Technikgeschichte geschrieben: 50 000-Tonnen-Brücke verschoben
Vom 12.01. bis heute wurde eines der bisher größten dreispurigen Stücke einer Autobahnbrücke quer verschoben. Der Verschub der A6 am Neckartalübergang wurde im Internet live übertragen. Auch die Sendung mit der Maus war vor Ort.
„Auf der Baustelle zum Ersatzneubau des Neckartalübergangs bei Heilbronn wird heute Technikgeschichte geschrieben“, schreibt die Autobahn GmbH in ihrer Ankündigung. Es handle sich von 12. bis 14. Januar um einen der größten Querverschübe weltweit! Sogar die „Sendung mit der Maus“ war mit einem Team auf der Baustelle. Mit 2,5 cm/min wird die Nordtrasse um insgesamt 21,74 m verschoben. Zum Vergleich – „Der Eiffelturm wiegt circa 10 000 t, wir verschieben hier rund 50 000 t, also fünf Eiffeltürme“, sagte Christine Baur-Fewson, Niederlassungsdirektorin Südwest bei der Autobahn GmbH des Bundes. „Der Querverschub ist eine technische Meisterleistung, eine großartige Ingenieurleistung“, konstatierte auch Michael Theurer (FDP), parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Digitales und Verkehr. Der Verschub hat am 12. abends begonnen. Im Internet ließ sich die Aktion über eine Baustellenkamera mit Zeitraffer verfolgen.
14.01.@18:00 – Virtuelle Akademie
Der Verschub ist beendet, das Projekt geht weiter. Der Ausbau der A6 wird auch von akademischer Seite besonders begleitet. Es gibt eine eigene „Virtuelle Akademie A6“ initiiert durch mehreren Professoren von Hochschulen und Universitäten des Landes Baden-Württemberg. Die Projektgesellschaft ViA6West und ihre Nachunternehmern geben den Hochschulen und ihren Studierenden und Lehrenden dabei Einblicke in die tägliche Arbeit des Ingenieurs bei der Errichtung einer bedeutenden Infrastruktur. Der Startschuss für diese Zusammenarbeit fand bereits am 14.02.2017 in Sinsheim statt. Mitglieder dieser virtuellen Akademie sind Professoren der Hochschulen Biberach, Karlsruhe, Baden-Württemberg Mosbach und Konstanz, sowie des Karlsruher Instituts für Technologie und der Hochschule für Technik sowie der Universität Stuttgart. Gemeinsam haben die Akademie-Partner Praktikanteneinsätze und wissenschaftliche Abschlussarbeiten koordiniert und Fachveranstaltungen organisiert.
14.01.@14:00 – Fast fertig! Und Umweltschutz
Gegen 14:00 scheint die Brücke in ihrer letzten Position sehr nahe zu sein. Mit dem Querverschub ist die letzte Phase des A6-Ausbaus angelaufen. „Noch etwa ein Halbes jahr und dann soll Ende des Sommers die Bauphase abgeschlossen sein, und die ausgebaute Autobahn freigegeben werden“, sagte Baur-Fewson. Im Umfeld solcher technischen Meisterleistungen geschähen auch viele Dinge, die weniger im Fokus der Öffentlichkeit Stünden, so die Niederlassungsdirektorin. „So wurden etwa 350000 m2 Ausgleichs-, Ersatz-, und Gestaltungsmaßnahmen realisiert, um die Eingriffe, die der Ausbau verursacht wieder auszugleichen. Das Neckarvorland wurde abgesenkt, Seitengewässer wurden hergerichtet, Ufer wurden abgeflacht, Buchten wurden erstellt. Es wurde Gebüsche und Rörichtpflanzungen hergestellt, um Biotope zu schaffen, etwa als Bruthabitate für Vögel. Es wurde Wald aufgeforstet und Flächen Entsiegelt, neue Lebensräume geschaffen für Haselmaus und Co. und für Eidechsen. Ein ganzes Maßnahmenpaket an der A6.“ Zu diesen Ausgleichsmaßnahmen ist die Autobahn GmbH gesetzlich verpflichtet. Bei der Maßnahme A6 habe man aber ebenso die eigenen, strategischen Ziele – Verfügbarkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit – gut bedienen können, sagte Baur-Fewson.
14.01.@10:00 – Letzte Etappe beginnt
Gestern sind die Arbeiten am Querverschub des Neckartalübergangs ein gutes Stück vorangekommen. Als die Sonne heute Morgen über der Baustelle aufgeht, wird sichtbar, dass noch ein gutes Stück Weg vor der Brücke liegt. Der letzte Stützpfeiler ist noch nicht erreicht. Über die Nacht hat das Projektteam die Bauarbeiten pausiert. Der Verkehr auf der Südtrasse der A6 rollt hingegen rund um die Uhr. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, und eine 824 m lange Brücke wird nicht an einem Tag um 21,74 m verschoben.
13.01.@18:00 – Mut zur Transparenz
Eine Besonderheit des Projekts: Der Ausbau der A6 wird als öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) umgesetzt. Im Januar 2017 übergab die Bundesrepublik Deutschland den Auftrag zum Ausbau an die Projektgesellschaft ViA6West. Diese sollte einerseits die Baumaßnahmen abwickeln, andererseits auch für 30 Jahre die Finanzierung, Planung, Erhaltung und den Betrieb der 47,2 km langen Vertragsstrecke (inklusive Neckartalübergang) übernehmen. Eigentümerin der Autobahn ist über die gesamte Zeit die Bundesrepublik, es ist also keine Privatisierung. Es werden lediglich Bau und Betrieb extern vergeben.
„Der Auftragnehmer erhält den Betrieb für eine Laufzeit von 30 Jahren aber nur, wenn die Strecke rechtzeitig zur Verfügung steht und den Anforderungen entspricht“, sagte Alexander Hofmann, Geschäftsführer bei Hochtief PPP Transport Westeuropa. Die Finanzierung koste die privaten Partnerfirmen zusätzlich Geld, aber sie hätten in diesem Konstrukt ein großes Interesse daran die Vertragsleistungen einzuhalten. Die Autobahn GmbH Niederlassung Südwest überwacht nun die vertraglich vereinbarten Leistungen. Die Bauarbeiten werden von einer Arbeitsgemeinschaft aus Hochtief Infrastructure und der Johann Bunte Bauunternehmung ausgeführt.
„Diese Maßnahme, die als ÖPP abgewickelt wird, ist ein Meilenstein in den Infrastrukturinvestitionen in Deutschland“, sagte Staatssekretär Theurer (FDP). Sie zeige, dass in Deutschland solche Maßnahmen zeit- und kostengerecht realisiert werden könnten. „Gerade die Brücken sind die großen Baustellen in der Bundesrepublik.“ Für die Bauunternehmen hingegen bedeutet das ungewohnte Format des Livestreams eines so großen Brückenverschubes eine besondere Herausforderung: „Wir betrachten den Bauvorgang hier quasi am offenen Herzen“, erklärte Hofmann. Da mitzumachen, erfordere von den Bauunternehmen Mut zur Transparenz. „Hätten wir diesen Mut nicht, würden wir den Verschub jetzt nicht gleich zeigen wollen“, sagte der Manager. Auch Simon Dony, Geschäftsführer der ViA6West, erklärte: „Transparenz macht uns das Leben leichter.“
13.01.@16:00 – Umbau im laufenden Betrieb
Wegen der großen infrastrukturellen Bedeutung der A6 und der hohen Verkehrsbelastung auf der Strecke musste der Verkehr während Ausbaus mit sechs Fahrstreifen aufrechterhalten werden. Deshalb wurde der nördliche Brückenüberbau zunächst in provisorischer Seitenlage neben dem alten Neckartalübergang hergestellt. Erst nachdem der Verkehr darauf umgelegt worden war, konnte der alte Neckartalübergang zurückgebaut werden. Nun muss der nördliche Brückenüberbau in seine Endposition verschoben werden.
13.01.@14:00 – Mehr Autobahn für weniger Kommunalverkehr
Die Neckarlinie der Autobahn A6 wurde in den 1960er-Jahren auf der grünen Wiese gebaut. Damals sehnte die Bevölkerung den schnellen Verkehrsweg noch herbei, weil die Autobahn mit wirtschaftlichem Aufschwung verbunden war. Geplant wurde die A6 für maximal 60 000 Fahrzeuge täglich und wenige Lkw, die zur Zeit des Baus auch noch leichter waren als die Lkw heute. Mittlerweile sind es bis zu 100 000 Fahrzeuge pro Tag, davon etwa 30 % Schwerlastverkehr.
Durch diese Entwicklung gab es zunehmend Stau auf der A6. Fahrzeuge wichen auf Landstraßen durch die anliegenden Orte aus. „Verkehr wird auf kommunale Straßen verdrängt, wenn die Autobahn zu eng ist“, sagte Elke Zimmer (B90/Grüne), seit 2021 Staatssekretärin im Baden-Württembergischen Verkehrsministerium. „Der Ausbau wird den Verkehr auf der Autobahn halten.“ Als Maßnahme zur Verkehrsentlastung startete 2017 der Ausbau zur sechsspurigen A6. „Rund 1,3 Mrd. € werden hier verbaut, die Bauzeit beträgt voraussichtlich fünfeinhalb Jahre“, sagte Baur-Fewson.
13.01.@12:00 – Fakten des Querverschubs
Der gesamte Neckartalübergang ist in zwei Brücken aufgeteilt und mit 1,3 km der längste Autobahnübergang in Baden-Württemberg. Aktuell wird nur eine, die 824 m lange Vorlandbrücke, verschoben, die zweite soll im Februar folgen. Rund 140 Mitarbeiter sind vor Ort. Für jede Verschubachse sind Teams von fünf Personen im Einsatz. Sie kontrollieren die 25 m langen und 15,3 mm starken Stahlseile. Jede der Verschubachsen verfügt über zwei hydraulische Litzenheber mit je zwölf Seilen, als Antrieb der Verschubbewegung. Die Brücke gleitet auf PTFE-Platten, also auf reibungsarmen Teflon-Platten, die von den Mitarbeitenden immer gut geschmiert werden müssen. „Das Allerwichtigste ist die Arbeitssicherheit“, sagt Oberpolier Udo Töben. „Die Leute müssen auf die Platten achten, wenn der Schlitten darauf fährt, und aufpassen, dass sie mit den Fingern nicht an den Schlitten kommen, das ist das Wichtigste.“
Neun Vermesser vor Ort kontrollieren den Verlauf der Verschiebung und würden bei Senkungen sofort eine Warnung geben. Pro Stunde werden 1,5 m verschoben. Bei durchgängigem Verschieben würden die 21,74 m fast 14,5 Stunden dauern. Zum Test wurde die Brücke schon gestern Abend erfolgreich um einige Meter verschoben. „Was wir hier machen, ist ein Unikat, das wird es nie wieder geben“, sagt der gelernte Zimmermannmeister Töben.
13.01.@10:30 – Das Projekt in Kürze
Der Ersatzneubau des Neckartalübergangs ist wiederum das größte Teilprojekt des A6-Ausbaus. Der neue Brückenzug besteht aus zwei Überbauten je Fahrtrichtung: aus der Vorlandbrücke aus Spannbeton mit einer Länge von 824 m sowie der Neckarbrücke aus Stahl mit einer Länge von 513 m.
Der nördliche Teil des Neckartalübergangs wurde Anfang 2019 in provisorischer Seitenlage, also neben der ursprünglichen Autobahnbrücke, fertiggestellt und anschließend für den Verkehr freigegeben. Es folgten der Rückbau der alten Brücke und die Herstellung des südlichen Überbaus. Nun soll die nördliche Vorlandbrücke in ihre Endlage verschoben werden. Im Februar 2022 folgt der Verschub der nördlichen Neckarbrücke, bevor dann im Spätsommer die Freigabe der Gesamtstrecke gefeiert werden kann.
Mit dem Querverschub nähert sich nach fast fünf Jahren Bauzeit der sechsstreifige Ausbau der A6 zwischen Wiesloch/Rauenberg und Weinsberg seinem Abschluss. Dabei wurde die wichtige Ost-West-Verbindung an die stark gewachsenen Anforderungen angepasst. „Das in öffentlich-privater Partnerschaft umgesetzte Straßenbauprojekt ist das derzeit größte im Bundesland“, schreibt vermeldet die Autobahn GmbH.
Die Überwachung der vertraglich vereinbarten Leistungen wird von einem siebenköpfigen Team der Außenstelle Heilbronn wahrgenommen, die Ausführung liegt bei der privaten Projektgesellschaft ViA6West.