Brücke ruft um Hilfe
Die Narrowband-IoT-Technik wird gerade deutschlandweit ausgerollt. Mobilfunker testen verschiedene Einsatzszenarien.
Winterzeit ist Streusalzzeit. Auf Dauer kann das Chlorid allerdings dem Bewehrungsstahl von Betonbauten wie Brücken oder Tiefgaragen zusetzen. Um deren Zustand besser zu überprüfen, verbaut das Unternehmen BS2 Sicherheitssysteme RFID-Sensoren direkt in den Bauten, knapp über dem Stahl. Bislang mussten Mitarbeiter die Daten vor Ort mit einem Gerät auslesen und über WLAN in eine Datenbank übertragen.
In der Brücke verbaute Sensoren erfassen kritische Zustandsdaten wie Temperatur, Feuchte und Korrosion.
Die Module werden direkt über dem Bewehrungsstahl angebracht und sind damit unweit der Fahrbahn-Oberfläche. Mehrere Sensoren bilden ein Frühwarnsystem für die Konstruktion.
Signale werden über die schmalbandige und energiesparende Mobilfunktechnik NB-IoT ausgelesen.
Auf dem Testgelände der Bundesanstalt für Straßenwesen am Autobahnkreuz Köln-Ost auf der A3 werden diese Informationen nun über Narrowband IoT (NB-IoT) direkt in eine Cloud übermittelt, wo Ingenieure sie auswerten. Dazu wird eine Box mit einer SIM-Karte und einer Technik, welche die Daten ausliest, an der Unterseite der Brücke installiert.
Der Standard NB-IoT wird in Deutschland von der Deutschen Telekom und Vodafone unterstützt. Dabei handelt es sich um eine Variante des Mobilfunkstandards LTE. „NB-IoT wurde speziell für Industrieanwendungen konzipiert. Er ermöglicht nur die Übertragung von Daten, aber nicht von Sprache oder von SMS“, erklärt Arne Aßmann, Head of Strategy & Business Development beim Kölner IoT-Carrier 1NCE.
Die Technik kann weite Distanzen überbrücken und auch in schwer zugängliche Orte wie Straßenbetondecken funken. Der Grund: „Wenn ein NB-IoT-Modul im sogenannten Coverage Extension Modus sendet, wiederholt das Modul die Datenübermittlung mehrere Male, bis auch die letzten Datenfragmente restlos übertragen wurden“, erläutert Aßmann das Prinzip.
Auch der Energieverbrauch ist sehr niedrig. „Bei NB-IoT werden nur geringe Datenraten von bis zu 250 kbit/s unterstützt“, so Aßmann. Das Funkmodul sei so optimiert, dass es nur die für solche Art von Datenübertragungen notwendigen Systemelemente benötige. Kleine Lithium-Batterien könnten ausreichen, um die Objekte über einen langen Zeitraum von bis zu zehn Jahren mit Strom zu versorgen.
Aßmann, der in den vergangenen fünf Jahren als Analyst und Berater im M2M- und IoT-Bereich tätig war, schätzt an der Technologie, dass sie IoT-Anwendungen ermöglicht, die bislang aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht realisierbar waren. Denn die Module seien im Vergleich zu klassischen LTE-Modulen sehr günstig. Experten rechnen damit, dass der Preis bereits in wenigen Jahren unter 5 € liegen wird.
Aktuell baut die Telekom das NB-IoT-Netz in neun europäischen Ländern und den USA aus. In Deutschland soll der Ausbau 2019 abgeschlossen sein; in den Niederlanden, Österreich und den USA ist er es bereits. Er erfolgt durch ein Softwareupdate. „Beim Rollout arbeiten wir eng mit Partnerunternehmen zusammen, die ihre Produkte auf diesem Netz erweitern möchten“, erklärt Johannes Kaumanns, Vice President IoT Strategie- und Geschäftsentwicklung bei der Telekom. Dazu zählt auch BS2 Sicherheitssysteme, das auf Monitoring von Bauwerken spezialisiert ist. Mit den jeweiligen Partnern wird dann deren Prototyp im Netz getestet und optimiert.
Auch die Konkurrenz ist aktiv. Die Unternehmen Panasonic und Vodafone testen in Frankfurt den Einsatz smarter Klimaanlagen, die über das Vodafone-Netz gesteuert und gewartet werden. Huawei startete mit Telefónica Deutschland und dem IoT-Anbieter Q-loud ein Smart-Metering-Pilotprojekt am Münchener Flughafen. Dabei soll ein intelligentes Kamerasystem die Zählerstände der analogen Stromzähler auf dem 1575 ha großen Areal erfassen und über das Telefónica-Netz übermitteln. Da sich die Technologien primär an Geschäftskunden wenden, wird auch der Ausbau bei Industrieunternehmen forciert. Kürzlich wurde der erste internationale Roaming-Test in Europa mit NB-IoT abgeschlossen. Der Test wurde mit globalen SIM-Karten der Deutschen Telekom auf dem Netz von Vodafone Spanien und mit globalen Vodafone-SIM-Karten auf dem Netz von T-Mobile Austria und kommerziellen NB-IoT-Modulen durchgeführt. „Damit bewiesen wir, dass NB-IoT-Geräte, die mit einer SIM-Karte eines deutschen Providers ausgestattet sind, technisch gesehen z. B. auch in Spanien genutzt werden können“, erklärt Telekom-Manager Kaumanns.
Der Standard wurde von der GSMA entwickelt, einem Zusammenschluss, dem weltweit 750 Mobilfunkanbieter und 350 Herstellerfirmen angehören. Er ist weltweit verfügbar und nutzt dedizierte Frequenzbänder, das heißt, es wird auf festen Bändern gefunkt, die nur für diesen Zweck reserviert sind.
Das ist auch bei Cat-M der Fall, auch LTE-M (Long Term Evolution for Machines) oder eMTC genannt. LTE-M ist ebenfalls eine Erweiterung des aktuellen LTE-Standards und soll nach dem NB-IoT-Ausbau forciert werden. Die Technologie ermöglicht andere Anwendungsfälle.
NB-IoT adressiert primär stehende Objekte. „Bei NB-IoT senden die Module mit einer Latenz (Zeitverzögerung, Anm. d. Red.) von bis zu 10 s“, erklärt Aßmann. Sobald sich ein Objekt in einem größeren Raum bewegt, kann es sein, dass das Gerät den Funkturm wechseln muss. Dabei muss das Signal reibungslos zwischen zwei Funkzellen übergeben werden. NB-IoT unterstützt diesen sogenannten Seamless Cell-Handover nicht und muss seine Verbindung zum Funkturm wieder neu aufbauen.
LTE-M hingegen hat eine geringere Latenz als NB-IoT und kann auch höhere Datenraten übertragen. Die Funkmodule seien allerdings deutlich komplexer und damit teurer. Die beiden Technologien würden sich aber gut ergänzen, da sie jeweils die Anforderungen verschiedenster IoT-Anwendungsfälle erfüllen.
Es gibt bereits erste Einsatzfälle für LTE-M. „In einem Projekt arbeiten wir mit einem Unternehmen zusammen, das Sensoren in Schuhsohlen verbaut. Wenn eine ältere Person nicht mehr aufstehen kann, löst ein Aneinanderschlagen der Füße einen Alarm aus. Bei dementen Patienten übermitteln die Sensoren den Angehörigen den Standort der Person“, berichtet Kaumanns.