Dieselfahrer im Visier
Inzwischen wurden Städte von den Gerichten zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge verpflichtet. Laut Gesetzentwurf soll ein Heer von Videokameras das kontrollieren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will Fahrverbote in den Städten unbedingt vermeiden. Dennoch befasst sich jetzt der Bundestag mit einem von der Bundesregierung erarbeiteten Gesetzesentwurf, der sich bereits auf ein technisches Verfahren zur Kontrolle der Fahrverbote festlegt.
Demnach sollen Städte mit intelligenten Videokameras aufgerüstet werden. Sie erfassen dann Fahrer wie Fahrzeug und das Kennzeichen sowie die Fahrzeugmerkmale und gleichen sie unmittelbar mit den Daten im Zentralen Fahrzeugregister ab. Datentreffer werden an die Verwaltungsbehörde weitergeleitet, die für Ordnungswidrigkeiten zuständig ist. Alle erfassten Daten müssen „unverzüglich“ gelöscht werden. Sollte dies in einigen Fällen nicht passieren, sollten die Daten aber spätestens nach sechs Monaten gelöscht sein.
Der Gesetzesentwurf ist im Grunde ein Kfz-Schilderscanning, für das sich die Unionsparteien schon lange aussprechen, da sie die Daten „grundsätzlich für Ermittlungs- und Fahndungszwecke“ erheben wollen. Die Oppositionsparteien im Bundestag kritisieren diesen Lösungsansatz als überzogen.
Zudem sollen die Fehlerquoten dieser Erfassungstechnik enorm hoch sein: In Baden-Württemberg wurden bei einem Testlauf für die automatisierte Kennzeichenerfassung 92 % der Kennzeichen nicht richtig erfasst. In Bayern kam es in 98 % der Fälle zu falschen Treffern, berichtete das Onlinemagazin Buzzfeed.
Wie aber kontrollieren andere Länder die Mautpflicht? In Österreich gibt es seit 2018 für Autobahnen und Schnellstraßen die „digitale Vignette“ zusätzlich zu den herkömmlichen Klebevignetten. Dabei erfolgt die Zuordnung über das Fahrzeugkennzeichen. Der Fahrzeughalter kann die Vignette online erwerben, die Überprüfung erfolgt über eine frei zugängliche Datenbank der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, die jeder kostenlos online abfragen kann.
Eine Alternative sind RFID-Funksender, wie sie beispielsweise beim Mautsystem E-ZPass in den USA seit 1987 verwendet werden. Dabei handelt es sich um genormte Transponder, die hinter der Windschutzscheibe oder an der Nummernschildbefestigung sichtbar montiert werden. Durchfährt ein Auto ohne Durchfahrtsgenehmigung eine Fahrverbotszone, würden seine auf dem Transponder gespeicherten Daten automatisch an Kontrollstationen erfasst und an die Verwaltung weitergeleitet. Allerdings müssten die Kontrollstationen mit Schranken ausgestattet werden, um Fahrzeuge ohne Transponder stoppen zu können.
Beispiel Singapur: Wenn Fahrer im Stau stehen, werden sie wie auch die Anwohner den umweltschädlichen Belastungen durch Feinstaub und Stickoxiden besonders ausgesetzt. Für den Stadtstaat Singapur steht ein flüssiger Verkehr an erster Stelle, weshalb er seit 1998 ein relativ ausgefeiltes System betreibt. So zieht die Stadtverwaltung mit RIFD-Technik samt Kfz-Schilderscanning über das „Electronic Road Pricing“-System (ERP) eine flexible „Staugebühr“ automatisch während des Durchfahrens bestimmter Kontrollpunkte ein. Laut der zuständigen Verwaltung kann die Verkehrsgeschwindigkeit mit dem ERP-System um 20 % erhöht und das Verkaufsaufkommen um 13 % reduziert werden.
Alle in Singapur registrierten Fahrzeuge sind verpflichtet, eine mit einer anonymen Cash Card versehene In-Vehicle-Unit einzubauen, wenn sie die ERP-Straßen nutzen wollen. Ist die Cash Card beim Durchfahren der ERP-Stationen nicht ausreichend gedeckt, erhält der dank des Kfz-Schilderscannings identifizierbare Fahrer binnen zwei Wochen ein Bußgeld per Post. Künftig soll eine On-Board-Unit in den Fahrzeugen installiert werden, die die Fahrzeugposition per Satellit feststellt. Damit würden die an den Straßen fest installierten Kontrollpunkte überflüssig werden.
Ob das Modell Singapur auch für Deutschland anwendbar ist, müsste rechtlich in einer Datenschutzfolgenabschätzung überprüft werden. Der Jurist und Datenschutzexperte Malte Engeler betont deshalb, dass das vorgesehene Verfahren nur dann verhältnismäßig sei, wenn es tatsächlich keine milderen Mittel der Durchsetzung gibt.
Diese wären aber mit einer blauen Plakette eindeutig gegeben, die von der Bundesregierung bisher abgelehnt wird. Für Benziner gibt es seit Jahren die grünen Plaketten. Während diese Feinstaubbelastungen senken sollen, sollen sich die blauen auf den Ausstoß von Stickoxiden beziehen. Mit dem Plakettensystem werden die Fahrzeuge nur einmal erfasst. Die Kontrolle erfolgt entweder bei parkenden Fahrzeugen durch den Ordnungsdienst oder über Stichkontrollen der Polizei.
Der Deutsche Städtetag sieht Polizei und Ordnungsbehörden derzeit nicht für die automatische Fahrzeugerfassung ausgerüstet. Auf dem Diesel-Gipfel diese Woche stockte der Bund lediglich das „Sofortprogramm Saubere Luft“ zur Unterstützung der Kommunen von bisher 1 Mrd. € auf 1,5 Mrd. € auf. Hinzu kommen 400 Mio. €, um die Hardware von Kleinlastern nachzurüsten.