Oldtimer-Treffen 15. Aug 2024 Lesezeit: ca. 3 Minuten

Hebmüller: Eine Legende des deutschen Karosseriebaus

In der Automobilindustrie gibt es viele Geschichten von Aufstieg und Fall. Eine davon schrieb der Familienbetrieb Hebmüller. Der Name ist in Fachkreisen ein Synonym für herausragende Handwerkskunst im Karosseriebau - wenn auch das Unternehmen nicht überlebte. Heute sind die Fahrzeuge heiß begehrt und werden auf dem Sammlermarkt hoch gehandelt.

Dieser Opel Kapitän rollte aus dem Werk von "Joseph Hebmüller Söhne" im Jahr 1939. Damals florierte das Geschäft des Karosseriebauers aus Wülfrath (heute Wuppertal)
Foto: Frank Hebmüller

Am Wochenende ließen Oldtimer-Fahrer aus ganz Europa die Glanzzeit des deutschen Karosseriebaus bei einem Hebmüller-Treffen im Rheinland aufleben. Für uns ein guter Anlass einen Rückblick auf  die bewegte Geschichte von „Joseph Hebmüller Söhne“ zu werfen.

Vom Kutschenbauer zum Karosseriebauer

Der Legende nach steckte Joseph Hebmüller (1865-1919) seinen Erbteil von 600 Silbertalern in den Kauf eines in Konkurs geratenen Kutschenbauers aus Barmen (heute Wuppertal). Der gelernte Stellmacher führte die Kutschen-Werkstatt ab 1890 unter seinem Namen weiter. Sie entwickelte sich schnell zu einem florierenden Unternehmen, bekannt für ihre innovativen und ästhetisch ansprechenden Pferdekut­schen.

Hier ist die Bauweise aus den Anfängen von Hebmüller gut zu erkennen: Ein Holzgerüst wurde mit Blechteilen verkleidet. Foto Mélanie Voisin

Joseph Hebmüller ging mit der Zeit und stieg allmählich ins Automobilgeschäft ein. Zunächst karos­sierte er Nutzfahrzeu­ge, konzentrierte sich aber bald hauptsächlich auf Personenwagen. Sein Markenzeichen: Eine Gemischtbauweise, bei der ein handgefertigtes Holzgerüst mit Blech verkleidet wurde. Aus der Hebmüller-Werkstatt rollten unter anderem der Austro Daimler ADR Sport, der Mercedes SS oder der Bugatti Typ 40.

Die Blütezeit unter den Hebmüller-Söhnen

Die vier Heb­müller-Söhne (Joseph, Paul, Emil und Erich) übernahmen gemeinsam das Geschäft. 1924 eröffnete ein zweites Werk, 1936 ein drittes. Dabei wurde in moderne Lackieranlagen und hydraulische Streck-Zieh-Pressen in­vestiert. Stahlkarosserie ersetzte Holz und Metall. In diesen Jahren erlebte “ Joseph Hebmüller Söhne“ seine Blütezeit: Seine Spezialanfertigungen waren sehr gefragt. Es wurde für namenhafte Hersteller wie Mercedes, Hanomag, Ford und Opel karossiert.

Die Cabrios von Hebmüller galten als revolutionär, weil das Verdeck komplett verschwand und nicht mehr zu sehen war. Foto: Mélanie Voisin

Im Zweiten Weltkrieg produziert Hebmüller neben Personalwagen für die Wehrmacht – unter anderem Karosserien für Horch V8-Fahrgestelle für Nachrichten- und Fernsprechwagen. 1943 zerstörte ein Fliegerangriff das Werk I komplett. Auch das Werk II wurde kurz vor Kriegsende durch einen Tieffliegerangriff schwer beschädigt, wobei 14 Mitarbeiter starben.

Kurios: Das Unternehmen hielt sich dennoch über Wasser, indem es Geländewagen- und Flugzeugat­trappen fertigte. Diese sollten Bomberpiloten auf die falsche Fährte locken.  Nach dem Krieg wurden Stabswagen für die britische Militärbehörde sowie Paketautos für die Post produziert.

Hebmüller karossierte auch Nutzfahrzeuge Foto: Mélanie Voisin

Geburt des „Hebmüller-Cabrios“

Im Jahr 1948 foltge der Durchbruch: VW wurde zum wichtigsten Kunde. Zunächst fertigte Hebmüller die Karossieren für den Polizei-Kübelwagen. Mittlerweile beschäftigte die Firma mit neuem Sitz in Wülfrath (heute Wupptertal) 436 Mitarbeiter. Dann kam der Auftrag für 2000 Exem­plare des sogenannten Edel-Käfers (damals satte 7500 Mark). Der VW-Zweisitzer Typ 14A  ging als „Hebmüller-Cabrio“ in die Geschichte ein – und zwar nicht nur aufgrund seines ausgesprochen gelungenen Designs. Am 23. Juli 1949 zerstörte ein Großbrand das Wülfrather Werk komplett. Von den 2000 bestellten VW-Käfern waren bis dato lediglich 696 Stück  produziert worden. Weitere 14 wurden im Nachhinein aus Restbeständen gefertigt. Das machte aus dem „Hebmüller-Cabrio“ schon damals eine gesuchte Rarität.

Die Wiedergeburt von Hebmüller erfolgte nicht ohne Schwierigkeiten. Die vier Brüder setzten auf innovative Ansätze und modernste Technologien, um ihren Kunden weiterhin hochwertige und einzigartige Fahrzeuge zu liefern. Doch trotz hervorragender Auftragslage sind die Kosten für den Wiederaufbau des Werks durch die Versicherungssumme nicht abgedeckt. Die Investoren ziehen sich zurück. Der Betrieb muss im Jahr 1952 Konkurs anmelden.

Der VW-Käfer ging als „Hebmüller-Cabrio“ in die Geschichte ein und ist auf dem Sammlermarkt sehr begehrt. Foto: Mélanie Voisin

Hommage an die goldene Ära des Karosseriebaus

Die Hebmüller-Fahrzeuge gelten heute als begehrte Sammlerstücke, der Name ist mit der goldenen Ära des deutschen Karosseriebaus verbunden. Vor allem das VW-Cabrio, von dem weltweit rund 100 Stücke übrig sind, wird hoch gehandelt (bis zu 200.000 €). Den höchsten Verkaufspreis erzielte ein Mercedes-Benz 540 K Hebmüller Coupé, das 39 Jahre lang als verschollen galt und schließlich in den USA wiederentdeckt wurde. Am 17. Januar 2020 wurde das Fahrzeug in Arizona für 995.000 $ (etwa 900.000 €) versteigert.

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