Wie die Chips der Zukunft für KI schneller und kompakter werden
Ein internationales Forschungsteam entwickelt ein neues Konzept für die Hardware für sogenanntes neuromorphes Computing. Künstliche Intelligenz (KI) könnte damit besser werden.
Wissenschaftler aus Dortmund, den englischen Universitätsstädten Loughborough und Nottingham sowie Kiew haben ein Konzept entwickelt, das zukünftig komplexe Datenverarbeitung zum Beispiel für künstliche Intelligenz (KI) wesentlich kompakter und effizienter machen könnte. Sie orientieren sich dabei an der Datenverarbeitung in biologischen Systemen wie dem menschlichen Auge: Neuromorphes Computing nennt sich das Vorgehen.
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Das neue Konzept arbeitet mit einem sogenannten Reservoir, einer besonderen Form neuronaler Netze. In diesem Fall basiert das künstliche Reservoir auf quantenmechanischen Schwingungen in Festkörper-Kristallgittern, zum einen den sogenannten Phononen (Schallschwingungen in Kristallgittern) und zum anderen den magnetisch angeregten Spinwellen, auch Magnone genannt. Das neue Konzept zeigt auf, wie dieses Phonon-Magnon-Reservoir auf einem dezidierten Chip realisiert werden kann.
KI: Was ist neuromorphes Computing?
Biologische Systeme können digitale Signale unwahrscheinlich schnell verarbeiten. Das passiert in sogenannten neuronalen Netzen: Zum Beispiel wandeln menschliche Sinnesorgane Informationen wie Licht oder Geruch in ein Signal um, das das Gehirn über Myriaden von Neuronen verarbeitet. Die Computerwissenschaften versuchen schon lange, die auf Neuronen basierende Signalverarbeitung zum Beispiel im menschlichen Körper mithilfe der Halbleitertechnik und Elektronik in künstlichen neuronalen Netzen nachzuahmen. Gelänge dies, könnte auch KI einen deutlichen Sprung erfahren.
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Der Clou in einem biologischen System wie dem menschlichen Auge ist die Vielzahl der Neuronen, die es erlaubt, extrem viele Signale in sehr kurzer Zeit aufzunehmen. Hinzu kommt aber noch eine hochparallel verlaufende Verarbeitung der Signale, sprich: Der Körper kann diese Signalfülle nicht nur aufnehmen, sondern sie auch sehr schnell klassifizieren und verarbeiten beziehungsweise damit rechnen, sodass zielführend Ergebnisse vorliegen. Hierfür sind Neuronen mit einer Vielzahl von Synapsen miteinander verbunden.
Weltweit versucht die Wissenschaft, das Prinzip der Signalübertragung und des Trainings mit komplexen neuromorphen Computersystemen zu imitieren, also Systemen, die neurobiologischen Strukturen des menschlichen Nervensystems ähneln. „Von einer mit dem menschlichen Gehirn vergleichbaren Informationsdichte und Effizienz sind die modernen Technologien jedoch noch weit entfernt“, heißt es in einer Mitteilung der Universität Dortmund zu den Forschungsergebnissen zum neuen Konzept.
Wie Reservoir Computing Datenverarbeitung in neuronalen Netzen für KI schneller macht
Die Forscher setzen bei ihrem neuen Konzept auf einen Berechnungsansatz, der sich Reservoir Computing nennt und von den sogenannten rekurrenten neuronalen Netzen abgeleitet ist. Rekurrente neuronale Netze in der Datenverarbeitung nutzen sequenziell anfallende Daten oder Zeitreihendaten, um bestimmte, oft anfallende Probleme zu lösen, die vor allem bei der Sprachübersetzung und Spracherkennung auftreten, erläutert IBM. Das Reservoir beschleunigt dabei nur das Erkennen der Signale durch ein vereinfachtes künstliches neuronales Netz, so die Forscher. Dadurch verringerten sich die Rechenressourcen und Trainingszeit enorm.
Auch das menschliche Sehen ist eine Art von Reservoir Computing: Beim Sehen reduziert es erheblich die Datenmenge, die die Sehrinde im Gehirn verarbeiten muss. Moderne Computersysteme können die Funktion des Reservoirs bei der Verarbeitung digitaler Signale zwar nachahmen, aber: „Der entscheidende Durchbruch wird jedoch erst erreicht, wenn Reservoir Computing direkt mit analogen Signalen in einem natürlichen physikalischen System durchgeführt wird – wie beim menschlichen Sehen“, so in der Mitteilung. Das neue Konzept des internationalen Teams bringe die Datenverarbeitung einem solchen Durchbruch nun deutlich näher.
Wie akustische Quantenschwingungen den KI-Chip der Zukunft flott machen
Das neu entwickelte Reservoir basiert auf akustischen Wellen, den Phononen, und Spinwellen, den Magnonen, die in einem Chip von 25 µm x 100 µm x 1 µm miteinander gemischt werden. „Der Chip besteht aus einem akustischen Wellenleiter, durch den viele verschiedene akustische Wellen geleitet werden können und der von einem strukturierten magnetischen Film von nur 0,1 µm bedeckt ist“, heißt es in der Mitteilung. Die zu verarbeitenden Informationen liefert ein gepulster Laser; diese Informationen werden vorverarbeitet, indem die Laserphotonen in ein Phonon-Magnon-Wellenpaket umgewandelt werden. „Diese Wellen, die sich nun ausbreiten, haben kurze Wellenlängen und verfügen somit über eine hohe Informationsdichte. Die ermöglicht es, visuelle Formen sicher zu erkennen, die der Laser auf eine bemerkenswert kleine Fläche von weniger als einem Fotopixel zeichnet“, heißt es weiter.
„Unser Konzept ist sehr vielversprechend, denn es basiert auf der Umwandlung des einkommenden Signals in hochfrequente akustische Wellen, wie sie bereits in modernen drahtlosen Kommunikationsgeräten verwendet werden“, erklärt Alexey Scherbakov, der das Projekt an der TU Dortmund leitete. „Unser akustischer Frequenzbereich oberhalb von 10 GHz ist zwar etwas höher als der derzeit verfügbare, aber er wird von den nächsten drahtlosen Kommunikationsstandards angestrebt. Wer weiß, vielleicht hilft Ihnen Ihr Mobiltelefon in ein paar Jahren sehr menschliche Entscheidungen zu treffen.“