Automobil 08. Feb 2024 Von Peter Kellerhoff Lesezeit: ca. 3 Minuten

In Deutschland stehen Tausende Stellen auf dem Spiel – in den USA investiert ZF

Immer mehr Autozulieferer kehren dem Produktionsstandort Deutschland den Rücken. Jüngstes Beispiel für den Trend: ZF

Von 2025 an soll im US-amerikanischen ZF-Werk Gray Court die vierte Generation des erfolgreichen 8-Gang-Automatgetriebes produziert werden.
Foto: ZF Group

Im Zuge der Transformation der Automobilbranche zur Elektromobilität geraten zahlreiche Zulieferer in die Bredouille. Auch und besonders der Friedrichshafener Getriebespezialist ZF. Einst das Vorzeigeunternehmen in Sachen hochwertiger Getriebe für Verbrennungsmotoren scheint der Hersteller im Zuge der Elektromobilität etwas unter die Räder zu geraten. Getriebe für Verbrennungsmotoren – bis zu neun Gänge – sind bei der Elektromobilität nicht gefragt. Elektroautos benötigen ium Grunde nicht mal ein Getriebe. Das schlägt auch bei den Friedrichshafenern durch und so will der Konzern bis 2030 in Deutschland 12 000 Stellen sozialverträglich abbauen. Keine guten Nachrichten. Doch es gibt auch eine gute Nachricht vom Bodensee: ZF investiert fast eine halbe Milliarden Euro und schafft 400 neue Arbeitsplätze – nur eben nicht in Deutschland. Sondern in den USA.

Genauer gesagt in Gray Court/South Carolina im Südosten der Vereinigten Staaten. Dort will ZF das bestehende Werk mit etwa 460 Mio. € fit für die Zukunft machen. Das ist jedoch nicht mal so viel, was ZF jährlich an Zinsen zahlen muss, da das Unternehmen mit 11 Mrd. € in der Kreide steht.

ZF will sein USA-Werk fit machen für die Zukunftstechnologien

Der Ausbau des Werks in den USA soll die Flexibilität bei der Produktion von Pkw- und Nutzfahrzeugantrieben erhöhen. Konkret bedeutet das: Das Werk wird fit gemacht für die nächste Generation der Antriebstechnologien für Pkw und Nutzfahrzeuge. Dazu gehört die Produktion der elektrifizierten vierten Generation des 8-Gang-Automatgetriebes.

Die vierte Generation des 8-Gang-Automatgetriebes ermöglicht in der Variante als Plug-in-Hybrid eine rein elektrische Fahrleistung von bis zu 160 kW und ein Drehmoment von 450 Nm – fast das Doppelte der bisherigen 8-Gang-Getriebegeneration. Zusätzlich wird dort die Version des hybridfähigen Powerline-Getriebes für mittelschwere Lkw, Busse und Pick-ups produziert. „Je nach Batteriedimension in den Fahrzeugen unserer Kunden können wir mit unserem 8-Gang-Plug-in-Hybrid der neuesten Generation problemlos eine rein elektrische Reichweite von mehr als 75 km erzielen“, sagt ZF-Vorstandsmitglied Stephan von Schuckmann, verantwortlich für die Division Electrified Powertrain Technology.

Gute Nachrichten von ZF: Automobilzulieferer bewältigt doppelte Transformation

„ZF entwickelt sich mit den Märkten und Bedürfnissen seiner Kunden“, so Schuckmann. „Gray Court ist unser wichtigstes nordamerikanisches Werk für die flexible Produktion von Antriebssystemen für Pkw und Nutzfahrzeuge. Die Erweiterung um elektrifizierte Antriebe spiegelt den Wandel wider, den unsere Branche derzeit durchläuft.“

In den USA sind Hybridantriebe gefragt

Nachdem auf dem nordamerikanischen Markt Hybridantriebe wieder verstärkt nachgefragt werden, könne ZF mit den erweiterten Produktionskapazitäten zukünftig noch flexibler auf veränderte Wünsche der Kunden eingehen – je nachdem, welche Elektrifizierungsstrategie diese verfolgen.

Im Rahmen einer 2021 angekündigten 200-Mio.-$-Investition will ZF die Produktion bis 2025 auf 200 000 Getriebe pro Jahr hochfahren. „Die Lokalisierung von Powerline festigt die Position von Gray Court als erster nordamerikanischer Fertigungsstandort von ZF“, sagt das für die Division Commercial Vehicle Solutions verantwortliche Vorstandsmitglied Peter Laier. „Mit der Markteinführung können wir unseren Kunden in Nordamerika ein hocheffizientes Hochleistungsgetriebe anbieten, das Nutzfahrzeugherstellern und Flottenbetreibern hilft, die CO2-Ziele zu erreichen und das gleichzeitig hervorragende Gesamtbetriebskosten und Zuverlässigkeit bietet.“

Immer mehr Unternehmen der Autoindustrie kehren dem Standort Deutschland den Rücken

Während hierzulande 12 000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, reiht sich ZF in den Trend ein, dass immer mehr Unternehmen aus der Automobilbranche dem Standort Deutschland den Rücken kehren. So mahnte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller: „Dass immer mehr Unternehmen Investitionen ins Ausland verlagern, ist ein Warnsignal für Berlin.“ Was sie damit meint, ist, dass aufgrund stark gestiegener Preise von Energie, Rohstoffen und Personal zahlreiche Unternehmen der deutschen Wirtschaft Zukunftstechnologien zunehmend im Ausland ansiedeln. Eine Umfrage des VDA unter mittelständischen Mitgliedern ergab, dass mehr als ein Drittel der Betriebe geplante Investitionen aus Deutschland ins Ausland verlagern will.

Lesetipp: Deutsche Automobilzulieferer sind bei Umsatzwachstum und Profitabilität global das Schlusslicht

Eine Umfrage der Gewerkschaft IG Metall stellte zudem klar, dass jeder zweite Autozulieferer etwa in Baden-Württemberg nicht in Deutschland investieren will. So will etwa Bosch laut Medienberichten Komponenten für die Elektromobilität künftig in Tschechien produzieren lassen.

Und weiter gehts: Nach Informationen des Handelsblatts ist die klassische Fahrzeugproduktion binnen zehn Jahren um mehr als 36 % eingebrochen. Fertigten Autokonzerne 2012 hierzulande noch rund 5,6 Mio. Pkw und Kleintransporter, waren es 2022 lediglich 3,6 Mio. Einheiten. Während hierzulande die Produktionszahlen sanken, stiegen sie im Ausland. Denn im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Auslandsproduktion von Volkswagen, BMW, Opel und Mercedes-Benz von 8,6 Mio. Fahrzeugen auf insgesamt über 10 Mio. Fahrzeuge.

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Das sind klare Warnsignale – offenbar wird der Wirtschaftsstandort Deutschland für immer mehr Autohersteller und Zulieferer immer unattraktiver.

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