicherheitsrelevanten Daten und zum aktuellen Softwarestand der Fahrzeuge. „Moderne Autos erhalten heute regelmäßig Updates, die Einfluss auf sicherheitskritische Faktoren wie das Fahrverhalten haben können“, sagte Bühler. „Bei den Software-Checks muss außerdem geprüft werden, ob die Fahrzeuge die Anforderungen an die Cybersecurity einhalten.“

Ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Fahrzeugdaten spiele auch bei der Bewertung der Umweltbilanz eine entscheidende Rolle. „Mithilfe der Fahrzeugdaten können die Sachverständigen Schäden und Manipulationen an der Abgasanlage besser erkennen“, sagte Bühler. Darüber hinaus setzt sich der TÜV-Verband dafür ein, dass die Partikelanzahl auch bei Benzinfahrzeugen bei der HU gemessen und ein Verfahren für die Messung von Stickoxiden (NOx) bei Dieselfahrzeugen festgelegt wird. Darüber hinaus müssten jetzt Regelungen für die Prüfung von Wasserstofffahrzeugen geschaffen werden.

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