AKW Grafenrheinfeld: Die Kühltürme fallen, aber der Rückbau wird dauern
Die Sprengung der Kühltürme beim AKW Grafenrheinfeld ist deutliches Zeichen, dass der Rückbau vorangeht. Das Ende aber ist kaum abzusehen, auch weil das Zwischenlager noch lange bleibt.
Inhaltsverzeichnis
Über das „Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle“ am früheren Atomkraftwerk (AKW) Grafenrheinfeld bei Schweinfurt in Unterfranken haben VDI nachrichten im Mai berichtet. Nun steht ein viel beachtetes Event an diesem stillgelegten AKW an: die Sprengung der beiden je 143 m hohen Kühltürme. Das werde eine „30-Sekunden-Party“, kündigte der Bauingenieur Matthias Aron vom einstigen AKW-Betreiber Preußenelektra an. Am Freitagabend, 16. August, gegen 18:30 Uhr soll eine Thüringer Sprengmeisterin per Knopfdruck den Zusammenbruch der Betonkolosse einleiten. Dann sollen die bislang weithin sichtbaren Zeichen des letzten nordbayerischen Kernkraftwerks zu Boden krachen.
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Die Türme sind seit der Stilllegung des AKW im Juni 2015 überflüssig. In der Zwischenzeit haben sich offensichtlich Vögel dort eingenistet. Deshalb werde es vor dem eigentlichen Fanfaren-Sprengsignal einen lauten Knall geben, damit die Tiere sich vor der darauffolgenden massiven Dreckwolke aus dem Staub machen können, so Projektleiter Aron.
AKW Grafenrheinfeld – ein „Kraftwerksweltmeister“
Grafenrheinfeld war das erste Vor-Konvoi-Kraftwerk (s. Kasten). Deshalb lag es sowohl bei der thermischen Reaktorleistung – also der Wärmeabgabe der Brennstäbe im Druckbehälter – mit 3765 MW genauso etwas niedriger als die anderen drei wie bei der elektrischen Bruttoleistung von 1345 MW, und auch bei der elektrischen Stromabgabe ans Netz mit maximal möglichen 1275 MW.
Doch obwohl das AKW bei Schweinfurt einige Jahre weniger betrieben wurde als die anderen drei Vor-Konvoier, konnte es tatsächlich mit 227,7 Mrd. kWh eine höhere Nettostromerzeugung bis zur Abschaltung erreichen als jedes einzelne der anderen. Dieser aus Sicht der Betreiber erfolgreiche Betrieb hatte sich schon gleich zu Beginn abgezeichnet: 1983, im ersten vollständigen Betriebsjahr, produzierte es 9,96 TWh Brutto- bzw. 9,41 TWh Nettostrom, damals mehr als jede andere Anlage weltweit. Dies bejubelte das AKW-Team mit dem Begriff „Kraftwerksweltmeister“.
Grafenrheinfeld – die umstrittene Geschichte eines AKW im Frankenland
In der Region rund um das AKW waren die Meinungen gespalten: In der Gemeinde Grafenrheinfeld selber standen die meisten hinter dem Kraftwerk. Das war zum Beispiel bei einer Protestaktion von etwa 1000 Atomgegnern durch die Standort-Gemeinde im Mai 2003 zu erleben. Weil der Protestzug „teilweise von Anwohnern flankiert wurde, lief er insgesamt friedlich ab und machte nur geringen polizeilichen Einsatz notwendig“, wurde damals berichtet. Die Zustimmung in der 3500-Einwohner-Gemeinde ist natürlich auch nachvollziehbar: Das AKW war über die Betriebsjahre ein sehr verlässlicher Gewerbesteuerzahler. Doch auch nach der Sprengung wird wohl weiterhin Geld in den Gemeindesäckel fließen. Denn für Rückbau und Abbruch sind voraussichtlich 1,2 Mrd. € notwendig. Davon profitiert sicherlich auch die heimische Wirtschaft.
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Anders die nahen Städte Schweinfurt und Würzburg sowie die Gemeinden Sennfeld, Gochsheim und Bergrheinfeld. Die standen ziemlich kritisch zum AKW-Betrieb, und zwar von Beginn an. Allen voran: die Stadt Schweinfurt, die sich 1979 erst einmal das Klagerecht gegen die Genehmigung der Anklage vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erstritt. Auch in den 1990er-Jahren gab es Proteste, Klagen auch gegen die Einrichtung des Zwischenlagers 2003. Und bereits 2010 forderten all diese Kommunen in Resolutionen die Abschaltung des Atomkraftwerks. Man beachte: Das passierte vor dem endgültigen Ausstiegsbeschluss der Merkel-geführten Bundesregierung. Der folgte bekanntlich auf den Atom-GAU von Fukushima Daiichi im Jahre 2011.
AKW: Grafenrheinfeld: viele Atomvorfälle, meist unkritisch
In der Zeit zwischen Inbetriebnahme und Abschaltung gab es im AKW Grafenrheinfeld weit über 200 meldepflichtige Vorfälle. Doch wirklich sicherheitsrelevant nach Stufe 1 der siebenstufigen internationalen Skala waren nur zwei. Diese ereigneten sich kurz nacheinander im Juni und Juli 2000. Zunächst wurden bei der jährlichen Revision Mängel an fünf von acht gerade mal ein Jahr zuvor eingebauten Steuerventilen festgestellt. Kurz darauf beschädigte ein Brand den Motor einer Hauptkühlmittelpumpe in unmittelbarer Nähe des Reaktordruckgefäßes.
Erst in diesem Sommer brannte eine mobile Luftfilteranlage im Reaktorgebäude des ehemaligen Atomkraftwerks. Den Brand bekam die Werksfeuerwehr aber schnell wieder unter Kontrolle, wurde berichtet.
Und was passiert jetzt?
Nach der Kühlturmsprengung wird – wie schon seit 2018 betrieben, drei Jahre nach dem Ende der Stromerzeugung – der Rückbau des gesamten AKW weiter andauern; Ende ungewiss. Genauso ungewiss ist, wie lange der Gemeinde Grafenrheinfeld noch die strahlenden Reste der zwischen 1981 und 2015 dauernden „zivilen Nutzung der Kernkraft“ erhalten bleiben werden: die hoch und mittelradioaktiven Stoffe in den beiden Zwischenlager-Gebäuden, deren Gelände direkt an den AKW-Standort grenzt. Ob es mit dem Endlager noch in diesem Jahrhundert etwas wird, steht momentan ja in den Sternen.
Und dann gibt es natürlich noch eine alte Turbine, die als eine Art Denkmal neben dem einstigen, lange verlassenen Infozentrum des AKW aufgestellt ist. Was vom AKW Grafenrheinfeld einst bleiben wird, ist ungewiss.