2023 war „Rekordjahr“ für Windkraft an Land
Der Ausbau von Windrädern an Land hat 2023 weiter Fahrt aufgenommen. Doch der Süden Deutschlands hinkt weiter massiv hinterher. Und die gesetzlichen Ausbauziele für 2024 werden wohl krachend verfehlt.
Die Bundesregierung hat deutliche Ausbauziele für Sonne, Wind & Co. ins Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geschrieben; sie hat Gesetze geändert, damit die entsprechenden Branchen schneller und besser die entsprechenden Anlagen errichten können. Bis sich das aber wirklich auswirkt, braucht es seine Zeit, wie die Vorstellung der Zahlen der Windkraftbranche für 2023 am 16. Januar 2024 deutlich macht:
- Silke Lüers von der Deutschen Windguard, die seit Jahren die Zahlen zusammenstellen, spricht von einer „wunderbaren Zahl“ von 7,5 GW bei den genehmigten Projekten im Jahr 2023; 73 % mehr als 2022: „Das ist eine wunderbare Leistung in meinen Augen. Da haben die Branche und die Behörden was geleistet.“
- Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE), spricht von einem „Rekordjahr“ – sie meint jene erteilten 7,5 GW an neu genehmigten Windkraftanlagen.
- Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Industrieverbands VDMA Power Systems, sieht einen „ganz klaren Zubau“. Aus Sicht der von ihm vertretenen Energieanlagenbauer ist „das Glas eher halb voll als halb leer“.
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Trotzdem: Es reicht nicht, um die im EEG festgelegten Ziele zu erreichen, und zwar absehbar nicht. Als erstes Ziel legt § 4 EEG 69 GW an insgesamt installierter (kumulierter) Nennleistung für die Windkraft an Land in Deutschland fest. Ende 2023 waren es jetzt 61,01 GW, ein Nettozubau von 3,033 GW gegenüber 2022. Es müssten also 2024 knappe 8 GW neu errichtet werden. Und 3 GW Nettozubau sind kein Rekord – so viel wurden auch schon mal 2013 zugebaut.
Windkraft: Trotz einem Rekord bei den Genehmigungen
Dennis Rendschmidt konstatiert trocken: „Der aktuelle Zubau hängt dem politisch gewollten Zubaupfad nach wie vor hinterher.“ Allein: Er sieht noch die Chance, dass es doch noch reichen könnte: „Wir sind optimistisch, dass es erreichbar ist“, sagt er, um dann zu ergänzen: „Wenn man so weitermacht wie bisher, wird man es nicht erreichen.“ In ihrem Statusbericht schreibt die Deutsche Windguard, es sei davon auszugehen, „dass der Zubau 2025 deutlich hinter dem Ziel zurückbleibt.“ §4 EEG legt für 2024 69 GW fest, für 2026 dann 84 GW, dann müsste die Branche 2025 irgendwo bei 76 GW oder 77 GW landen.
Woran es liegt, dass nicht genügend Windkraftanlagen in Deutschland gebaut werden
Die Deutsche Windguard analysiert, dass aufgrund „der deutlichen Reduktion der Ausschreibungsvolumina und der Unterzeichnung der Ausschreibungsrunden im Jahr 2023“ der Zubau 2025 nicht erreicht werde. Das EEG schreibt in § 28 die Ausschreibungsvolumina für Windkraft an Land fest, für 2023 exakt mit 12840 MW (12,84 GW). Aber mit 6,4 GW wurde 2023 ziemlich genau die Hälfte dieser Kapazität wirklich bezuschlagt. Zwar sollen diese Kapazitäten laut EEG später wieder neu aufgerufen werden – aber warum nur ist die Lage so, wie sie ist?
- Zum Ersten achtet die für die Versteigerung zuständige Bundesnetzagentur darauf, dass für die geplante Ausschreibungsmenge auch genügend Bewerbungen für einen Wettbewerb da sind. Ist das nicht der Fall, reduziert sie die Menge so weit, dass ein Wettbewerb zu erwarten ist. Das hat sie 2023 gleich mehrfach machen müssen. Heraus kam eine bezuschlagte Gesamtmenge von 6,399 GW.
Warum sich nicht genügend Windkraft-Projekte an Ausschreibungen beteiligen
Es gibt zwar 2023 eine Rekordzahl an Genehmigungen. Damit aber die Branche mehr Fahrt aufnehmen kann – und vielleicht die Ausbauziele doch noch erreichen kann –, sind die Genehmigungszahlen laut Dennis Rendschmidt „der wichtigste Punkt“. „Hier geht es zwar auch deutlich aufwärts, da zeigen die Maßnahmen der Bundesregierung schon Wirkung, aber noch nicht ausreichend steil.“ Die Verbändeprognose für 2024 liegt bei 3,5 GW bis knapp über 4 GW für den Zubau: „Wir trauen der Branche auch schon ein bisschen mehr als 4 GW zu bei unverminderter Realisierungsgeschwindigkeit, wenn keine Steine in den Weg gelegt werden.“
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„Es braucht genehmigte Planungen, nur damit kann man sich an den Ausschreibungen beteiligen“, erklärt Bärbel Heidebroek. Gebe es bei den Genehmigungen einen Bottleneck, „dann gibt es nicht hinreichende Gebote und damit leidet eine Ausschreibung“. Solch ein Bottleneck sind zum Beispiel anhängige Klagen, die immer noch zu jahrelangen Verzögerungen führen. Als weiteren sehr wichtigen Bottleneck führen BWE und VDMA die Logistik auf. Beim Transport von Komponenten von Windenergieanlagen, vor allem zu den Baustellen, gibt es nach wie vor erheblich Hürden“, sagt Rendschmidt. 2023 sei der Bau zahlreicher Anlagen nicht umgesetzt werden, weil der Transport in weiten Teilen weiterhin unkalkulierbar gewesen sei. So fehlten immer noch bundeseinheitliche Anforderungen zum Beispiel bei Transportbegleitungen und Brückenberechnungen. Auch gelte es, bei Unterschreitung der angegebenen Maße eine neue Genehmigung zu beantragen.
Windkraft: Branche fühlt Unterstützung in der Gesellschaft
„Die Stimmung in der Branche ist deutlich positiver geworden“, berichtet BWE-Präsidentin Heidebroek. Die Windkraft als heimisch verfügbare Energiequelle hat seit dem Beginn des Ukrainekriegs an Ansehen gewonnen. Es gebe in Deutschland, so Heidebroek, „eine Stimmung, die eben auch sagt, wir wollen resilient werden, wir wollen die Energieversorgung auf unsere eigenen Beine stellen, und wir wollen die Erneuerbaren“. Erstmals habe die Branche 2023 die „Schallmauer von 60 GW installierter Leistung an Land durchbrochen“, das sei ein Meilenstein.
Rekordhoch bei Strom aus Windkraft – dank Sturmtief Zoltan
Wichtig sei, dass fast alle Bundesländer ihren Anteil deutlich steigern konnten, wobei allerdings die bisherigen Spitzenreiter unter den Bundesländern auch 2023 vorne lagen, allen voran Niedersachsen und Schleswig-Holstein, aber auch Nordrhein-Westfalen (NRW) und Brandenburg. NRW zeige, dass auch in dicht besiedelten Bundesländern ein großes Zubauvolumen möglich sei. NRW ist Spitzenreiter bei den Neugenehmigungen und das Bundesland zeige, so Heidebroek, dass „auch ein CDU-regiertes Land, wenn der politische Wille da ist, vorangekommen kann“. Für Industriestandorte sei Windkraftausbau extrem wichtig, weil klar sei, dass die Industrie immer der Energie folge. „Die anderen Länder müssen da jetzt nachziehen, insbesondere die Südländer.“