KI soll bröckelndes Ulmer Münster retten
Im Ulmer Münster mit dem höchsten Kirchturm der Welt bröckelt und schimmelt es. Dieses Schicksal teilt die Kirche mit vielen anderen historischen Gebäuden. Eine KI soll nun helfen, das Bauwerk zu retten.
Das Ulmer Münster leidet unter seinem Alter und dem Klimawandel. Bröckelnder Putz, Schimmel und Risse sind einige der Probleme, die an dem 650 Jahre alten Kirchenbauwerk nagen. Wir Menschen können dem Arzt sagen, worunter wir leiden, Gebäude ertragen stumm ihren Schmerz. Das soll sich nun ändern. Sogenannte Datenlogger sollen das Münster nun quasi zum Sprechen bringen. Diese Geräte sind groß wie ein Brillenetui und erfassen Umweltparameter wie Temperatur oder Feuchte. Die Daten lassen sich mit einem Computer auslesen, und eine KI soll dabei helfen, diese richtig zu interpretieren.
Ulmer Münster kämpft mit vielen Problemen
Es ist wie beim Menschen, mit zunehmendem Alter häufen sich die großen und kleinen Zipperlein. „Wenn ich 650 Jahre alt wäre, sähe ich auch nicht mehr so gut aus“, sagt Dekan Torsten Krannich. Das Ulmer Münster kämpft jedoch nicht nur mit den typischen Alterserscheinungen, auch klimatische Veränderungen mit sehr langen Trockenphasen, Starkregen und Sturm sind ein großes Thema. Insbesondere der 161,53 m hohe Kirchturm leidet. So wird das Gestein in den Höhen im Sommer 80 °C bis 90 °C heiß, sagt Krannich. Während der heiße Sommer früher ein bis zwei Wochen andauerte, sind es heute zwei bis drei Monate. „Das ist brutal“, erläutert der Dekan.
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Die große Hitze im Sommer, gepaart mit anderen Wettereinflüssen lässt den Putz bröckeln. „Das könnte ziemlich gefährlich werden, wenn Sie plötzlich 500 g Putz aus 42 m Höhe auf den Kopf bekommen“, mahnt Krannich. Damit so etwas nicht passiert, ist derzeit ein Teil des Innenraums gesperrt. Laut Münsterbaumeisterin Heidi Vormann liegt der Putz über einen ganzen Bogen hohl. Irgendwann wird der Putz runterkommen. Krannich beruhigt aber: „Man muss keine Angst haben, dass man im Münster erschlagen wird.“
Zusätzliches Schimmelproblem
Nicht nur der bröckelnde Putz bereitet Probleme: Altar, Schmuckbänke im Chor und Gemälde kämpfen laut Vormann mit Schimmel. Feuchtigkeit wird hierbei nicht nur durch Regen oder Luftfeuchtigkeit ins Gebäude getragen, auch die große Zahl der Besucherinnen und Besucher spielt eine große Rolle. Wie groß diese ist, muss jedoch noch genauer betrachtet werden.
„Wir wollen die Besucher nicht beschränken“, betont Vormann. „Trotzdem kann es darauf hinauslaufen.“ Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, als den Besuchern den Zugang zum Gotteshaus zu verwehren. So laufen vor anderen historischen Gebäuden Besucher zum Beispiel durch ein Gebläse, bevor sie ins Innere gehen. Auf diese Weise werden sie getrocknet und tragen weniger Feuchtigkeit ein.
Agieren statt reagieren
Die bisherige Methode des Schadensmanagements am Münster beschränkte sich auf die Reaktion auf bereits aufgetretene Probleme. Dies soll sich durch ein neues Projekt ändern, das den Einsatz von Datenloggern vorsieht. Diese Geräte, von denen etwa 50 an verschiedenen Stellen des Doms installiert werden, sollen helfen, potenzielle Probleme zu erkennen und zu beheben, bevor sie auftreten. Die Datenlogger, die sich derzeit in der Testphase befinden, messen alle 15 min relevante Umweltdaten wie Feuchtigkeit, Licht und Temperatur. Betreut wird die Initiative von Thomas Löther, Projektleiter am Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt.
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Obwohl der Einsatz von Datenloggern nicht ganz neu ist – die ersten wurden bereits 2013 eingeführt –, wurden die gesammelten Daten bisher nicht effektiv genutzt. Laut der Dombaumeisterin wurden zwar viele Daten gesammelt, aber nichts daraus gemacht. Im Schadensfall konnten die Daten zwar rückblickend genutzt werden, um zu untersuchen, ob bestimmte Wetterereignisse für die Veränderungen am Münster verantwortlich sein könnten, eine proaktive Nutzung fehlte jedoch bisher.
Das soll sich nun ändern, denn jeder der geplanten 50 Messpunkte, die im ganzen Münster und in verschiedenen Höhen angebracht werden sollen, sendet Messdaten an ein Gateway und darüber direkt ins Büro des IDK. „Die KI arbeitet im Hintergrund“, sagt Löther. Aufgabe der KI ist, die Daten im Münster mit denen außerhalb abzugleichen. Dabei hat sie zum Beispiel Windgeschwindigkeiten, Regen, Temperaturentwicklung und Grundwasserspiegel im Blick.
Münster hängt dem Außenklima einige Tage hinterher
Wenn es draußen wärmer wird, so Löther, hinkt das Münster ein paar Tage hinterher. Die KI soll berechnen, wie sich dadurch bestimmte Orte und Flächen verändern. Im Idealfall weiß die KI bereits eine Woche im Voraus, wie das Raumklima in der nächsten Woche sein wird.
Laut Löther berechnet die künstliche Intelligenz, wie lange es dauert, bis das Außenklima eine Veränderung im Dom bewirkt. So lassen sich mögliche Schäden schon im Vorfeld durch geeignete Maßnahmen vermeiden. Man weiß dann zum Beispiel genau, wann das Gebäude gelüftet werden muss und wann die Fenster besser geschlossen bleiben.
(dpa/hoc)