FORSCHUNG 28. Jun 2019 Silvia von der Weiden Lesezeit: ca. 4 Minuten

Ein Antrieb für Nanobots

Bioingenieure arbeiten an Nanorobotern, die sich über die Blutbahn autonom durch den menschlichen Körper bewegen. Sie sollen einmal helfen, Krankheitsherde direkt vor Ort zu bekämpfen. Erste Prototypen solcher Nanobots lassen sich bereits gezielt steuern.

Ein Minivehikel bringt Arzneistoffe an die Magenwand. Dabei hilft ihm der Antrieb, der einer Schiffsschraube gleicht.
Foto: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Ein U-Boot samt Besatzung wird auf Mikrobengröße geschrumpft und in die Blutbahn eines Wissenschaftlers injiziert, um dort ein Blutgerinnsel zu beseitigen. So stellten sich die Macher des 1966 erschienenen Films „Die phantastische Reise“ die Zukunft der Medizin vor.

Ein Miniaturmensch per DNA-Origami
Gerade mal 0,1 µm groß – und damit kleiner als eine Bakterie – ist der Roboter in Gestalt eines winzigen Menschen, den Nanowissenschaftler von der TU München per DNA-Origami erschaffen haben. Dafür wurden kurze vorgefertigte DNA-Stränge an bestimmter Stelle eingeknickt und gezielt zusammengelagert. So entstand eine menschliche Gestalt en miniature mit Rumpf, zwei Beinen und zwei Armen. Letztere sind beweglich.

Schrumpfkur und Transport eines OP-Teams zu einem kranken Organ sind bis heute Science-Fiction und werden es sicher auch bleiben. Dabei wären U-Boote, die sich durch Zellen und Gewebe manövrieren lassen, von großem Nutzen, meint Michio Kaku, Physikprofessor an der City University of New York.

„Nanobots könnten einen pharmazeutischen Wirkstoff gezielt zu einem kranken Organ transportieren und ihn dort präzise freisetzen“, sagt Kaku. „Ausgerüstet mit biomolekularen Reparaturwerkzeugen ließen sich damit Tumoren zielgenau attackieren, ohne dass eine größere Operation nötig wäre, oder aber eine Gentherapie vornehmen.“

Die Herstellung solcher intelligenter Nanomaschinen sei heute kein Science-Fiction mehr, meint der Forscher. Zumindest im Prinzip. Noch stehen die Molekularmaschinenbauer vor grundlegenden Herausforderungen: Wie lassen sich Nanoautomaten steuern und antreiben?

Mit der Entwicklung eines programmierbaren, molekularen Pick-up-Systems haben britische Forscher nun gezeigt, wie das funktionieren könnte. Wie die Gruppe um Salma Kassem von der University of Manchester im Fachblatt „Nature Chemisty“ berichtet, hat sie aus biologischen Makromolekülen einen winzigen Roboterarm konstruiert, der einzelne Moleküle gezielt aufnehmen, kontrolliert bewegen und präzise wieder absetzen kann – mit einer Erfolgsrate von 80 %. „Wir glauben, dass solche Systeme für die Entwicklung von Maschinen im Molekülmaßstab gebraucht werden, die dann die molekularen Konstruktionen ähnlich wie am Fließband kontrollieren“, sagt Kassem.

Wichtigste Komponenten sind ein beweglicher Rotor mit Greifarm sowie eine feste Plattform, auf der der Rotor sitzt. Als molekulare Bausteine für den Rotor dienen Pyridingruppen, die Plattform hingegen besteht Chinolin, einem Molekül aus einem Benzol- und einem Pyridinring.

Gesteuert wird der Nanoroboter über den pH-Wert. „Durch kontrollierte Zugabe von Säuren und Basen dreht sich der Nanobot dank seines pH-sensitiven Rotors nach links oder rechts, nimmt Moleküle auf und legt sie an einem zweiten Ort, 2 nm von der Startposition entfernt, wieder ab“, erläutert Forscherin Kassem.

Die drei Phasen der Aktion – Aufnahme, Transport per Moleküldrehung und Ablage – dauern nur wenige Sekunden. Allerdings funktioniert der Mechanismus bisher nur mit einer bestimmten Molekülart. Die Forscher wollen deshalb jetzt untersuchen, wie sich das Prinzip auf andere Verbindungen übertragen lässt.

Kleiner als ein Virus ist der Nanomotor, den Forscher der TU München entwickelt haben. Im Fachblatt „Science Advances“ haben sie den Bauplan für das 40 nm große Rotationsmodul veröffentlicht. Vorbild dafür war der schraubenartige Antrieb, mit dem Bakterien sich mittels einer peitschenartigen Geißel fortbewegen. Für die einem winzigen Wankelmotor ähnelnde Konstruktion nutzte das Team um Philip Ketterer vom Labor für biomolekulare Nanotechnologie kurze DNA-Stränge.

DNA-Origami nennt sich die Technik, die auf eine ganz besondere Eigenschaft der Moleküle setzt. DNA-Moleküle sind von Natur aus darauf getrimmt, sich passend zu ergänzen und so in eine stabile Form zu bringen. In einer Lösung falteten sich vorgefertigte DNA-Stränge wie von selbst zum winzigen Zylinder zusammen.

Um dieses innere Bauteil positionierten sich weitere kurze DNA-Stränge, die den Hüllzylinder bilden. Darin kann sich der innere Zylinder drehen. Die Drehbewegungen machten die Forscher mit einem 0,5 µm großen, aufgedockten Flügel aus DNA-Molekülen mithilfe des Elektronenmikroskops sichtbar.

Den nötigen Anstoß für Drehbewegungen bezieht der Nanomotor aus molekularen Bewegungen durch die Umgebungswärme. Um ihn mit einem kontrollierbaren Antrieb etwa über chemische Reaktionen auszustatten, wird der Aufbau der Zylinder angepasst. „Dann könnten solche Motoren für den Antrieb von Nanorobotern verwendet werden, die mit medizinischen Wirkstoffen beladen sind und sich wie Bakterien durch die Blutbahn bewegen“, hofft Ketterer.

„Wegen der Nickelschicht kann die Konstruktion über ein Magnetfeld in Rotation versetzt werden.“ Debora Walker, Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme.Foto: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Ein ähnliches Ziel verfolgen Forscher am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Stuttgart, mit einem Schwimmroboter. Auch hierbei standen Bakterien Pate. Das aus Kopf und schraubenartigem Antrieb bestehende Vehikel könnte eines Tages Arzneistoffe gegen Magengeschwüre direkt an die Magenwand bringen und dort für eine effektive Aufnahme sorgen. Weil die Antriebskraft der Schraube nicht reichen würde, um das Gefährt durch eine zähe Schleimhaut zu befördern, und weil es hohen Belastungen widerstehen muss, kommt besonders hartes und säureresistentes Siliziumdioxid zum Einsatz.

Auf die Schraube haben die Forscher zudem eine dünne Schicht aus Nickel gedampft. „Die Nickelschicht ermöglicht es später, die Konstruktion mittels eines von außen angelegten Magnetfelds in Rotation zu versetzen. In Flüssigkeiten bewegt sich das Vehikel fort, als würde es von einer Schiffsschraube angetrieben“, erläutert Debora Walker, Expertin für physikalische Chemie am Max-Planck-Institut.

Zusätzlich hilft eine Beschichtung aus Urease, einem Enzym, das manche Bakterien als Gleithilfe nutzen. Den so präparierten Schwimmer testeten die Forscher, indem sie ihn durch die Magenschleimhaut von Schweinen manövrierten. Für den Einsatz beim Menschen ist der Schwimmroboter aber noch nicht reif.

 

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