VERKEHR 22. Jun 2017 Ralph H. Ahrens Lesezeit: ca. 3 Minuten

Synthetische Kraftstoffe als Retter für Verbrenner

Nichtfossile Kraftstoffe in Verbrennungsmotoren können eine Alternative zu Brennstoffzelle und Batterie sein.

Verbrennungsmotoren könnten durch synthetische Kraftstoffe einen zweiten Frühling erleben. Das jedenfalls ist die Überzeugung von Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie.
Foto: Jörg Müller/ Visum

Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), ist der Überzeugung: „Der Verbrennungsmotor kann einen zweiten Frühling erleben.“ Dann, wenn synthetische Kraftstoffe in die Autotanks gefüllt werden, die weniger Ruß und Stickstoffoxide (NOx) produzieren. Der VDA hofft gar auf erdölunabhängige E-Fuels. „Damit lässt sich eine CO2-neutrale Mobilität mit Verbrennern sicherstellen“, ergänzt Wissmann.

Im Mittelpunkt dieser Wünsche stehen farblose, brennbare Flüssigkeiten: Oxymethylenether (OME). Diese Substanzen bestehen aus einer linearen Kette aus sich abwechselnden Kohlenstoff- und Sauerstoffatomen. Die Kettenlänge variiert: Die kürzeste Variante – das leichtflüchtige OME1 – bildet sich aus zwei Molekülen Methanol und einem Molekül Formaldehyd. Als Dieselzusatz und -ersatz eignen sich die längeren OME3, OME4 und OME5. Diese werden aus jeweils zwei Molekülen Methanol und zusätzlich drei bis fünf Molekülen Formaldehyd gebildet (OME3-5). Die hintergestellte Ziffer bezeichnet die Anzahl der eingebauten Aldehyde.

OME-Kraftstoffe haben Vorteile gegenüber Diesel: „Werden diese Substanzen verbrannt, entstehen wenig Partikel“, erläutert Robert Schlögl vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Das liegt an deren hohem Sauerstoffgehalt. Beim Verbrennen bilden sich überwiegend CO2 und Wasser. Ruß entsteht hingegen vor allem dann, wenn sauerstofffreie Kohlenwasserstoffe wie jene in Benzin und Diesel bei Sauerstoffmangel verbrennen.

OME3-5 lassen sich dem Diesel problemlos zumischen. Sollen diese Substanzen den Diesel vollständig ersetzen, müssen etwa die Einspritzdüsen der Motoren neu eingestellt werden. „Dieser synthetische Kraftstoff erfordert daher wenig oder keine Änderungen beim Endnutzer und er ist weltweit mit der bestehenden Infrastruktur kompatibel“, so Schlögl.

OME3-5 haben damit einen Vorteil gegenüber einer Elektromobilität, die auf Brennstoffzelle oder Batterien setzt. Und nur mithilfe synthetischer Kraftstoffe wie OME3-5 sei langfristig eine sauberere Mobilität bei Nutzfahrzeugen, Schiffen oder Flugzeugen möglich. Auch die Bundesregierung ist an solchen synthetischen Kraftstoffen wie OME interessiert. So fördert das Bundesbildungs- und -forschungsministerium deren Entwicklung von 2015 bis 2018 mit rund 100 Mio. €.

Großtechnisch werden OME3-5 bislang nur in China hergestellt. Dort wird ein energieaufwendiges Verfahren genutzt, in dem OME3-5 aus Methanol und Formaldehyd über mehrere Verfahrensstufen und Zwischenprodukte hergestellt werden. Für 1 kg OME3-5 wird rund 10 MJ (2,7 kWh) Energie benötigt. Dies Verfahren haben Forscher der BASF und der TU Kaiserslautern entwickelt.

„Inzwischen können wir dies effizienter“, sagt Jakob Burger vom Thermodynamiklehrstuhl der TU Kaiserslautern und Geschäftsführer der OME Technologies. Ingenieure aus Kaiserslautern erzielten 2016 den Durchbruch. Sie stellten OME3-5 aus Methanol und Formaldehyd ohne Zwischenprodukte her. Dazu braucht es einen Reaktor, eine Reaktivdestillation sowie eine Trocknungseinheit, um die Reaktionsprodukte zu reinigen.

„Im Endeffekt wird für die Herstellung von 1 kg OME3-5 mit rund 7 MJ deutlich weniger Energie benötigt als in den bisher gebauten Verfahren“, so Burger. Dies Verfahren sei nur im Labor verifiziert, definiert aber den Stand der Technik neu, so Verfahrensingenieur Burger. Bis 2020 möchte er im Verbund mit Industriepartnern OME3-5 in einer Demonstrationsanlage kontinuierlich herstellen.

OME3-5 hat auch Nachteile: Deren Energiegehalt ist mit 21 MJ/kg deutlich niedriger als der von Diesel mit 45,5 MJ/kg. Dies wird zum Teil dadurch aufgefangen, dass OME3-5 mit 1,07 kg/m³ eine um 23 % höhere Dichte aufweist als Diesel mit 0,83 kg/m³. Aufgrund der höheren Dichte ließen zwar mehr kg OME3-5 in einen Tank einfüllen, die Reichweite würde dennoch um den Faktor 1,7 sinken.

Dennoch ist Burger zuversichtlich, denn dieser Kraftstoff sei bezahlbar. Nach dem neuen Verfahren koste es derzeit rund 500 € bis 600 €, 1 t OME herzustellen. Für 600 kg Diesel, das etwa die gleiche Energiemenge hat, braucht es gut 300 €. Und die Herstellungskosten werden sinken – dies aber nur begrenzt. Denn zurzeit entfallen etwa 400 € auf den Einkaufspreis für Methanol und dessen Preisentwicklung ist nicht vorhersehbar. Das neue Verfahren entspricht aber keinem CO2-neutralen Kraftstoff. Dazu muss die nötige Energie aus erneuerbaren Quellen stammen und die Ausgangssubstanz Methanol aus Biomasse oder Synthesegas, also Kohlenmonoxid und Wasserstoff, gewonnen werden.

Auch an anderen Herstellungswegen wird geforscht. So versuchen Fachleute an der RWTH Aachen, OME1 in einem Schritt aus Synthesegas, also aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, herzustellen. Das gelingt im Labor bereits mit einem speziellen Ruthenium-Katalysator – allerdings erst in geringen Mengen. Bis dieser Dieselersatz also auch klimaneutral in großen Mengen hergestellt werden kann, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

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