Mysteriöses Coupé in noblem Gewand
Vor 50 Jahren entstand ein Porsche 911 mit Edelstahlkarosserie.
Stände er nicht seit nunmehr 43 Jahren im Deutschen Museum in München, könnte man fast bezweifeln, dass es ihn tatsächlich gegeben hat: ein Porsche 911 S mit einer Spezialkarosserie aus rostfreiem Edelstahl. Seine Entstehungsgeschichte ist voll von Halbwahrheiten, Vermutungen und Widersprüchen. Fest steht allerdings, dass das geheimnisvolle Unikat vor 50 Jahren offiziell für den Straßenverkehr zugelassen wurde.
Rückblende: Rost an Karosserie und tragenden Teilen stand 1967 bei der obligatorischen Hauptuntersuchung, im Volksmund als TÜV-Prüfung bekannt, mit Abstand an der Spitze der Mängelstatistik. Eine Möglichkeit, das Übel des korrosionsbedingten Frühablebens der Karosserie an der Wurzel zu packen, wäre deren Herstellung aus rostfreiem Edelstahl gewesen, was in der Großserie schon aus Kostengründen ein Wunschtraum bleiben musste. Technisch machbar war es freilich, wie die Informationsstelle Edelstahl Rostfrei in Düsseldorf damals bewies. Auf deren Namen wurde am 24. August 1967 ein Porsche 911 S-Coupé mit einer Karosserie aus matt gebürstetem Edelstahl für den Straßenverkehr zugelassen.
Nach einem kurzen Gastspiel als viel bestaunten Messestar auf dem Porsche-Stand der IAA im September 1967 nutzte der Geschäftsführer der Informationsstelle Edelstahl Rostfrei, Heinz Todtmann, das Unikat als repräsentativen Dienstwagen. Nach sieben Jahren, rund 15 000 km auf dem Tacho und erwartungsgemäß absolut rostfreier Karosserie fuhr das silbern schimmernde Coupé ins Deutsche Museum in München, wo es heute noch parkt.
Soweit die Fakten. Viele Fragen bleiben offen: Wer war der Auftraggeber? Wo wurde die Karosserie gefertigt? Welche Stahlsorte fand Verwendung? Wo fand die „Hochzeit“ zwischen der 911-Plattform und dem matt gebürsteten Edelstahlkleid statt? Nachforschungen in der Porsche-Zentrale in Stuttgart-Zuffenhausen blieben erfolglos. Im Unternehmensarchiv fanden sich außer einem Farbfoto des Fahrzeugs keinerlei Hinweise. Auch die noch immer bestehende Informationsstelle Edelstahl Rostfrei besaß keine Unterlagen. Nächste Anlaufstelle war das Deutsche Museum. „Die Karosserie hat damals die Firma Blanco gebaut“, glaubte Frank Steinbeck, Kurator des Verkehrszentrums im Museum, zu wissen.
Also auf zur weiteren Spurensuche ins badische Oberderdingen zur noch bestehenden Firma Blanco. Das 1925 als Blanc & Co. gegründete Familienunternehmen produzierte von 1951 an Spülen aus rostfreiem Edelstahl (Nirosta) und zählt heute zu den international führenden Herstellern von Haushalts- und Großverpflegungstechnik. „Es ist richtig, die Edelstahlkarosserie des Porsche entstand bei uns“, bestätigt Blanco-Sprecher Stefan Kohl zunächst und kündigt an, im Archiv nach entsprechenden Hinweisen fahnden zu lassen. Mangels belegbarer Fakten distanziert er sich später von dieser Aussage.
Durch Vermittlung von Blanco kommt ein Kontakt zu einem Zeitzeugen zustande. Der Ingenieur Werner Herbold (92), damals Technischer Direktor bei Blanc & Co., erinnert sich: „Herr Todtmann hat uns mehrmals in Oberderdingen besucht und ich habe den Wagen selbst gefahren. Hergestellt wurde die Karosserie nicht bei uns, sondern wahrscheinlich bei Porsche.“ Auftraggeber könnte die Informationsstelle Edelstahl Rostfrei gewesen sein, vermutet er. Einige Wochen später bringt ein Anruf aus dem Deutschen Museum etwas Licht ins Dunkel. Steinbeck hat im Archiv den Fahrzeugbrief des Porsche ausgegraben. In ihm ist als einziger Fahrzeughalter die Informationsstelle Edelstahl Rostfrei in Düsseldorf eingetragen. Es darf folglich vermutet werden, dass sie auch der Auftraggeber war und den Wagen nach seiner Stilllegung am 8. November 1974 dem Deutschen Museum übergeben hat.
Unter der Rubrik Aufbau steht im Fahrzeugbrief „Porsche“. Das spricht dafür, dass die Edelstahlkarosserie im damaligen Karosseriewerk Reutter in Zuffenhausen hergestellt worden sein muss, das 1963 von Porsche übernommen worden war. Bemerkenswert: Das Leergewicht des Coupés ist mit 1030 kg angegeben. Es wäre damit 50 kg leichter als sein zeitgenössisches Pendant mit Stahlblechkarosserie. „Kalt gewalztes Edelstahlblech mit der Werkstoffnummer 1 4301 und der Kurzbezeichnung X 5 CrNi 18–9 mit einem Nickelanteil von 9 % wurde teils maschinell, teils in Handarbeit geformt und die Einzelteile wurden verschweißt“, sagt Steinbeck. Wo das geschah, bleibt weiter offen.
Im Depot des Museums schlummert übrigens noch ein weiteres Edelstahl-Unikat: ein unrestauriertes BMW 2800 CS-Coupé, wie es zwischen 1968 und 1971 – mit konventioneller Karosserie – im Osnabrücker Karosseriewerk Karmann gebaut wurde. Auftraggeber sollen angeblich die Deutschen Edelstahlwerke in Krefeld gewesen sein. Die Vision vom garantiert rostfrei bleibenden Aufbau hatte etliche Jahre später auch der ehemalige General Motors-Manager John Z. DeLorean (1925 bis 2005) in seinem spektakulären Flügeltürencoupé DMC-12 in die Tat umgesetzt: 1981 und 1982 entstanden in Nordirland insgesamt 8 583 Sportcoupés mit einer Verbundkarosserie aus Edelstahl und Kunststoff, bevor ein Konkurs die Werkstore für immer schloss. cer