2 Mrd. für vier Konverterstationen
Hitachi Energy erhält einen 2-Mrd.-€-Auftrag von Amprion im Rahmen des Stromnetzausbaus für die Energiewende. Windstrom aus dem Norden soll so rasch nach Süden kommen.
Der japanische Energietechnikspezialist Hitachi Energy meldete heute (20. 12. 2024), dass er mit dem deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Amprion Verträge im Gesamtwert von über 2 Mrd. € über die Lieferung von vier Konverterstationen für zwei Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsverbindungen (HGÜ-Verbindungen) unterzeichnet hat, die die deutsche Energiewende unterstützen werden. Die Kosten über den Stromnetzausbau im Rahmen der Energiewende sind inzwischen zum Wahlkampfthema geworden, denn die Ausbaukosten finden sich über Umlagen im Strompreis wieder, den Bürgerinnen und Bürger sowie Handel, Gewerbe und Industrie bezahlen müssen. Wir schauen mal an diesem Beispiel, warum dieses Geld ausgegeben wird und warum das Sinn macht.
Warum braucht es neue Höchstspannungsleitungen in Deutschland?
Allen ist klar: Wenn Offshore-Windkraft die industriellen Zentren in Mittel- und Süddeutschland versorgen soll, dann braucht es viel stärkere Verbindungsleitungen als bisher, um den Ökostrom vom ertragsreichen Norden in den verbrauchsstarken Süden zu bringen. Offshore-Windkraft erzeugt stetigen Ökostrom als Onshore-Windkraft oder Photovoltaik.
Zusammen mit Speichern und Wasserstoff – das ist das Modell – lassen sich so die industriellen Lastzentren versorgen, nachdem Kernkraft und fossile Kraftwerke (weitgehend) vom Netz sind. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral wirtschaften. „Ohne die Netzkapazitäten, um Windenergie aus dem Norden in die noch stark von fossilen Brennstoffen abhängigen Gebiete im Süden und Westen zu leiten, kann das Land die Dekarbonisierung nicht innerhalb des angestrebten Zeitrahmens erreichen“, sagt Niklas Persson, Managing Director des Geschäftsbereichs Grid Integration bei Hitachi Energy.
Was baut Hitachi für 2 Mrd. €?
Ein Technologie, die besonders für den schnellen Transport größer Strommenge gut geeignet ist, ist die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, kurz HGÜ. Hitachi Energy hat hier vor Jahren das Erbe der ehemaligen Energiesparte des Schweizer ABB-Konzerns übernommen, die als eines der Gründerzentren für HGÜ-Technik weltweit gilt. Und eine der vier in Deutschland geplanten HGÜ-Haupttrassen heißt schlicht „Korridor B“. Zuständig dafür ist Amprion. Korridor B soll „Windenergie von der Nordseeküste ins Ruhrgebiet transportieren und 4 Mio. Menschen mit Strom versorgen“, heißt es auf der Projektwebseite. Korridor B besteht dabei aus zwei als V48 und V49 bezeichneten HGÜ-Verbindungen. Dies sind zwei neue Erdkabelverbindungen mit je zwei Konverterstationen. Jedes Erdkabelsystem wird 2 GW übertragen, also genug, um 4 Mio. Menschen mit Strom zu versorgen. Bei Bedarf kann die Übertragungskapazität über zusätzlich verlegte Leerrohre um weitere 4 GW erhöht werden. Im Rahmen der Verträge wird Hitachi Energy zwei Umrichtersysteme liefern, installieren und in Betrieb nehmen, die jeweils eine Leistung von 2 GW übertragen können. Die Umrichter werden mit 525 kV arbeiten, der Spannungsebene, die als Standard für die neueste Generation von HGÜ-Verbindungen gilt.
Wie viel Geld soll Korridor B insgesamt kosten?
Bis diese Wunderwerke der Technik aber stehen, dauert es – und es kostet viel Geld. Der Auftrag, den Hitachi Energy heute gemeldet hat, ist nur einer von vielen, die Amprion für den Bau vergeben wird. Der soll wohl drei bis vier Jahre dauern – bis in die 2030er-Jahre. „Das Projekt wird bereits ab Anfang der 2030er-Jahre grünen Strom zu Millionen von Haushalten und zur Industrie in Nordrhein-Westfalen transportieren“, sagt Amprion-CTO Hendrik Neumann. Halten soll die Trasse laut Amprion dann geschätzte 40 Jahre. Es ist also ein Generationenprojekt.
Wenn sich also die Politik derzeit nicht einig ist, mit welchen Mitteln die Belastung in Deutschland durch die hohen Strompreise gesenkt werden soll, so sind diese Aufträge dennoch erst einmal sinnvoll. Die politische Aufgabe ist es, die perspektivische Entlastung beim Strompreis, die durch Ökostrom beabsichtigt und möglich ist, frühzeitig bei den Betroffenen ankommen zu lassen. Daran hapert es.
Welche Großaufträge wurden bisher für Korridor B schon vergeben?
Der Auftrag an Hitachi Energy ist schätzungsweise der größte Einzelauftrag, der in dem Zusammenhang zu vergeben ist. Die Leitungen sollen auch als Erdkabel verlegt werden, die Kosten dafür schätzt Amprion auf etwa 6 Mio. € bis 7 Mio. € pro Kilometer. Da das Projekt aus zwei Leitungen besteht – eine mit 440 km Länge (V48: Heide in Schleswig-Holstein nach Polsum in Nordrhein-Westfalen) und eine mit 270 km Länge (V49: Wilhelmshaven nach Hamm in Nordrhein-Westfalen) – ergibt sich eine Gesamtlänge von etwa 710 km. Als grober Überschlag würden sich rechnerisch Kosten von bis zu knapp 5 Mrd. € ergeben. Nur ist das keine verlässliche Zahl. Zu Recht weißt Amprion darauf hin, dass noch nicht alles festliege: „Genaue Angaben zu den Kosten können erst gemacht werden, wenn die detaillierte Trassenführung und die exakte Länge der Leitungen bekannt sind.“
Im März 2024 hatte Amprion bereits einen Auftrag in Höhe von 1,2 Mrd. € an den dänischen Kabelhersteller NKT vergeben und sich dort Kabelkapazitäten für Korridor B gesichert. Allerdins beinhalten diese 1,2 Mrd. € auch Kabelproduktionskapazitäten für ein weiteres Stromnetzausbauprojekt, nämlich EnLAG 14. Weitere Kabelkapazitäten sicherte sich Amprion im Juni 2024 beim japanischen Hersteller Sumitomo Electric. Auch hier ist es eine Mischvergabe, das Geld ist für die Kabel für Korridor B und den Rhein-Main-Link gedacht. Diese Mischvergabe praktizierte Amprion auch bei der Vergabe im August 2024 für die Tiefbauarbeiten an drei Anbietergemeinschaften, ebenfalls für Korridor B und den Rhein-Main-Link. Amprion spricht auch hier über einen Auftrag in „Milliardenhöhe“.