Der Fluss als urbaner Lebensraum
Die Internationale Bauausstellung in der Region Stuttgart (IBA27) rückt das Leben am Fluss in den Fokus. Wieso versteckte Flüsse als innerstädtische Lebensadern eine Renaissance erleben.
Der Sommer wird heiß. 2022 drohten bereits Hitzerekorde, sogar die 40-°C-Marke war in Deutschland dieses Jahr schon vorhergesagt. Vor allem in Städten mit viel Beton und wenig Grün laufen Menschen Gefahr, wegen der Hitze zu kollabieren. Grüne Dächer und bepflanzte Fassaden können Linderung verschaffen. Doch Städteplaner und Klimaaktivisten sehen noch eine andere Option. Wo es möglich ist, heißt sie: zurück zum Fluss!
Es geht darum, die Flüsse wieder ins gesellschaftliche Leben zurückzuholen. Denn an vielen Orten sind die Läufe begradigt, ihre Betten in Betonkanälen versteckt und lange als Lebensader vergessen worden. Stattdessen siedeln wie am Neckar seit Beginn der Industrialisierung Fabriken an den Ufern. Doch das ändert sich gerade. Die Internationale Bauausstellung in der Region Stuttgart (IBA27) etwa rückt das Leben am Fluss in den Fokus. So entsteht in Backnang ein komplett neues „Quartier West“ entlang des Flusses. Außerdem suchen Planer und Architekten auf einer innerstädtischen Strecke von rund 10 km buchstäblich Wege zum Fluss. Am Neckar sollen Kleinode mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen.
Die Kühlfunktion, die fließendes Gewässer ganz natürlich mit sich bringt, käme den hitzegeplagten Großstädtern zugute. Über dem Fluss verdunstet Wasser, er versorgt Pflanzen an seinem Ufer mit Feuchtigkeit, die selbst auch Wasser verdunsten und dabei kühlen. Zudem ist ein Fluss auch eine Schneise, die es dem Wind erlaubt, kühle Luft vom Umland ins Stadtzentrum zu tragen.
Die meisten großen Flüsse weltweit sind begradigt
Allerdings ist der Weg zur Rückeroberung der Ufer noch weit. In Stuttgart, Deutschland und weltweit. Denn rund um den Globus sind nur rund 37 % der 242 größten Flüsse halbwegs unverbaut. Die Entwicklung dahin begann schon im vorigen Jahrhundert: Mit der verstärkten Nutzung als Verkehrsweg wurde nicht nur der Neckar begradigt. Verkehrswegeplaner ließen natürliche Flussschlingen an deren Hälsen durchstoßen, was den Flussverlauf verkürzte. Weil Industrienationen schon damals Energiefresser waren, gewann die Wasserkraft an Bedeutung. Die begradigten, kürzeren Flussläufe wiesen ein größeres zur Stromerzeugung nutzbares Gefälle auf.
Allein in Deutschland finden sich aktuell mehr als 7300 Wasserkraftwerke. Die „Staustufen“ zwischen Stuttgart und Mannheim zeugen davon. Gebaut hat einige von ihnen der Architekt Paul Bonatz, dessen Hauptwerk der zum Teil abgerissene Stuttgarter Bahnhof ist, der derzeit als Stuttgart 21 Baugeschichte schreibt.
Eigentlich zum Hochwasserschutz am Fluss gedacht: Begradigung und Dämme
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