Unternehmensporträt 17. Sep 2024 Von Folker Lück Lesezeit: ca. 4 Minuten

Deutscher Quantencomputer auf dem Weg zur Marktfähigkeit

Das Leipziger Start-up SaxonQ bietet einen kühlungsfreien Quantencomputer an, der kaum größer ist als ein herkömmlicher PC. Einen Massenmarkt erwartet das Unternehmen in fünf bis sieben Jahren.

Mobiler Quantencomputer von SaxonQ. Das sächsische Start-up aus Leipzig, gegründet 2021, bietet das Gerät in Größe einer Workstation an. Mitte Juli haben sie einen wichtigen Schritt Richtung Marktreife gemacht und die Quantencomputer-Zertifizierung der DLR erhalten.
Foto: SaxonQ

Die großen Industrienationen stecken derzeit Milliardensummen in die Entwicklung des Quantencomputing, allen voran die USA und China. Der US-Konzern IBM hat bereits auf dem Quantum Summit 2022 einen Quantencomputer mit einer Leistung von 433 Qubits präsentiert. Auch Deutschland will nicht den Anschluss verlieren.

Konzerne wie Bosch oder Trumpf engagieren sich und auch der Staat unterstützt die Entwicklung. Das im Frühjahr 2023 vorgestellte „Handlungskonzept Quantentechnologien“ der Bundesregierung sah ursprünglich bis 2026 eine Förderung der Quantencomputertechnologie in Höhe von 3 Mrd. € vor, die aber bereits in diesem Jahr durch fehlende 200 Mio. € aus dem Konjunkturpaket gebremst wurde.

Quantencomputer im Workstation-Rack

Parallel zu Großunternehmen forschen auch mehrere Universitäten an der Weiterentwicklung der Technologie und erste kommerzielle Ausgründungen zeugen von einer beginnenden Marktdynamik. Vielversprechend entwickelt sich zum Beispiel das Leipziger Start-up SaxonQ, ein Spin-off der Universität Leipzig. Bei dem sächsischen Betrieb sind derzeit 13 Mitarbeitende beschäftigt, in erster Linie Physiker und Softwareentwickler. Unterstützt wird SaxonQ von der Q.24 GmbH, einer mittelständischen deutschen Investorengruppe aus dem nordrhein-westfälischen Halver.

Das junge Unternehmen produziert bereits einen Quantencomputer und bietet ihn zum Verkauf an. Die Besonderheit: Der SaxonQ-Computer benötigt kaum mehr Platz als eine konventionelle Workstation. Er ist damit transportabel. Zudem arbeitet er vollständig kühlungsfrei bei Zimmertemperatur. Die Recheneinheiten des Quantencomputers werden in einem wenige Millimeter kleinen Diamantchip erzeugt. Andere Quantencomputer sind bis dato riesig, weil sie eine aufwendige Kühlung benötigen.

Quantencomputer-Start-up nimmt Zertifizierungshürde beim DLR

Als erster Hersteller hat das sächsische Start-up mit seinem 4-Qubit-Demonstrator zudem gerade alle Tests der Quantencomputing-Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erfolgreich durchlaufen, was quasi als Ritterschlag gilt. Die DLR-Tests sind für ihre hohen Standards bekannt. Während der Abnahme wurde das System unter realen Bedingungen geprüft. Dabei war es entscheidend, dass nicht nur die Hardware fehlerfrei funktioniert, sondern auch die gesamte Plattform bei Raumtemperatur arbeitet.

CEO Marius Grundmann, Leiter der Halbleiterphysikgruppe an der Universität Leipzig, sieht SaxonQ damit auf einem guten Weg: „Das DLR als kompetente Prüfstelle und wichtiger Kunde gibt uns und unseren Partnern die Sicherheit, dass unser System unter realen Industriebedingungen besteht. Das ist ein wichtiges Signal Richtung Marktfähigkeit und ein toller Meilenstein für unser Team.“ Nachdem das System mit 4 Qubit läuft, will das Unternehmen noch in diesem Jahr die Skalierung auf 8 Qubit erreichen. Dass anderswo bereits Quantenrechner mit mehreren Hundert Qubits präsentiert wurden, beunruhigt Grundmann nicht. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines solchen Systems ist die Zahl der Qubits nicht das einzige Kriterium.

KI bald auf stationärem Quantencomputer programmierbar

Marius Grundmann ist Professor für Halbleiterphysik an der Universität Leipzig und CEO des Quantencomputing-Start-ups SaxonQ. Foto: Stefanie Göbel / SaxonQ

Grundmann ist davon überzeugt, dass Quantencomputer in der IT-Branche einen disruptiven Wandel auslösen werden. Die neuartigen Computer können in Sekunden berechnen, was derzeit mit einem sehr leistungsfähigen, konventionellen Computer noch Jahre dauert. Die immense Geschwindigkeitssteigerung ist möglich, weil Informationen bei Quantencomputern im Gegensatz zu herkömmlichen Computern nicht über Bits weitergetragen werden, sondern über Qubits. Während Bits Informationen in Nullen und Einsen übersetzen, können Qubits auch alle Werte dazwischen annehmen und sind entsprechend um ein Vielfaches leistungsfähiger.

Was die Rechenleistung an neuen Möglichkeiten bringt, erläutert Grundmann anhand eines Beispiels. In wenigen Jahren werde es möglich sein, auf einem stationären Quantencomputer eine eigene KI – ein Large Language Model – zu programmieren. Bislang erlangen große Sprachmodelle – ein solches ist auch die Grundlage von ChatGPT – ihre Fähigkeiten durch die Verwendung gigantischer Datenmengen, um während des Trainings riesige Mengen von Parametern zu lernen. Für diesen Prozess werden extrem viel Rechenressourcen und Energie benötigt. Weltweit übersteigt deshalb gegenwärtig die Nachfrage nach KI-fähigen Rechenzentrumskapazitäten das Angebot.

Dank Quantencomputern sollte irgendwann der Energieverbrauch in Rechenzentren sinken

„Dadurch besteht heute eine Abhängigkeit zu großen Rechenzentrumsanbietern wie Google, Amazon & Co“, weiß Grundmann. Das könnte sich in einigen Jahren durch Quantencomputing massiv verändern“, ist er überzeugt. Für ihre exponentiell höhere Rechenleistung benötigen die Quantencomputer seinen Aussagen zufolge erheblich weniger Energie als heutige Standardrechner. Der weltweite Trend hin zu riesigen, energiehungrigen Rechenzentren mit angegliedertem Kraftwerk oder Solarpark könnte sich verlangsamen.

Quantencomputing wird nicht nur bei KI massive Veränderungen bewirken. In der Kryptografie etwa werden bestehende Sicherheitsstandards hinfällig sein – heutige Verschlüsselungen werden in Sekundenschnelle geknackt. Gleichzeitig wird die Technologie aber auch völlig neue Formen der Verschlüsselung ermöglichen. In der Medizin könnten Quantencomputer die Entwicklung personalisierter Therapien massiv beschleunigen. Auch bei betriebswirtschaftlichen Prozessen wie in der Logistik, etwa bei der Lösung komplexer Verkehrs- oder Lieferkettenprobleme, soll das Quantencomputing Erfolge bringen.

Doch wie lange wird es noch dauern, bis ein Quantencomputer, dessen Produktion in Mini-Stückzahl heute noch einen Millionenbetrag verschlingt, in die Massenproduktion geht? „Ich kann nicht in die Glaskugel blicken, aber ich rechne hier mit einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren“, sagt Grundmann. Für ihn ist vorstellbar, dass ein Quantencomputer dann kaum mehr als 1000 $ kostet. Die heutige Computertechnik würde bei einem solchen Leistungssprung, verbunden mit der skizzierten Preisentwicklung, wohl weitgehend abgelöst.

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