Von der Leistungsspritze zur Effizienztechnik
Das Prinzip der Benzindirekteinspritzung ist nicht neu. Im Zuge des erhöhten Entwicklungsdrucks durch immer schärfere CO2-Vorgaben rücken nun Effizienzaspekte in den Fokus. Daimler setzt bei Vierzylindern auch auf Magerbrennverfahren mit Schichtladung, wie Mercedes-Entwickler Anton Waltner auf dem Motorenkongress in Baden-Baden erklärte.
Die Idee an sich ist so alt wie das Fußballwunder von Bern: 60 Jahre ist es nun her, dass der weltweit erste Serien-Pkw mit einem Viertaktmotor und Benzindirekteinspritzung vorgestellt wurde. 1954 sorgte der Mercedes-Benz 300 SL bei seinem Debüt auf der International Motor Sports Show in New York für Furore. Der motortechnische Clou am legendären „Flügeltürer“: Eine mechanisch geregelte Sechsstempel-Einspritzpumpe injizierte den Kraftstoff direkt in die Brennräume, was in erster Linie der Leistungssteigerung diente. Der 3,0-l-Sechszylindermotor wurde so auf für damalige Verhältnisse beachtliche 158 kW getrimmt.
Heute sind es eher Kraftstoffverbrauch und Emissionen, die Entwickler bei ihren Arbeiten mit der Benzindirekteinspritzung im Fokus haben: Ingenieure wie Anton Waltner von Daimler etwa, der beim kürzlich zu Ende gegangenen Motorenkongress in Baden-Baden tiefe Einblicke in die Entwicklungspraxis der Schwaben gab. Die in Serie befindlichen Ottomotoren mit Direkteinspritzung, erläuterte Waltner, arbeiten bis auf wenige Ausnahmen mit einem homogenen Gemisch. D. h.: In allen Bereichen des Brennraums findet sich dieselbe Zusammensetzung aus Luft und Kraftstoff. Das bietet den Vorteil, dass die Verbrennung leicht zu beherrschen und – bei einem üblichen stöchiometrischen Gemisch mit l = 1 – ein einfacher Dreiwegekatalysator zur Abgasnachbehandlung reicht.
Allerdings eröffnet die Direkteinspritzung eine weitere Möglichkeit zur Kraftstoffeinsparung, die unter Fachleuten als Magerbrennverfahren mit Schichtladung bekannt ist. Dabei wird nur um die Zündkerze herum punktuell ein zündfähiges Gemisch erzeugt nach außen hin nimmt die Kraftstoffkonzentration immer weiter ab. Bei der Verbrennung entflammt der Funken der Zündkerze den Gemischkern, wodurch dann auch das magere Gemisch in den Außenbereichen verbrannt wird.
Vereinfacht kann man sich den Aufbau dieser Gemischwolke wie den einer Zwiebel mit ihren Schalen vorstellen. Die hohe Effizienz der geschichteten Magerverbrennung wird
durch zwei wesentliche Effekte erzielt: Entdrosselung und Verbesserung des Verbrennungswirkungsgrads durch das global sehr magere und damit verbrauchsgünstige Gemisch.
Bei homogener Mischung im Brennraum wäre es „nicht ohne Weiteres zündfähig“, betonte Waltner.
Während das Magerbrennverfahren mit Ladungsschichtung im Grundsatz schon seit Jahrzehnten bekannt ist, taten sich die Entwickler bei der Serienumsetzung lange schwer. Immerhin muss zum Zeitpunkt der Zündung in jedem Betriebszustand des Motors ein zündfähiges Gemisch an der Zündkerze erzeugt werden. Daher behalfen sich die Ingenieure zunächst mit dem sogenannten wandgeführten Schichtladeverfahren. Dabei wird der Kraftstoff zunächst an den Kolbenboden gespritzt. Dort prallt er, vergleichbar mit der Kugel beim Billardspiel, ab und bildet dabei die Gemischwolke. Langfristig durchsetzen konnten sich diese Konzepte aber nicht. Zu groß waren die Wirkungsgradverluste, die sich beispielsweise durch die Benetzung der Kolbenwand mit Kraftstoff einstellten.
Bei Mercedes-Benz, berichtete Waltner, wurde ab 1994 an Piezoinjektoren geforscht, um ein sogenanntes strahlgeführtes Schichtbrennverfahren für den Serieneinsatz zu entwickeln. Dabei wird der Kraftstoff direkt vor die Zündkerze gespritzt, wo sich die geschichtete Gemischwolke bildet – ohne Berührung der Zylinder- oder Kolbenwände. Damit das System funktioniert, mussten die Stuttgarter unter anderem Injektoren mit einem stabilen Strahlbild entwickeln und die Position von Zündkerze und Injektor im Brennraum exakt aufeinander anpassen. Als weltweit erster Hersteller hat Mercedes-Benz im Jahr 2006 im neuen Sechszylinder-Ottomotor mit der internen Bezeichnung M272DE ein strahlgeführtes Magerbrennverfahren in Serie eingesetzt, das Einspritzsystem stammte von Bosch.
In der Folgezeit wurde das Verfahren weiter verfeinert. Eine neue Einspritztechnik ermöglicht Mehrfacheinspritzungen auch in kleinsten Mengen. Dadurch konnten die Mercedes-Ingenieure das effiziente Magerbrennverfahren über einen größeren Kennfeldbereich ausdehnen. Das Kennfeldfenster für die Magerverbrennung ist begrenzt – bei hohen Drehzahlen reicht die Zeit zwischen Einspritzung und Zündung oft nicht aus, um eine Gemischwolke zu bilden. Die Verbrennung muss dann in den Homogenmodus geschaltet werden. Zudem erschlossen die Entwickler weitere Betriebsarten, beispielsweise „Homogen-Schicht“(HOS). Das ist eine Kombination aus Homogen-Mager- und klassischem Schichtbrennverfahren. Dabei wird bei entdrosseltem Motor (Drosselklappe offen) die erste Einspritzung in den Ansaughub gespritzt, worauf sich ein homogenes Basisgemisch ausbildet. Die eigentliche Schichteinspritzung erfolgt in die Kompression vor der Zündung kennfeldabhängig.
„Um jederzeit eine sichere Zündung auch des mageren Gemischs zu garantieren, wird die Direkteinspritzung bei Mercedes-Benz nun durch eine Mehrfachzündung ergänzt“, erläuterte Waltner. Ihre Funktion: Nach dem ersten Funkendurchbruch wird nach einer kurzen Brenndauer die jeweils direkt über der Zündkerze angeordnete Spule sehr schnell nachgeladen und ein weiterer Funke abgesetzt. Damit können innerhalb einer ms bis zu vier Funken ausgelöst werden, die ein Plasma mit einer größeren räumlichen Ausdehnung als eine herkömmliche Zündung erzeugen. 2010 wurde das Brennverfahren, von Mercedes-Benz als „BlueDIRECT“ bezeichnet, für die neue V6-Motorengeneration mit der internen Bezeichnung M276 eingeführt. Ein weiterer Markstein war 2012 die in Kombination mit einer Turboaufladung im Vierzylindermotor M274. Die magere Schichtverbrennung beim Ottomotor mit Aufladung verspreche hohe Effizienz und gleichzeitig eine sehr partikelarme Verbrennung, so Waltner. Allerdings seien Piezoinjektoren aufwendiger als einfache Injektoren.
Das größte Problem sei aber, dass aufgrund des Magerbrennverfahrens ein relativ teurer Katalysator zur NOx-Reduktion eingesetzt werden müsse. Vielleicht ist das der Grund, warum Mercedes-Benz aktuell als einziges Unternehmen die strahlgeführte Magerverbrennung in Serie anbietet. Aufgrund der Verbrauchsvorteile und damit einhergehend geringeren CO2-Emissionen werden künftig höchstwahrscheinlich aber weitere Automobilhersteller auf diesen Innovationszug aufspringen – anders als 1954, wo die Direkteinspritzung des 300 SL zunächst keine Nachahmer fand.