Gehört BIM die Zukunft am Bau?
Roland Zelles, Vice President EMEA beim Softwareriesen Autodesk, sieht in BIM die Zukunft der Bauindustrie. Dieter Diener, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, differenziert beim Planungswerkzeug.
Pro:
Roland Zelles, Vice President EMEA Autodesk: Building Information Modeling (BIM) ist ein wesentlicher Teil der Digitalisierung der Bauindustrie, denn – richtig angewendet – hat es das Potenzial, die gesamte Erstellung eines Bauwerkes zu revolutionieren. Und es wird in Zukunft verstärkt dazu beitragen, die in der Bauindustrie margendünnen Wertschöpfungsketten nachhaltig zu verändern und die Zusammenarbeit der Gewerke zu verbessern.
Dabei muss man BIM als viel mehr begreifen als reinen Datenaustausch. BIM ist ein Prozess, der mit der Erstellung eines in sich konsistenten, intelligenten Gebäudemodells beginnt und Vorteile für die Planung, Simulation, Visualisierung von Bauprojekten sowie für Verwaltung und Wartung bringt.
Erfolge auf der ganzen Welt belegen die Vorteile. Ein gutes Beispiel ist Großbritannien, eines der führenden Länder in der Anwendung von BIM.
Zwischen 2009 und 2015 konnten dank konsequenter Umsetzung aller staatlichen Projekte mit BIM fast 900 Mio. £ Steuergelder eingespart werden. BIM funktioniert.
Aber auch hier sind wir so weit, dass die Praxis unwiderlegbar den Nutzen von BIM zeigt. Die Deutsche Bahn oder das Felix-Platter-Spital in der Schweiz zum Beispiel fordern für große Projekte BIM und haben eigene Strategien dafür.
Aber auch kleine Büros haben die Vorteile schon erkannt. Beispielsweise ist das händische Einpflegen von Änderungen sehr aufwendig und vor allem auch fehleranfällig, mit BIM umgeht man diese Fehlerquelle – unabhängig von der Größe des Büros.
Es gibt aber natürlich noch Firmen, die es sich leisten (können), BIM komplett zu ignorieren. Man kann das gut mit der CAD-Einführung vergleichen: Am Anfang lief sie zäh, es gab viele Zweifler. Dann ging es schnell und die Prozesse änderten sich: CAD wurde ein Werkzeug, das nicht mehr wegzudenken ist. Bei BIM kann man dieses Phänomen auch sehen. Wettbewerbsvorteile und Effizienzsteigerung werden dazu führen, dass sich die BIM-Methodik etablieren wird.
Wer für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sein möchte, muss sich also früher oder später mit BIM auseinandersetzen.
Als nächsten Schritt in der Digitalisierung der Bauindustrie sehe ich die vollständig integrierte, interoperable 5-D-BIM Lösung. Gemeinsam mit unserem Partner RIB Software AG arbeiten wir daran, schon heute die Zukunft des Baus Realität werden zu lassen.
5-D-BIM verbindet neben 3-D-Konstruktionsmodellierung und -visualisierung in Echtzeit einen zeitlichen Ablaufplan (4-D) und kostenbezogene Projektinformationen (5-D). Gesamte Projektteams erhalten so alle relevanten Informationen von nur einer einzigen Quelle.
Kontra:
Dieter Diener, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg: Der heilige Gral der Bauwirtschaft ist Building Information Modeling (BIM) sicherlich nicht. Denn es wird nicht alle Probleme der Branche lösen können. Bei kleineren Projekten – und das ist die Mehrzahl, die wir haben, wie Ein- oder Zweifamilienhäuser – wird, das glaube ich, BIM in den nächsten acht Jahren garantiert nicht eingesetzt wird.
Anders als bei komplexen Projekten hat man hier einen überschaubaren Kreis von Beteiligten und nicht die Menge an Versorgungsleitungen. Der Planungsaufwand und die notwendige Schulung der Mitarbeiter scheinen mir da eine Hürde zu sein.
Eine Revolution ist BIM sicherlich nicht. Wenn man es am Bauvolumen misst – und ich lasse die Serienfertigung mal außen vor –, dann bin ich überzeugt, dass wir unter 5 % liegen. Und ich erwarte auch in den nächsten zehn Jahren nicht etwa 30 % BIM-Projekte, sondern eher 8 %.
Es gibt natürlich einen Digitalisierungsprozess, an dessen Ende für viele sicher auch BIM stehen wird. Ich sehe es aber eher als langsamen, evolutionären Prozess denn als Revolution.
Für einen Großteil der Bauindustrie wird zunächst die Digitalisierung von Teilbereichen – wie Ausschreibungsunterlagen, Stundenerfassung, Erfassung von Material an Baustellen oder Maschinenbewirtschaftung – eine größere Rolle spielen als BIM. Bauteile werden mit Chips versehen, um Temperaturen und Alterungsprozesse zu erfassen. Das werden Elemente sein, die zunehmend verwendet werden.
BIM ist ein Planungsinstrument, das die Prozesse unter den am Bau Beteiligten erleichtert und für eine andere Kultur am Bau sorgen wird. Viele Bauunternehmen werden aber nicht selbst BIM machen, sondern in einen BIM-Prozess eingegliedert. Dabei werden sie elektronisch aufgearbeitete Daten verwenden. Die Ausführenden werden so Teil eines BIM-Projekts, ohne dieses aber von der Planung an mitzusteuern.
Wie bei allen neuen Entwicklungen wird derzeit nach außen kommuniziert, dass es ohne BIM nicht gehe. Das ist natürlich nicht so, auch wenn es Vorteile bei größeren Projekten hat. In der Autoindustrie macht man auch einen Hype, um ein neues Produkt am Markt zu platzieren. Irgendwann kommt man aber auf den Boden der Tatsachen. Man sieht die Vorteile, aber erkennt, dass nicht jedes Bauwerk mit der BIM-Methode geplant werden muss. Von den rund 75 000 Baubetrieben in Deutschland haben 90 % maximal 20 Beschäftigte und für die wird BIM in den nächsten Jahren keine Rolle spielen.
Ich hoffe aber, dass wir bei BIM künftig differenzieren, dass es das kooperative Arbeiten in unserer Branche fördert und dass wir endlich von der baubegleitenden Planung wegkommen.