Forschungsprojekt Spinning sucht Technik für deutschen Quantencomputer 29. Okt 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Neuer Quantencomputer: Spinphotonik senkt Fehlerquoten

Dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) ist es gelungen, die Entwicklung Spin-Photon-basierter Quantencomputer voranzubringen.

Dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) ist es gelungen, die Entwicklung Spin-Photon-basierter Quantencomputer voranzubringen. Das Bild zeigt den optischen Laboraufbau zur Demonstration von Spin-Photon-basiertem Quantencomputing am Fraunhofer IAF.
Foto: Fraunhofer IAF

Mit dem Forschungsprojekt „Spinning“ (s. Kasten) soll in Deutschland ein quantenoptischer Quantenprozessor entwickelt und gebaut werden, der eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen heutigen Quantencomputersystemen hat, wie sie zum Beispiel IBM heute schon baut und einsetzt. Dazu gehören ein geringerer Kühlbedarf, längere Operationszeiten und kleinere Fehlerraten. Der Vorteil wäre, dass dieser Quantenprozessor in unmittelbarer Nähe zu herkömmlichen Computersystemen aufgebaut und eingesetzt werden könnte, quasi direkt im Rechenzentrum für das bisherige High Performance Computing. Hybride Rechnerstrukturen liegen dann nahe.

Die Basis für diese Quantenchips soll im Projekt Spinning gelegt werden. Und Mitte letzter Woche gab es in Berlin beim Mid-Term-Meeting der BMBF-Fördermaßnahme „Quantencomputer-Demonstrationsaufbauten“, im Rahmen dessen „Spinning“ gefördert wird, richtig was zu sehen – wie der Name verspricht: Demonstrationsaufbauten. Es sei gelungen, „die Entwicklung Spin-Photon-basierter Quantencomputer entscheidend voranzubringen“, so das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF).

Genauerer Quantencomputer dank Spinphotonik

Demnach gelang es dem Projektteam laut IAF erstmals, die Verschränkung von zwei Registern aus je sechs Qubits – also zwölf Qubits – über eine Distanz von 20 m erfolgreich zu demonstrieren. Umso mehr miteinander verschränkte Qubits in einem Quantencomputer rechnen können, umso mehr Zustände lassen sich zeitgleich berechnen. Wichtig aber hierbei ist, dass die Fidelität hoch ist, auch dies sei erreicht worden. Fidelität steht für die „Treue“ im Sinne der Ähnlichkeit der miteinander verschränkten Zustände und ist ein Maß für die Präzision der Berechnungen und der Effektivität der Fehlerberechnung. Je höher die Fidelität, desto kleiner der Fehler und desto stabiler sind die Quantenzustände.

Der bislang zwölf Qubits umfassende Quantencomputer erreicht im Ein-Qubit-Gatter mit einer Fehlerquote von < 0,5 % das gleiche Ergebnis wie die prominenten IBM-Modelle Eagle (127 Qubits) und Heron (154 Qubits), die auf Basis supraleitender Josephson-Kontakte (superconducting Josephson junctions, SJJ) arbeiten, so das IAF in einer Mitteilung. Bei der Kohärenzzeit übertreffe der Spin-Photon-basierte Quantencomputer mit einer Länge von über 10 ms die SSJ-Modelle (> 50 µs) deutlich, obwohl die Distanz bei der Verschränkung mit 20 m gegenüber wenigen Millimetern um ein Vielfaches größer ausfällt.

Spinphotonik und Diamanten als Erfolgsrezept für deutsche Quantencomputer

„Dafür nutzen wir die Materialeigenschaften von Diamant, um eine Quantencomputertechnologie zu entwickeln, die genauso leistungsfähig wie die anderen Technologien sein kann, aber keine ihrer spezifischen Schwächen aufweist“, erklärt Rüdiger Quay, Koordinator des „Spinning-Verbunds“ und Institutsleiter am Fraunhofer IAF. Die Qubits würden mithilfe von Farbzentren im Diamantgitter erzeugt, indem ein Elektron wahlweise in einem von vier künstlich erzeugten Gitterdefekten (Vakanz-Zentren) gefangen wird. Diese Vakanz-Zentren sind mit Stickstoff (NV), Silizium und Stickstoff (SiNV), Germanium (GeV) oder Zinn (SnV) dotiert. „Der Elektronenspin koppelt sich durch magnetische Wechselwirkung mit fünf Kernspins benachbarter 13C-Kohlenstoffisotope. Der zentrale Elektronenspin kann dann als adressierbares Qubit genutzt werden“, erläutert Quay.

Schematische Darstellung eines Spin-Photon-basierten Quantenprozessors, der aus sechs optisch gekoppelten Quantenregistern besteht. Foto: Fraunhofer IAF

Die einzelnen Qubits formen dann eine übergeordnete Struktur, eine Art Matrix, das sogenannte Qubit-Register. „Der Spinning-Quantencomputer soll aus mindestens zwei und später bis zu vier dieser Register bestehen, die wiederum auf weite Entfernungen von z. B. 20 m optisch gekoppelt werden, sodass ein übergreifender Informationsaustausch stattfinden kann“, so Quay weiter. Die optische Kopplung zwischen den zentralen Elektronenspins und Registern wird durch einen optischen Router in Kombination mit einer Lichtquelle und einem Detektor zum Auslesen realisiert. Die einzelnen Zustände der Kernspins werden durch Hochfrequenzpulse gesteuert.

Photonischer Quantencomputer aus Fraunhofer-Labor mit guter Lernkurve

In dem Projekt konnten darüber hinaus das Basismaterial und dessen Bearbeitung, die Realisierung von Farbzentren in Diamant zur Erzeugung von Qubits verbessert werden. Ferner ist es dem Konsortium gelungen, die für den Betrieb des Quantencomputer nötige Elektronik zu entwickeln und erste Anwendungen des Quantencomputers für künstliche Intelligenz zu zeigen. Baustelle ist die Technologie der photonischen Resonatoren. Das Verständnis dafür, so das IAF, sei zwar gewachsen, allerdings müsse das Resonator-Design noch weiterentwickelt werden.

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