Hochbau 17. Apr 2015 Ariane Rüdiger Lesezeit: ca. 3 Minuten

Häuser-Puzzle: So soll die Baubranche automatisiert werden

Hausmodule könnten den Bau beschleunigen. Das Modell einer vorgefertigten Deckenkonstruktion mit Stahl-Leichtbaurahmen zeigt, wie solche Module aufgebaut sein könnten.
Foto: Ariane Rüdiger

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit fordert jährlich 250 000 neue Wohnungen. Tatsächlich gebaut werden deutlich weniger. Vor allem Großstädte leiden darunter: „Die Mieten in Berlin sind im vergangenen Jahr um 9 %, in Wolfsburg sogar um 19 % gestiegen“, sagt Anke Brummer-Köhler, Leiterin der Abteilung Wohnen, Stadtentwicklung und öffentliches Baurecht.

Bei der Lösung dieses Dilemmas könnte modularisierter Hausbau helfen, wo mitunter ganze Räume industriell vorgefertigt werden, ist der emeritierte Wirtschaftswissenschaftler Horst Wildemann überzeugt. Derzeit leitet er das aus der TU München hervorgegangene Beratungsunternehmen für Produktionslogistik TCW. „Wer effizienter bauen will, muss von der Industrie lernen“, erklärte Wildemann auf dem Kolloquium „Modularisierung im Hausbau“, das vor Kurzem in München stattfand.

Dieser Auffassung ist auch Manfred Grundke, Geschäftsführer des fränkischen Gipsverarbeitungsunternehmens Knauf, das Produkte für den Trockenbau herstellt und auf Modulbauweise setzt. Grundke: „Beim modularen Bauen werden teils ganze Räume vordefiniert, industriell in der Fabrik vorfabriziert, als Ganzes an die Baustelle gebracht und im Trockenbau montiert.“ Im Fertigbau würden bisher erst einzelne Wände angeliefert.

Der Modultransport erfordere eine ausgefeilte Logistik mit stundengenauer Anlieferung. Vielfältige, individuell gestaltete Gebäude seien trotzdem möglich. Knauf hat dafür einen Onlinekonfigurator entwickelt. Grundke: „Jeder Kunde kann sein Haus aus vordefinierten Elementen individuell zusammenstellen.“ Mit vergleichbaren Konfiguratoren bauen sich Autokäufer schon länger individuelle Fahrzeuge im Internet zusammen.

Die Module haben je nach Anbieter einen Stahlleichtbau- oder auch Holzrahmen, in den die übrigen Elemente wie Decken, Wandsegmente mit Fenstern, Dämmung etc. verankert werden. Schallschutz, Dämmwirkung, Energieeffizienz und Behaglichkeit sind sogar besser als bei konventionellen Altbauten. Alle Umweltrichtlinien werden eingehalten oder sogar übertroffen. Mit Containerwohnungen hat dieses System nur die Modularität gemeinsam.

Auch größere mehrstöckige Gebäude lassen sich je nach den Parametern des gewählten Systems ohne Weiteres umsetzen. „Roboter können heute sogar in Backstein gemauerte Module realisieren“, sagt Thomas Bock. Er lehrt an der TU München Baurealisierung und Baurobotik.

Karsten Ulrich Tichelmann, Professor an der TU Darmstadt, experimentiert ebenfalls seit Längerem mit modularen Bautechnologien. In München dämpfte er die Euphorie aber: Anders als beim Auto gebe es kein Standardhaus, schon allein weil jedes Grundstück anders sei. Häufig könnten daher nur kleine Losgrößen von Modulen realisiert werden. Zudem sei es wünschenswert, kontext-, regional- und umweltbezogen zu bauen, auch wenn das der Standardisierung und Kosteneinsparung Grenzen setze.

Viele der theoretischen Vorteile des modularen Bauens reiben sich an den bestehenden baurechtlichen Regularien: „Das Plug-and-Play-Haus mit eingezogenem Kabelbaum ist schon deshalb nicht möglich, weil Elektrokabel bei uns von einem Elektromeister abgenommen und nach ganz bestimmten Regeln verlegt werden müssen“, weiß Tichelmann.

Nicht nur die Bauprozesse, sondern das gesamte Geschäftsmodell von Bauunternehmen ändere sich durch die industrialisierte Fertigungsweise, betont Isabell M. Welpe, die sich an der TU München u. a. mit Organisationstrends beschäftigt. So würden Bauunternehmen in Zukunft mehr nachgelagerte Services wie Pflege, Wartung oder Putzdienste übernehmen – in Japan und den USA sei dies bereits üblich. Russland und China sehen in der Automatisierung beim Hausbau einen besonders wichtigen Zukunftsmarkt. In Japan und der Schweiz experimentieren Architekturbüros und Bauträger schon länger mit der Technologie.

Befürworter des industrialisierten, modularen Bauens sprechen von Einsparungen von zwei Dritteln bei Kosten und der Hälfte bei der Bauzeit im Vergleich zur klassischen Bauweise. Gleichzeitig steige die Flexibilität und die Zahl der Qualitätsmängel verringere sich. Der Grund dafür sei, dass die Fertigungsprozesse in die Fabrik verlagert und dort weitgehend automatisiert, reproduzierbar und mit strikter Qualitätskontrolle gestaltet würden. Besonders geeignet sei das modulare Bauen deshalb dort, wo Wohnraum schnell und bezahlbar geschaffen werden müsse.

Schnell gehe es, aber eine Preisersparnis von bis zu 70 % bezweifeln die Schweizer Akteure. „Wir verwenden durchweg hochwertige Materialien wie Holz, da sind solche Einsparungen nicht darstellbar“, schränkt Stefan Graf ein. Er ist Partner beim Architektur- und Planungsbüro Bauart, das bereits für mehrere Schweizer Städte Schulen und Kindergärten baute. Sie lassen sich, wenn sie am bestehenden Ort nicht mehr benötigt werden, abbauen und andernorts wieder errichten. „Einsparungen entstehen, weil man ein Gebäude mehrfach nutzen kann.“

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