Daimler steigt in die Batteriezellenproduktion ein
Der Stuttgarter Daimlerkonzern will bis 2030 zusammen mit Partnern acht Produktionsstätten für Batteriezellen aufbauen.
Ende September gab Daimler bekannt, künftig Batteriezellen zu fertigen. Die Stuttgarter beteiligen sich mit 33 % an ACC, einem Zellkonsortium des Automobilherstellers Stellantis (u. a. Opel, Peugeot, Citroën, Fiat, Chrysler, Alfa Romeo) und des Mineralölunternehmens Totalenergies. Das Ziel: die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Hochleistungsbatteriezellen und -modulen der nächsten Generation zu wettbewerbsfähigen Kosten.
Willkommener Nebeneffekt: die Abhängigkeiten von asiatischen Batterielieferanten zu verringern. „Wir leisten einen Beitrag dazu, dass Europa ein Zentrum der Automobilindustrie bleibt – auch im Zeitalter der Elektromobilität“, sagte Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und der Mercedes-Benz AG, vergangene Woche bei der Vorstellung der Partnerschaft. Bis 2030 sollen mindestens 120 GWh jährliche Zellkapazität bereitstehen, so Källenius.
Asiatische Hersteller sind marktbeherrschend
Das klingt auf den ersten Blick vielversprechend, ist aber im Vergleich mit den asiatischen Batteriezellenherstellern eher bescheiden. Diese sind derzeit absolut marktbeherrschend. So sind im letzten Jahr vor der Coronapandemie – 2019 – im Top-Ten-Ranking der größten Batteriezellenhersteller kein europäischer und kein US-Anbieter vertreten. Die ersten drei Plätze nehmen Catl (China), Panasonic (Japan) und LG Chem (Südkorea) ein. Auch die weiteren Plätze machen diese drei Länder fast paritätisch unter sich aus.
Um die von ACC für 2030 angestrebten 120 GWh/Jahr in eine Relation zu setzen: Vor zwei Jahren lag Catl im Top-Ten-Ranking auf Platz eins: mit 32,5 GWh/Jahr. Anfang des Jahres gab der 2011 gegründete Konzern bekannt, 2021 eine Kapazität von 230 GWh anzustreben, 2025 sind 1200 GWh geplant – und damit die zehnfache Kapazität dessen, was ACC erst fünf Jahre später liefern will.
2015 zog sich Daimler aus der Batteriezellenfertigung zurück
Lange war man in Deutschland der Überzeugung, eine eigene Batteriezellenfertigung sei nicht nötig, weil zu teuer, zu aufwendig, nicht profitabel. Dabei stand Daimler vor knapp zehn Jahren gar nicht schlecht da. Bereits 2012 wurde der Smart unter Strom gesetzt, 2014 folgte eine E-Version der B-Klasse. Die Batterien lieferte damals die Li-Tec Battery GmbH aus Kamenz (Sachsen), an der neben Evonic Daimler zunächst mit 49,9 % beteiligt war, später wurden alle anderen Evonik-Anteile übernommen. Unter dem Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche wurde allerdings beschlossen, die Batteriezellenfertigung bei Li-Tec zum Ende des Jahres 2015 einzustellen.
Die Fertigung der Batteriezellen sei für Elektro- und Hybridautos wie den Smart auf absehbare Zeit nicht wirtschaftlich, hieß es. Das Produkt werde nicht in ausreichend großer Stückzahl nachgefragt, damit sich die Produktion rechne. Batterien für seine E-Fahrzeuge bezog Daimler danach von LG Chem. Aus dem einstigen Elektroauto-Vorreiter wurde laut einigen Experten mittlerweile ein Nachzügler. Gerade einmal 3,3 % des gesamten Absatzes bei Daimlers Pkw-Sparte waren im ersten Halbjahr dieses Jahres rein batterieelektrische Fahrzeuge. Rechnet man die Hybridfahrzeuge hinzu, sind es auch nur ein Zehntel des Gesamtabsatzes.
Zeitenwende bei Daimler
Doch besser spät als nie. Dieser Ansicht ist auch Automobilexperte Stefan Bratzel, Gründer und Leiter des Center of Automotive Management (CAM). Es sei – nach dem Ausstieg aus der Batteriezellenproduktion 2015 – für Daimler jetzt eine Zeitenwende, schließlich wollen die Stuttgarter 2030 überall da vollelektrisch unterwegs sein, wo es die Marktbedingungen zulassen. „Die Thematik wurde unter Källenius neu bewertet und die Batteriezelle wird als zentraler Wertschöpfungs- und Innovationsbestandteil der E-Mobilität erkannt.“ Es sei absolut richtig und wichtig, dass man hier Kompetenzen aufbaue.
„Mit diesem deutlichen Zeichen von Daimler und Källenius ist die Aufholjagd gegenüber den asiatischen Herstellern gestartet“, sagt Bratzel. Er sieht mit Daimlers Einstieg in die Batteriezellenproduktion auch einen Weckruf für alle anderen Autohersteller: „Wer jetzt nicht aufspringt, für den könnte der Zug abgefahren sein.“
Batterie als zentraler Bestandteil des E-Mobils der Zukunft
Für Bratzel ist jedoch auch klar, dass für einen Konzern wie Daimler der Aufstieg in die Topliga der etablierten Player nicht in kürzester Zeit zu bewerkstelligen sei. Allein bei den Kapazitätszuwächsen haben die asiatischen Mitbewerber einen riesigen, uneinholbar scheinenden Vorsprung. „Hier muss die Devise lauten: Qualität statt Quantität.“
Bratzel zufolge ist die Batterie keine Commodity, sondern vielmehr ein ganz zentraler Bestandteil der Innovation und der Wertschöpfung eines Elektrofahrzeugs der Zukunft. „Wer hier gut ist, hat Vorteile.“ Es gehe darum, die Energiedichte zu erhöhen und dabei die Kosten pro Kilowattstunde im Auge zu behalten. Ein Thema dabei könnte die Festkörperzelle sein.
Produktionsstandort auch in Deutschland?
Die Frage, ob von den vier Produktionsstandorten, die ACC in Europa errichten will, auch einer oder gar mehrere in Deutschland sein werden, sieht der Automobilexperte als noch nicht entschieden an. Das Problem seien die im weltweiten Vergleich hohen Energiekosten, aber, so Bratzel: „Es muss auch Sorge dafür getragen werden, dass die Batterien mit regenerativem Strom produziert werden. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Werk auch in Deutschland entsteht, aber die Batteriezellenproduktion muss am Ende des Tages auch wettbewerbsfähig sein. Da ist auch die Politik gefragt.“