Supraleitung und Quanteneffekte pushen Halbleitertechnik
Forschungsteams des Schweizer Paul Scherrer Instituts (PSI) und der US-Universität Cornell im Bundesstaat New York haben ein Verbundmaterial identifiziert, das Quantenbauelemente in die Halbleitertechnologie integrieren kann. Damit ließen sich elektronische Bauteile deutlich leistungsstärker machen, heißt es in einer Mitteilung der beiden Organisationen.
Wie immer, oder zumindest sehr oft, geht es bei den Forschungen zu Halbleitern darum, wieder mehr aus ihnen an Rechenleistung herauszuholen; und obendrein sollen sie möglichst kleiner werden. Schuld an allem ist Gordon Moore: Er formulierte in den 1960er-Jahren jenes „Gesetz“, das seit jener Zeit den Fortschritt der Halbleitertechnik antreibt: Rund alle 18 Monate verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit der Chips – bzw. sinken entsprechend deren Größe und deren Preis.
Nur: wie hinbekommen? Bei dieser Suche sind Forschungsteams des Schweizer Paul Scherrer Instituts (PSI) und der US-Universität Cornell im Bundesstaat New York zusammengekommen. Es gilt, bei Halbleitern die Bandbreite der Datenübertragung, die Energieeffizienz und die Informationssicherheit zu erhöhen – das alles würde helfen. Und beide Organisation sind sich sicher: „Quanteneffekte einzubeziehen, wird hierbei wahrscheinlich einen Durchbruch bewirken.“
Neue Halbleiter: Quanteneffekte sollen die nächste Generation begründen
Um mögliche Nachfolger für die heutige Halbleiterelektronik zu finden, untersuchten einige Forschende – darunter eine Gruppe an der Cornell University – sogenannte Heterostrukturen, also Strukturen aus zwei verschiedenartigen Materialien. Genauer gesagt, gehe es ihnen um Schichtsysteme aus supraleitenden und halbleitenden Materialien, so das PSI und das Team der Cornell University in einer Mitteilung.
„Es ist schon länger bekannt, dass man dafür Materialien mit sehr ähnlichen Kristallstrukturen auswählen muss, damit es an der Kontaktfläche nicht zu Spannungen im Kristallgitter kommt“, erklärt John Wright, der an der Cornell University die Heterostrukturen für die neue Studie hergestellt hat. Denkbar seien dabei Quanteneffekte, die in supraleitenden Materialien auftreten können; dass das erfolgreich geht, hätten schon die ersten Quantencomputer gezeigt.
Störungsfreies Nebeneinander von Supraleiter- und Halbleitermaterial
Die Forschungsteams betrachteten als passende Materialien zum einen den Supraleiter Niobnitrid (NbN) und den Halbleiter Galliumnitrid (GaN). Letzterer spielt in letzter Zeit eine immer wichtigere Rolle, ob generell für die Leistungselektronik oder auch in einzelnen Branchen, wie im Automobilsektor. Irgendwo stoßen aber die beiden Materialien natürlich aneinander – und was man gar nicht gebrauchen könnte, wäre, dass sich die beiden Effekte stören, zum Beispiel indem die Elektronen aus dem Halbleiter die Supraleitung stören und damit die Quanteneffekte auslöschen.
Cornell-Forscher Wright und Vladimir Strocov, Forscher an der „Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS“ des PSI, fanden in ihren Experimenten schließlich heraus, dass die Elektronen in beiden Materialien „für sich“ bleiben. „Es finden keine unerwünschten Wechselwirkungen statt, die die Quanteneffekte behindern könnten“, kommen sie zum Schluss. Hierzu nutzen sie winkelaufgelöste Photoelektronenspektroskopie am PSI mittels weicher Röntgenstrahlung. „Mit dieser Methode können wir die kollektive Bewegung der Elektronen im Material sichtbar machen“, erklärt Tianlun Yu, Postdoktorand im Team von Strocov, der die Messungen durchgeführt hat.
„Die für uns wichtigste Schlussfolgerung ist, dass die Supraleitung im Niobnitrid ungestört bleibt, selbst wenn dieses Atom für Atom passend auf eine Schicht Galliumnitrid aufgesetzt wird“, sagt Strocov. Damit, so der Physiker, habe man ein weiteres Puzzlestück dafür liefern können, dass dieses Schichtsystem wirklich eine neue Form der Halbleiterelektronik hervorbringen könnte, die Quanteneffekte in Supraleitern einbindet und nutzt. Vielleicht kann es in Zukunft helfen, das Mooresche Gesetz weiter fortzuschreiben.