Xiaomi SU7 Ultra 06. Nov 2024 Von Peter Kellerhoff Lesezeit: ca. 3 Minuten

Xiaomis vermeintliche Rekordfahrt auf dem Nürburgring

„Das schnellste viertürige Fahrzeug der Welt auf der Nordschleife“ – so beschreibt Xiaomi die Fahrt des SU7 Ultra durch die grüne Hölle. Wir relativieren das.

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Xiaomi prahlt mit einer vermeintlichen Rekordfahrt seines SU7 Ultra auf dem Nürburgring. Bei genauerem Hinsehen bleibt zwar eine beeindruckende Leistung, beileibe aber keine neue Bestmarke.
Foto: picture alliance / REUTERS /Tingshu

Die Schlagzeilen der vergangenen Woche beeindruckten: Der neue Xiaomi SU7 Ultra absolvierte eine Rekordrunde auf der 20,832 km langen Nordschleife des Nürburgrings: 6 min und 46,874 s brauchte er dafür und das machte ihn laut Xiaomi – besser als Smartphone-Hersteller bekannt – „zum schnellsten viertürigen Serienfahrzeug der Welt“. So lautet zumindest die Pressemitteilung aus China.

Kein Serienauto auf dem Nürburgring am Start, sondern ein Prototyp

Aber erstens ist es kein Serienfahrzeug gewesen, sondern ein optimierter Prototyp, zweitens ist es eigentlich egal, ob zwei oder vier Türen, andere Prototypen bzw. Vorserienfahrzeuge waren im Nürburgring-Ranking sogar deutlich schneller unterwegs gewesen als der SU7 Ultra, etwa der VW ID.R mit 6 min und 5,336 s. Im offiziellen Nürburgring-Ranking steht der SU7 Ultra bei den Prototypen somit nur auf Platz vier. Hinter ihm auf Platz fünf steht mit einer Rundenzeit von 7 min und 20 s übrigens der ebenfalls chinesische und ebenfalls viertürige Lynk & Co 03 Cyan Concept.

Dazu muss man allerdings anmerken, dass dieser mit nur 388 kW an den Start ging und nicht die 1140 kW des SU7 Ultra an Bord hatte. Und die Nummer eins dieses Rankings, der Porsche 919 Hybrid Evo, der die Strecke in 5 min und 19 s umrundete, hatte auch nur 853 kW zur Verfügung. Immerhin muss man dem SU7 zugutehalten, dass es sich bei ihm um einen seriennahen Prototypen handelt und um kein reinrassiges Rennfahrzeug wie den Porsche oder den VW.

Den sehr optimierten Prototypenstatus kann man im offiziellen Rekordfahrtvideo des SU7 Ultra auf Youtube erkennen.

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Dort sieht man, dass der gesamte Armaturenträger samt Instrumenten gegen ein kleines Display eingetauscht wurde, bis auf den Fahrersitz alle Sitzelemente entfernt wurden und die Türverkleidungen und Teppiche fehlen. Gewichtsoptimierung halt. Für die „Rekordfahrt“. Nicht zu sehen sind natürlich weitere Gewichtsverbesserungen wie der erwartbare Ausbau von Komfortaggregaten wie der Klimaanlage und der Heizung, Ambient-Light, Massagesitzen, Soundsystem & Co. Mit einem Serienmodell, wie in der Pressemeldung subtil suggeriert, hat das alles also nicht unbedingt viel zu tun. Nur – wie gesagt – eigentlich ist es egal, ob ein Fahrzeug mit zwei oder vier Türen die Nordschleife umrundet, ebenso gut hätten sie vermelden können „schnellster GELBER Prototyp der Welt auf der Nordschleife“, denn die vor dem SU7 Ultra Platzierten waren alle anders lackiert.

Marketing von Xiaomi war sehr gut

Aber das Marketing von Xiaomi darf durchaus als gelungen bezeichnet werden: „Schnellstes viertüriges Serienfahrzeug der Welt auf dem Nürburgring“ klingt halt danach, als hätten die anvisierten Wettbewerber wie Porsche Taycan Turbo S und Tesla Model S Plaid nichts mehr zu melden. Aber hier vergleicht Xiaomi eben einen Prototyp mit einem Serienmodell.

Dabei hätte Xiaomi das kaum nötig, die nackten Zahlen sprechen eigentlich auch so für den Newcomer aus dem Smartphone-Bereich, der erst im April dieses Jahres sein erstes E-Fahrzeug vorstellte. Der im Frühjahr 2025 verfügbare SU7 Ultra soll mit denselben technischen Spezifikationen ausgeliefert werden wie der Prototyp, das heißt: 1140 kW, die die drei Elektromotoren liefern und eine Beschleunigung von knapp unter 2 s von 0 auf 100 km/h bieten sollen. Zudem soll die Höchstgeschwindigkeit bei 350 km/h liegen und die Reichweite um die 800 km betragen. Werte also, die Porsche Taycan und Tesla Model S Plaid das Fürchten lehren dürften.

Seriennaher Xiaomi SU7 dürfte nicht ganz so performant sein

Die Werte werden sich im harten Alltagseinsatz natürlich noch bewähren müssen und sich relativieren. Denn wenn im Serientrimm alle Aggregate und Anbauteile an Bord sind, dürfte sich der SU7 Ultra beispielsweise den Beschleunigungswerten des Porsche Taycan (2,7 sec) etwas annähern. Im Alltagseinsatz sind jedoch auch andere Werte wichtig, etwa die Zuverlässigkeit. Und da hatte Xiaomi anfangs eine Szene, die viral ging: Als Herr Wen in China Anfang Mai dieses Jahres einen der ersten SU7 in Empfang nahm, stand er bereits 39 km später mit Warnblinker am Straßenrand und wartete auf den Abschleppdienst – der Wagen weigerte sich, weiterzufahren.

Aber das mögen Kinderkrankheiten gewesen sein, die normal bei einem Serienanlauf sind, vor allem beim ersten E-Fahrzeug eines Herstellers, den alle eigentlich nur als Smartphone-Hersteller kennen. Und vielleicht hätte sich Xiaomi marketingmäßig weniger auf die Schlagzeile des schnellsten viertürigen Fahrzeugs auf der Nordschleife konzentrieren sollen, sondern vielmehr den schnellsten seriennahen E-Prototypen in der Eifel an den Start gebracht zu haben. Dann wären die Zeiten des SU7 Ultra auf dem Nürburgring besser einzuordnen und zu vergleichen gewesen gegenüber den anvisierten Konkurrenten wie dem Porsche Taycan (7:07 min) oder dem Tesla Model S (7:35 min). 6 min und 46,874 s sind da nämlich durchaus eine Ansage für das allererste Auto eines Smartphone-Herstellers.

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