SICHERHEITSTECHNIK 27. Jun 2019 Matilda Jordanova-Duda Lesezeit: ca. 3 Minuten

Fingerabdruck zum Selbermachen

Ein selbsterklärender Fingerscanner von Jenetric trägt dazu bei, die Grenz- und Sicherheitskontrollen zu automatisieren.

Klein und transportabel – damit hat der Zehnfinger-Scanner von Jenetric ein Alleinstellungsmerkmal.
Foto: Jenetric

Am Flughafen Frankfurt legen Nicht-EU-Bürger die Fingerkuppen auf einen Scanner, der ihre Fingerabdrücke mit denen abgleicht, die sie bei der Beantragung der Visa hinterlegt haben. Es ist Teil des EU-Projekts „Smart Borders“. Das Besondere dabei: Die Fluggäste bedienen die Vorrichtung selbstständig. Symbole und Animationen auf dem Display direkt unter der Auflagefläche leiten sie durch das Prozedere. „Die Menschen kommen aus allen möglichen Ländern, viele sprechen weder Deutsch noch Englisch“, erklärt Roberto Wolfer, Miterfinder des selbsterklärenden Geräts und Mitgründer des Jenaer Start-ups Jenetric. Der Scanner werde auch nach der Testphase am Flughafen bleiben.

Jenetric GmbH

gegründet 2014 in Jena

Produkte: Zehnfinger-Scanner

Umsatz: keine Angaben

Mitarbeiter: 31

Ein einziges Gerät zwar, aber für das 2014 gegründete Unternehmen eine wichtige Referenz. Wolfer, von Hause aus Ingenieur für Medizintechnik, und der Elektrotechnikingenieur Dirk Morgeneier waren schon früher in der Biometriebranche tätig. „Die komplett neue Technologie ist unsere eigene Entwicklung“, betont Wolfer.

Die Jenetric-Gründer Dirk Morgeneier (li.) und Roberto Wolfer sind optimistisch: „Für 2018 ist geplant, die Gewinnzone zu erreichen.“ Foto: Jenetric

Jenetric bietet den „kleinsten Zehnfinger-Scanner der Welt“ mittlerweile in drei Varianten an, unter anderem tragbar. Er arbeitet mit einem optischen TFT-(Thin Film Transistor-)Sensor, wie es ihn in Laptop- und Handy-Bildschirmen gibt. „Die dünne Transistorenschicht ist auf Glas aufgetragen und besteht aus lichtempfindlichen Pixeln. Der Sensor ist somit transparent: Man kann darunter ein Display platzieren“, erklärt Wolfer. Dieses dient gleichzeitig als Beleuchtungsquelle und zur Benutzerführung.

Klassische Fingerscanner seien sehr voluminös, für den mobilen Einsatz nicht geeignet und fast ausschließlich von Experten, vor allem Polizisten, zu bedienen. Gesetzt den Fall jedoch, man will auf dem Einwohnermeldeamt einen biometrischen Pass beantragen, ergeben sich Probleme: „Die Bürger sind nicht darin geschult, Fingerabdrücke aufzunehmen. Sie sehen nicht, ob sie etwas falsch machen. Sie können nur hoffen, dass es klappt.“ Die intuitive Bedienung würde das Ganze vereinfachen und dem Personal Zeit sparen. Das sei so ähnlich wie der Übergang vom Bankschalter zum Bankautomaten, meint Wolfer.

Fingerabdrücke im polizeilichen Erkennungsdienst werden zwar nach wie vor von Beamten gemacht, aber auch hier leistet der Scanner Unterstützung. Die Fingerabdrücke werden gerollt, um möglichst viele Besonderheiten zu erfassen: Zahlreiche Einzelbilder werden zu einem Gesamtbild zusammengefügt. „Der Finger darf dabei nicht verrutschen oder abheben“, sagt der Gründer.

Früher musste der Polizist die Aufnahme auf einem externen Monitor kontrollieren, nun gebe das Display Hinweise, an welche Stelle der Finger gelegt und in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit abgerollt werden soll. Zudem steigere der sehr geringe Abstand zwischen der Haut und dem Bildsensor die Qualität der Bilder. Nach eigenen Angaben kann Jenetric mit 500 ppi Auflösung auch kleinste sogenannte „Third-Level-Details“ sichtbar machen. Die Scanner wurden nach dem FBI-Standard zertifiziert, der international maßgeblich für Hochsicherheitsanwendungen ist.

Die neue Technologie soll eine bestehende und verbreitete verdrängen. Keine einfache Sache. „Wir gehen von einer Behörde zur anderen und leisten Aufklärungsarbeit“, sagt der Ingenieur. Zum Zug kämen die Jenaer, wenn alte Systeme ersetzt oder völlig neue Bereiche automatisiert werden sollen. Sie liefern nicht direkt an die Behörden, sondern an sogenannte Systemintegratoren, die ein Gesamtpaket bieten. In Europa und den USA ist das Unternehmen bereits aktiv, demnächst steht Asien auf dem Plan.

Gegenwärtig entwickelt es seine Geräte weiter, damit sie Fälschungen erkennen sowie Dokumente, etwa Reisepässe, Führerscheine, Bord- und Bonuskarten, ebenfalls erfassen können. Eine bloße Aufnahme des Papiers sei für viele Anwendungen auch ausreichend, meint Wolfer: „Aber eine Sicherheitsprüfung ist das noch nicht.“ Bei dieser müssen Sicherheitsmerkmale wie Hologramme, Farbmuster und nur unter UV-Licht sichtbare Elemente ausgelesen werden können.

Jenetric produziert mit Hilfe von Partnern, wobei die finalen Tests und die Kalibrierung in Jena erfolgen. Wichtig sei, so Wolfer, dass die ganze Produktion in Deutschland stattfinde. Zum einen, weil kontinuierliche Qualität durch die Nähe zu den Partnern besser zu gewährleisten sei. Zum anderen, weil „Made in Germany“ gerade im Sicherheitsbereich ein gewichtiges Verkaufsargument sei. Ein in China gefertigtes Biometriegerät hätte in vielen Ländern gar keine Chance – aus Angst vor etwaigen Manipulationen.

Drei Finanzierungsrunden mit öffentlichen und privaten Investoren wie dem Hightech-Gründerfonds sicherten dem Unternehmen Kapital in einstelliger Millionenhöhe. „Damit sollten wir es geschafft haben. Für 2018 ist geplant, die Gewinnzone zu erreichen“, hofft der Gründer.

Jenetric hat 31 Mitarbeiter, drei Viertel sind Hard- und Softwareingenieure. Spezialisten für Bildverarbeitung und Algorithmen seien im Allgemeinen extrem schwer zu finden, doch manche Personen gäben dem dynamischen Umfeld eines Start-ups den Vorzug. „Künftig brauchen wir Verstärkung vor allem im Service und Vertrieb.“

In diesem Jahr hat das Jungunternehmen in seinem Hauptmarkt USA eine Niederlassung eröffnet. Dort arbeitet Jenetric mit der Firma SureID zusammen, die auf Identitätsnachweise spezialisiert ist. „Da es in den USA keine Personalausweise gibt, müssen Menschen, die im öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern oder Schulen arbeiten wollen, zur Polizei gehen und ihre Fingerabdrücke hinterlassen. Das FBI bescheinigt dann, dass der Bewerber keine kriminelle Vorgeschichte hat“, schildert Wolfer. „Unser Kunde bietet diesen Backgroundcheck als kommerziellen Service an.“ Die Selbstbedienungsgeräte soll es künftig überall in den Vereinigten Staaten geben.

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