KERNKRAFT 05. Apr 2018 Katharina Otzen Lesezeit: ca. 3 Minuten

Bauen wie die Weltmeister

Die Volksrepublik China ist derzeit auf dem besten Weg zum Branchenprimus – auch technologisch.

Seinen ersten Reaktortyp der dritten Generation baut China derzeit am Kraftwerksstandort Fuqing in der Südostprovinz Fujian. Arbeiter installierten im Januar den Reaktordruckbehälter des Hualong One im Block 5 der Anlage. Dieser Reaktortyp ist auch für den Neubau eines Kernkraftwerks am englischen Standort Bradwell vorgesehen.
Foto: dpa Picture-Alliance/Lin Shanchuan

China – die neue Nummer eins in der Kerntechnik: Das gilt nicht nur für die Zahl der Kernkraftwerke (KKW) im eigenen Land, sondern auch für die Exporterfolge und sogar den Stand der Technik. Selbst bei der Sicherheit und Verlässlichkeit schickt sich China an, die bisherigen Technologieführer Japan, Frankreich und die USA auszustechen – ganz zu schweigen von Russland.

Keine Regierung in Beijing hatte je Bedenken gegen ausländisches Know-how oder Kapital bei der Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele zum Aufbau der Flotte von KKW. Nach ersten Anfängen mit russischen Typen ging die Volksrepublik schnell dazu über, die Toptechnik aus westlichen Ländern – Japan, Frankreich und den USA – zu nutzen.

Bei der weltweit installierten Kernenergiekapazität liegen diese drei Staaten bisher noch vor China: die USA mit einem Anteil von 25,4 % (fast 100 GW), Frankreich mit 16,1 % (63 GW) und Japan mit 10,2 % – die Volksrepublik selbst bringt es bisher mit installierten 33,7 GW auf 8,6 %. Schon bis 2020 soll die installierte Kernenergiekapazität in China auf 58 GW wachsen.

Während andere Länder ihre Programme zum Ausbau der Kernenergie nach dem Desaster im japanischen Kernkraftwerk Fukushima von 2011 teils ganz gestoppt oder wenigstens verlangsamt haben, drückt Beijing auf Tempo.

Statt den Rotstift anzusetzen, erhöht China die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E). 2017 stiegen die entsprechenden Ausgaben für die Energiewirtschaft um 14 % auf 1,76 Billionen Yuan oder umgerechnet auf rund 160 Mrd. €.

Mit neuen KKW wie den Druckwasserreaktoren der dritten Generation, vor allem dem European Pressurized Reactor (EPR) der französischen Areva, hat zwar auch China einige – importierte – Probleme. Aber sie sind nichts gegen die Schwierigkeiten in Frankreich mit Flamanville III, ein EPR, an dem seit 2007 gebaut wird. Der kostet nun statt der ursprünglich veranschlagten 3,3 Mrd. € mit 10,5 Mrd. € mehr als dreimal so viel und soll erst dieses Jahr in Betrieb gehen. In China kam Areva 2006 gegen die Konkurrenz der zur japanischen Toshiba-Gruppe gehörenden Westinghouse und der russischen Atomstroyexport zuerst nicht zum Zuge. 2007 gelang es doch, vier EPR-Aufträge in China zu sichern – mithilfe des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Aber zum einen baute Areva die EPR-Anlagen in China nicht allein; wichtige Teile kamen von Mitsubishi Heavy Industries in Japan und den chinesischen Zulieferern Dongfang Electric und Shanghai Electric. Zum anderen hinkte Areva selbst in China dem Zeitplan hinterher – zum großen Ärger des Auftraggebers, der China Guangdong Nuclear Power Company, und der französischen Regierung. Dass die ersten beiden EPR Taishan I und Taishan II in Betrieb gehen, gilt weitgehend als ein Verdienst der Chinesen.

Areva selbst wurde durch Frankreichs Regierung Ende 2017 quasi beerdigt, das Nukleargeschäft dem weitgehend staatlichen Stromkonzern EdF aufgehalst und der Rest Orano genannt. US-Konkurrent Westinghouse, der mit dem AP 1000 auch einen Reaktor der dritten Generation entwickelt, hat inzwischen mit Chapter 11, dem Konkurs nach US-Recht, den Mutterkonzern Toshiba tiefer in die Krise gestürzt.

Die Chinesen bauen und entwickeln Kernkraftwerke der dritten Generation im Eiltempo weiter, darunter den CAP 1400 und Hualong One, als ACP 1000 ein komplettes Eigengewächs. Chinas NEA (National Energy Administration) hat Anfang März den Plan veröffentlicht, im laufenden Jahr fünf neue Reaktoren ans Netz zu nehmen und mit dem Bau von weiteren sechs bis acht neuen Kernkraftwerksblöcken zu beginnen.

Die beiden großen staatlichen chinesischen Kernkraftwerksunternehmen sind die China National Nuclear Corporation (CNNC), der größte Betreiber von Kernkraftwerken im Land, und die China General Nuclear Power Group (CGN), die KKW herstellt und betreibt. Beide drängen immer mehr in den Export und bauen schon Kernkraftwerke in Argentinien, Brasilien und Pakistan.

Selbst in Europa kommt die chinesische Kernkrafttechnik zum Zuge. In Großbritannien halten die Chinesen als Juniorpartner 33 % an Hinkley Point C und 20 % an Sizewell C, beides EPR-Projekte. Die Hauptanteile hält von Électricité de France (EDF), das seit 2008 aktiv als Energieversorger auf der Insel agiert, An Bradwell B will CGN als Mehrheitsinvestor die eigene Hualong-One-Technologie einsetzen.

Als international noch verbliebener nennenswerter Wettbewerber spielt bisher Südkorea eine Rolle. Sowohl Kepco (Korea Electric Power) wie KHNP (Korea Hydro and Nuclear Power) bieten 3G-Reaktoren an. Kepco baut vier Kernkraftwerke in den Vereinigten Arabischen Emiraten und hat zudem die Rolle des sogenannten „bevorzugten Bieters“ für Moorside, das neue britische Kernkraftwerk in Cambria. Doch scheint sich Südkorea selbst aus dem Rennen zu werfen: Der 2017 gewählte Präsident Moon Jae-in will den Ausstieg aus der Kernenergie, die bisher gut ein Drittel des Energiebedarfs in Südkorea deckt.

China dagegen entwickelt sich – durch die Unterstützung der Regierung in Beijing – zum globalen Führungszentrum für die Entwicklung neuer Generationen von KKW. Sogar Terrapower, die von Bill Gates ins Leben gerufene Entwicklungsgesellschaft für das Design nuklearer Reaktoren, arbeitet seit Oktober 2017 in China mit CNNC im Joint Venture Global Innovation Nuclear Energy Technology zusammen. Das Unternehmen soll den Laufwellenreaktor von Terrapower marktreif entwickeln, der mit abgereichertem Uran arbeitet.

Terrapower ist in Sachen chinesisch-US-amerikanischer Kooperation beileibe nicht alleine: Die Oakridge Laboratories aus den USA arbeiten inzwischen mit dem Shanghai Institute of Applied Physics (angewandte Physik) zusammen, um ein weiteres Reaktorprinzip endlich zu realisieren: den Flüssigsalzreaktor.

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