Öfter zur Hauptuntersuchung?
Durch Softwareuploads können Autos ihre Eigenschaften über Nacht verändern. Die Dekra fordert deshalb eine „anlassbezogene Fahrzeuguntersuchung“.
Vernetzung und Automatisierung sind die Schlüsselworte für die Entwicklung der Automobiltechnologie in den kommenden Jahren. „Für die Verkehrssicherheit der Zukunft wird es entscheidend sein, dass solche Funktionen im Fahrzeug dauerhaft verlässlich funktionieren. Um das sicherzustellen, müssen sie von Überwachungsorganisationen sinnvoll geprüft werden können“, so Dekra-Vorstandschef Stefan Kölbl. Er fordert einen gesetzlich geregelten Zugriff auf sicherheits- und umweltrelevante Fahrzeugdaten.
Eingeschränkte Datenhoheit
Kölbl vertritt zwar die Ansicht, dass Daten aus dem Auto zunächst einmal dem Fahrzeughalter bzw. -nutzer gehören. Er solle grundsätzlich selbst entscheiden können, welchem Akteur er Zugriff auf welche Daten einräumen möchte. Eine Ausnahme würden allerdings hoheitliche Aufgaben wie beispielsweise die Hauptuntersuchung bilden. „Hier kann der Zugriff auf die für die Prüfung relevanten Daten nicht an die Zustimmung des Fahrzeughalters geknüpft sein, sondern es muss klare gesetzliche Vorgaben geben.“
Updates verändern Fahrzeuge
Die Forderung nach Datenzugriff betrifft dabei nur den vergleichsweise kleinen Teil der Fahrzeugdaten, die für die Fahrzeugüberwachung im Rahmen der Hauptuntersuchung von Bedeutung sind. Dabei geht es auch um Softwareversionen. „Durch Updates ‚over the air‘ kann ein Fahrzeug heute ein grundlegend anderes sein als gestern“, so der Dekra-Chef. „Deshalb wird es mittelfristig auch nicht mehr genügen, den Zustand eines Fahrzeugs alle zwei Jahre bei der HU zu prüfen. Nötig wird dann eine anlassbezogene Fahrzeuguntersuchung.“
Ziel ist ungefilterter Zugang
Um jederzeit die sicherheits- und umweltrelevanten Systeme auf Defekte, Fehlfunktionen oder Manipulationen prüfen zu können und damit ihrer hoheitlichen Aufgabe gerecht zu werden, brauchen Überwachungsorganisationen aus Sicht von Dekra den direkten, ungefilterten und diskriminierungsfreien Zugriff auf die für die Prüfung relevanten Fahrzeugdaten.
„Trust Center“ soll für Sicherheit sorgen
Ermöglicht werden soll das durch ein Datentreuhändermodell mit einem sogenannten „Trust Center“, das als vertrauenswürdige und unabhängige Instanz im staatlichen Auftrag handelt. Es schafft für Behörden, Prüfinstitutionen und weitere berechtigte Stellen einen sicheren, gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Zugriff auf relevante Daten automatisierter und vernetzter Fahrzeuge. „Dabei geht es uns bei weitem nicht um die umfassende Speicherung des kompletten Datenaustauschs mit dem Fahrzeug, sondern um die sicherheits- und umweltrelevanten Daten, die im Zuge der Typzulassung des Fahrzeugs als solche markiert worden sind“, erklärt Kölbl.
Es muss aus seiner Sicht sichergestellt sein, dass die Daten, die bei der Fahrzeugprüfung genutzt werden, unverfälscht und vollständig sind. „Die Lieferung der Daten über einen Server des Fahrzeugherstellers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Es kann nicht sein, dass der Hersteller die komplette Datenhoheit hat.“
„Rollender Computer“ birgt Gefahren
Das Bild vom Auto der Zukunft als „rollendem Computer“ birgt für Kölbl die Gefahr der Verharmlosung. Von Fahrzeugen gehe einfach eine andere Betriebsgefahr aus: „Wenn ein Computer abstürzt, wird er in der Regel neu gestartet, und dann ist meistens wieder alles in Ordnung. Wenn dieser Computer aber mehr als eine Tonne wiegt und 50 Kilometer pro Stunde fährt, dann kann ein solcher Absturz ganz andere Folgen haben.“
„Technik muss sicher sein“
Es sei zwar richtig, dass Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Funktionen großes Potenzial haben, Unfälle zu vermeiden oder abzumildern, so Kölbl. „Dieses Potenzial können sie aber nur ausspielen, wenn sie über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs zuverlässig funktionieren.“ Das sei insofern umso wichtiger, als beim hoch automatisierten Fahren der Mensch als Rückfallebene wegfalle. „Auch wenn viele Unfälle durch menschliche Fehler verursacht werden: Der Mensch kann durch seine Reaktion auf Verkehrsereignisse auch kritische Situationen vermeiden. Wenn der Mensch zukünftig im System keine Rolle mehr spielen soll, muss die Technik umso sicherer sein.“