Sensoren erkennen Kriegsbedrohungen in Städten
Krieg findet auch im urbanen Umfeld statt, wie die russischen Angriffe auf die großen städtischen Zentren der Ukraine zeigen. Wie Sensoren den Angegriffenen dabei helfen können, die Feindbewegung zu erkennen und zu analysieren, zeigt eine internationale Übung.
In einer kriegerischen Auseinandersetzung kann es entscheidend sein und Leben retten, wenn möglichst viele Informationen über den Angriff vorliegen. Welche Waffen kommen zum Einsatz, wie bewegt sich der Feind, und welche Rückschlüsse lassen sich daraus auf die geplanten Aktionen des Gegners ziehen? An solche Informationen zu gelangen, erweist sich jedoch besonders im städtischen und oftmals sehr unübersichtlichen Umfeld als sehr schwierig. Wie Sensorsystem hier unterstützen können wurde im Rahmen der Übung erprobt.
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Kriegerische Angriffe auf Städte: Test dauerte eine Woche
Die Übung fand auf Einladung Schweizer Bundesamts für Rüstung (Armasuisse) im Rahmen der Zusammenarbeit in der Nato-Forschungsgruppe SET-286 „Acoustic and Seismic Sensing of Threats in Urban Environments“ in Walenstadt im Süden des Kantons St. Gallen statt. Die Schweiz ist zwar kein Nato-Mitglied, jedoch Teil der „Partnerschaft für den Frieden (PfP)“. Bei dem multinationalen Experiment, das ein Woche lang dauerte, war Deutschland durch das Fraunhofer FKIE verteten, das durch die Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91, im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) unterstützt wurde. Auch Forschende aus den Nato-Ländern USA, Frankreich, Ungarn und Tschechien zählten zu den Teilnehmern.
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„Urbane Umgebungen stellen eine große Herausforderung für die Erfassung, Aufklärung und Lagebilderstellung dar“, betont FKIE-Forschungsgruppenleiter Dr. Marc Oispuu. Ziel der Nato-Forschungsgruppe SET-286 sei die Entwicklung und Erprobung neuer Technologien zur Erkennung von Gefahren in diesem Umfeld.
Die Forschenden des Fraunhofer FKIE arbeiten an System, die zur Erkennung, Klassifizierung und Lokalisierung von Schüssen und Drohnen beitragen können. Diese Systeme wurden im Rahmen der Übung getestet. Der Fokus der lag auf akustischen und seismischen Sensoren. Signale, wie sie beispielsweise von Schüssen, Explosionen oder Boden- und Luftfahrzeugen ausgehen, lassen sich mithilfe dieser Sensoren auch ohne Sichtkontakt erfassen. Danach können die so ermittelten Informationen in eine Lagedarstellung einfließen und dabei helfen, fundiertere Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu treffen.
Simulation von kriegerischer Bedrohung: Rund 2000 Schüsse und höchste Sicherheitsstandards
Die Übung fand in der militärische Modellstadt „Äuli“ auf dem Waffenplatz Walenstadt statt. Dieser Ort bot mit realitätsgetreu nachgebildeten Häusern, einer Tankstelle und einem Supermarkt eine ideale Umgebung für die Übung. Lang- und Kurzwaffen, mit und ohne Schalldämpfer, indoor, outdoor sowie von Haus zu Haus: Insgesamt wurden rund 2000 Schüsse abgegeben, die aus acht Waffentypen stammten.
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Mithilfe der unterschiedlichen Sensorsysteme, die zuvor strategisch in Stellung gebracht worden waren, haben die Forscherteams diese Schüsse klassifiziert und lokalisiert. Gleiches geschah mit Explosionen in Bunkern und im Außengelände, angreifende Drohnen und anrückenden militärische Fahrzeuge. Alle Übungsszenarien sollten so realitätsnah wie möglich durchgeführt werden – daher kamen unterschiedlichste Waffen zum Einsatz.
Datenschatz für weitere Forschung
Die Übung hatte nicht nur praktischen Nutzen. Es wurde auch ein gigantischer Datensatz von 3,4 TByte erzeugt. „Es gibt für uns Forschende nur wenige Gelegenheiten wie diese“, betont Oispuu. Ein solch großer, breit gefächerter und gut dokumentierter Datensatz sei für die Fortführung der Forschungsarbeit immens wertvoll und die eigentliche Arbeit beginne erst jetzt.
„Die Daten werden analysiert und mit denen der anderen Nationen ausgetauscht und verglichen. Der Datensatz insgesamt vergrößert sich damit noch einmal um ein Vielfaches“, so der Forscher. Im Herbst 2024 will das Fraunhofer-Forschungsteam die erarbeiteten Ergebnisse dann bei einer Messkampagne auf dem brandenburgischen Truppenübungsplatz Lehnin erneut prüfen, um so weitere Ergebnisse zu erhalten.