Nachhaltig umbauen im Bestand am Beispiel einer Klinik
Studierende der TU Wien landen beim Ideenwettbewerb Integrale Planung „Sindelfingen 360 Grad“ auf den vordersten Plätzen. Sie liefern am Beispiel der alten Klinik Sindelfingen einen gelungenen Blick in die Zukunft von Konversionsflächen und -gebäuden.
Was dabei rauskommt, wenn junge Studentinnen und Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam ein Konventionsprojekt planen, können Besucherinnen und Besucher aktuell im Sindelfinger Rathaus begutachten. Die schwäbische Stadt ist bekannt durch ihren größten Arbeitgeber. Der Autohersteller mit dem Stern fertigt seit Jahrzehnten südlich von Stuttgart – seit Neuestem auch Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb. Sindelfingen galt daher lange als eine der reichsten Städte Deutschlands. Legendär sind Zebrastreifen aus Carrara-Marmor, die den kommunalen Wohlstand spiegeln.
Neues Krankenhaus wurde komplett virtuell geplant
Auch die Klinik, die am Altstadtrand auf einer Fläche von 8 ha auf einem Hügel thront, ist im Besitz der Stadt. Schon bald steht das Krankenhaus leer. 2025 soll der Umzug in einen Neubau erfolgen. Gemeinsam mit der Nachbarin, der Stadt Böblingen, errichtet Sindelfingen auf einem interkommunalen Areal, dem Flugfeld, aktuell einen Krankenhauskomplex. Es ist eines der ersten öffentlichen Gebäude im Land, das komplett virtuell vorgeplant ist. Bis ins letzte Detail. Jede Schraube und deren Position im Gebäude sind erfasst. Ein Building Information Management (BIM) machts möglich. Das Projekt gilt als Meilenstein der Digitalisierung im deutschen Bauwesen. Es soll helfen, Bauzeiten zu verkürzen und Kosten zu sparen.
Ähnlich epochal will die Stadt nun auch mit der alten Klinik umgehen. „Ein Abriss kommt nicht infrage“, sagt Baubürgermeisterin Corinna Clemens. Stattdessen schreibt die Stadtverwaltung in Kooperation mit der Internationalen Bauausstellung Region Stuttgart 2027 (IBA27) und dem VDI einen studentischen Wettbewerb aus. Ziel ist eine integrale Planung. Angehende Bauingenieure, Architektinnen und Gebäudetechniker sollen wie im echten Leben an einem Projekt zusammenarbeiten, um voneinander zu lernen.
Abriss unnötig: Bausubstanz des alten Krankenhauses ist gut erhalten
Das Ergebnis hängt in Plakaten nun im Foyer des Rathauses, ist als Videofahrt erlebbar und macht mehreres deutlich. Erstens: Ein Abriss der Immobilie, die über eine Nutzfläche von 60 000 m² verfügt und aus dem vorigen Jahrhundert stammt, ist unnötig. Wäre angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit sogar Frevel. Gehört die Bauindustrie doch zu den größten CO2-Emittenten der Welt, noch vor dem Flugverkehr.
Der Baukörper der Klinik ist gut erhalten, kann (neu) gestaltet und damit auf die Ansprüche folgender Generationen angepasst werden. Der Plural ist gewollt. Nachhaltig Häuser zu bauen, bedeutet heute, sie auf einen Zyklus von mehreren Jahrzehnten – wenn nicht Jahrhunderten – auszulegen. „90 % der IBA27-Projekte zeugen von einer langen Nutzung, sie sind Bestandsbauten“, verdeutlicht IBA-Geschäftsführerin Karin Lang.
Sparsam: Weniger als 10 % neues Baumaterial für Umbau benötigt
Zweitens: Der studentische Wettbewerb öffnet der Betrachterin eine Tür in die Zukunft. Denn alle vier prämierten Entwürfe kommen mit wenig frischen Ressourcen aus. Zurückgebautes Material, wie Fassadenelemente und Deckenteile, wird wieder eingesetzt, Beton recycelt; vor allem aber bleibt Bestand erhalten. Das Projekt Wohlquartier liegt, wie die Arbeitsgruppe Tree Towers, auf dem ersten Platz des Wettbewerbs. Beide Sieger kommen von der TU Wien, genauso wie die Projektgruppen RE-Set und Schnittpunkt, die eine Anerkennung gewinnen. Letztere heimsen zudem den BIM-Sonderpreis ein. Insgesamt lagen der Jury neun Arbeiten zum Beurteilen vor.
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