Ausstellung 21. Feb 2014 Dagmar Hess Lesezeit: ca. 3 Minuten

Von der Kutsche zum Cabriolet

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete das Ende des traditionsreichen Gläser-Unternehmens in der Ära Heuer. Der Betrieb wurde verstaatlicht. 1949 begann die Wiederaufnahme der serienmäßigen Karossiereproduktion als „VEB Karosseriewerke Dresden“. Hier ein Wartburg 313-1 Sport, Baujahr 1959.
Foto: Sven Heering /VMD

Vor allem die – automobilen – Cabriolets aus der Blütezeit des Unternehmens vor dem Zweiten Weltkrieg lassen die Herzen von Liebhabern höher schlagen. „Formschöne, geschwungene, wulstige, aber doch zur Wagenform passende Kotflügel, ein mit edlen Hölzern und Leder ausgestattetes Interieur, und ein sehr großzügiges Platzangebot machen den Gläser-Stil aus“, fasst Kurator Benjamin Otto zusammen, worin der besondere Charakter der ursprünglich in unmittelbarer Nähe der Frauenkirche gefertigten Karosserien lag. Auch die stimmigen zweifarbigen „Sattellackierungen“ tragen zum nostalgischen Charme der Luxus-Aufbauten bei.

Luxus auf 4 Rädern
– Luxus auf 4 Rädern, 150 Jahre Gläser Karosserien Dresden. Bis 6.4., Verkehrsmuseum Dresden, Augustusstraße 1, Di-So 10 Uhr bis 18 Uhr.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Giesel hat Otto die Firmengeschichte in fünf Kapitel unterteilt, die durch „Schicksalsjahre“ des Unternehmens voneinander abgegrenzt sind: den Beginn des Kutschen- und Schlittenbaus durch den Sattlermeister Carl Heinrich Gläser 1864, den Bau einer ersten Automobilkarosserie als Einzelstück – ein Limousinenaufbau auf einem Daimler-Chassis – zwischen 1902 und 1903 und die anschließende Etablierung im Automobil-Karosseriebau, erste Cabriolets aus Dresden ab 1925, die Erfolgsjahre des Gläser-Cabriolets ab 1933 und die zweigeteilte Unternehmensgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ein eher für Kurzstrecken gedachtes, komplett restauriertes Coupé von 1888 und ein um 1890 gebauter, auch für Überlandfahrten geeigneter Landauer stehen stellvertretend für die ersten vierzig Jahre nach der Unternehmensgründung. Ganze 125 Kutschen und sieben Schlitten lieferte der „königliche Hofwagenbauer“ Carl Heinrich Gläser allein für das Königliche Oberstallamt bzw. den Königlichen Hof in Dresden.

Für den Unternehmensgründer Gläser waren Automobile vor allem „Stinkekisten“. Als er sich 1903 aus der Firma zurückzog, machte er den Weg frei für seinen Mitinhaber, den Radeberger Schmiedemeister und Wagenbauer Emil Heuer und damit auch für den Bau von Automobilkarosserien. Ein Gläser-Tourenwagen, dessen Karosserie zwischen 1914 und 1918 für den späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg auf einen Benz 27/70 gebaut wurde, lässt diese Epoche der Firmengeschichte in der Sonderausstellung lebendig werden. Auch der aufgrund gut gefüllter Auftragsbücher notwendige Umzug der „Luxuskarosserien- und Luxuswagenfabrik Heinrich Gläser“ in einen weniger zentral gelegenen Stadtteil 1913 fällt in diese Zeit.

Nach dem Ersten Weltkrieg – Gläser hatte Pferdewagen, Lederartikel und Flugzeugteile gefertigt – übernahmen Heuers Söhne die Firmenleitung. 1922 lief eine erste Kleinserienproduktion „abnehmbarer Limousinen“ an die 1923 im Auftrag der Audi-Werke AG und der Dixi Automobilwerke AG gefertigten Stromlinienkarosserien nach Plänen von Paul Jaray blieben aber erfolglose Sonderkonstruktionen.

Im Jahr 1925 nahm Georg Heuer die Produktion von Cabriolets als Weiterentwicklung der mit einem simplen, auch „amerikanisch“ genannten, nach hinten abklappbaren Verdeck versehenen Phaeton-Aufbauten auf. Die neuen Nitro-Zellulose-Lacke trockneten binnen weniger Tage, während dieser Arbeitsschritt bei Kutschenlacken mehrere Wochen gedauert hatte. Die Fertigung größerer Serien wurde möglich.

Nachdem Gläser mit einer Lösung für Cabriolets mit besonders langem Radstand überzeugt hatte, erteilte General Motors den Dresdner Karossiers 1926 einen Großauftrag zur Serienfertigung von „Pullman-Cabriolets“ für seine Tochterfirmen Buick, Cadillac und Chevrolet. Auch die Wanderer- und die Steyr-Werke, Maybach, Horch, Audi und Ford ließen bei Gläser Einzelstücke und Serien für ihre gut betuchte Kundschaft fertigen. 1927 konnten die Karosseriebauer dank einer patentierten Fenster-Verdeck-Konstruktion auch die Bruchgefahr für das hintere Fenster abwenden, auf dem zuvor das weggeklappte Verdeck lag. Ein 1926 gebauter Pilot 6/30 mit Phaetonaufbau steht in der Dresdner Sonderausstellung für diesen Teil der Unternehmensgeschichte, der mit der Stornierung des Großauftrags von GM im Zuge der Weltwirtschaftskrise und dem Suizid des Firmenlenkers 1932 zu Ende ging.

Nach der Insolvenz brach für die „Gläserkarosserie GmbH“ unter Erich Heuer und Willy Bochmann – Sohn bzw. Schwiegersohn Georg Heuers – eine Hochzeit an, die dem Namen Gläser noch heute Klang verleiht. Zeugen dieses unternehmerischen und technischen Erfolgs sind im Verkehrsmuseum ein Audi UW Cabriolet mit aufpreispflichtigen Speichenrädern und zweitem Ersatzrad aus der dritten und letzten Fertigungsserie von 1934, ein 1937 gebautes Zwei-Fenster-Gläser-Sport-Cabriolet Steyr Typ 220, je ein Zwei-Fenster-Gläser-Sport-Cabriolet Ford Typ Eifel und Opel Typ Kapitän (beide 1939). Zum ersten Mal nach seiner Restaurierung öffentlich ausgestellt ist auch ein wieder wie im Originalzustand mintgrün lackiertes Zwei-Fenster-Gläser-Cabriolet Horch 8 Typ 400, das von Horch für den Pariser Automobil-Salon 1930 bestellt worden war.

Mit der Teilung Deutschlands gabelt sich auch die Geschichte der Firma Gläser. Erich Heuer versuchte einen Neuanfang in Ullersricht bei Weiden in der Oberpfalz. Doch obwohl seine neue Firma einen Auftrag zur Endfertigung von Cabriolet-Karosserien für den Porsche Typ 356 erhielt, musste er 1952 Konkurs anmelden. Die „Gläserkarosserie GmbH“ in Dresden und Radeberg wurde 1948 enteignet und baute später als „VEB Karosseriewerke Dresden“ (KWD) den „automobilen Luxus der DDR“ – so der Ausstellungskatalog. Wie dieser sozialistische Luxus aussah, zeigen in der Dresdner Sonderschau ein IFA F 8 Luxus-Cabriolet, wie es in der ersten Hälfte der 50er-Jahre gebaut wurde, ein P 70 Coupé aus dem Jahr 1958, ein Wartburg 313-1 Sport (1959) und ein Sachsenring P 240 Cabriolet (1956). In diesem repräsentativen, für die Nationale Volksarmee gefertigten Paradewagen zeigte sich beispielsweise Willi Stoph auf der Maiparade 1956. Das VEB Karosseriewerk Dresden (KWD) wurde 1994 privatisiert und 2008 in die Firmenholding KWD Automotive AG & Co. KG integriert. Es arbeitet als Karosseriewerke Dresden GmbH (KWD) in Radeberg als Zulieferer für die Automobilindustrie. DAGMAR HESS

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