Akzeptanz der Energiewende hängt an der Bezahlbarkeit
Zum Auftakt der Energiewirtschaftsmesse E-World muss sich die Energiewende dem Kostenargument stellen. Wie raus aus der Preisfalle?

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„Die Transformation der Energiewende ist in vollem Gange, trotzdem stehen wir vor großen Herausforderungen“, skizzierte Niels Ellwanger, CEO des Messeveranstalters Conenergy, heute zum Auftakt der Energiewirtschaftsmesse E-World in Essen die Lage. Ellwanger kennt seine Branche seit vielen Jahren, er weiß, wo der Schuh drückt. Um die Herausforderungen zu bewältigen, „brauchen wir die entsprechende Infrastruktur“, sagte er. Deshalb stelle die E-World in diesem Jahr die Energieinfrastrukturen und die Technik in den Mittelpunkt.
Ellwanger kann heuer mit einer Rekordausstellerzahl (ca. 10 % mehr als 2024) aufwarten und erwartet auch entsprechend noch einmal mehr Gäste. Aber obwohl es in den Hallen brummt wie nie zuvor, scheint die Stimmung gedrückt: Der deutschen Wirtschaft gehts so lala, der deutschen Industrie gehts schlechter.
E-World: Hohe Energiepreise nagen an der Akzeptanz der Energiewende
Schuld an der Misere sind unter anderem die hohen Energiepreise. „Die Akzeptanz der Energie- und Wärmewende hängt eben an ihrer Bezahlbarkeit“, konstatierte die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubauer auf der Auftaktpressekonferenz. Positive Aspekte, wie der deutlich beschleunigte Netzausbau, der mittel- und langfristig zur Kostensenkung beiträgt, gehen dabei leicht mal unter.
„Wir müssen Strom- und Energiekosten senken“, mahnte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die Forderungen, die es derzeit gebe, die Stromsteuern auf das europäische Mindestmaß zu senken, seien „eine richtige Entscheidung“. Generell gelte es sich zu fragen: „Wie kann man die Transformationskosten über einen Zuschuss dämpfen?“ Da, forderte sie, müsse die Politik einen ganzen „Fächer aufmachen, um kosteneffizienter zu werden“.
E-World: Bundestagswahl hat wichtige Gesetze auf die lange Bank geschoben
Und manch Wichtiges, auch kostenwirksame Puzzlestücke der Energiewende, ist mit dem Ampel-Aus erst einmal in Warteposition. Ob der BDEW, der Verteilnetzbetreiber Westnetz oder der Übertragungsnetzbetreiber Amprion – sie alle haben respektable Wunschlisten, was eine neue Bundesregierung denn alles möglichst sofort umsetzen solle. Es liest sich schwer wie eine riesige Entschlackungsaktion, ein Frühjahrsputz für Energiewirtschaft und Energiewende: Preise runter, Regulatorik und damit Bürokratie digitalisieren und vereinfachen, klare Ansagen, aber weniger exakte Vorgaben als vielmehr Zielkorridore, aber dennoch eine langfristige Ausrichtung.
Nichts also, was wirklich neu wäre. Nur manches wie das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) ist eben wieder liegen geblieben. Besser wirds nicht dadurch, vielmehr drängt die Zeit inzwischen massiv: „Das Kraftwerkssicherheitsgesetz gehört auf das 100-Tage-Programm einer neuen Bundesregierung“, so Andreae. Es gelte, das KWSG so zu gestalten, dass Investoren in diese Kraftwerke investieren. Andreae beschwor dabei die Balance im energiewirtschaftlichen Dreieck und betonte dabei vehement die Wirtschaftsseite, da sei etwas aus dem Gleichgewicht geraten.
Industrie sieht sich mit hohen Energiekosten allein gelassen
Kerstin Groß, Hauptgeschäftsführerin der IHK zu Essen, betonte, die Unternehmen ihres Gebietes, die sich in einem langfristigen Strukturwandelprozesse befinden, benötigten „politische Rahmenbedingungen, die diesen Wandel aktiv unterstützen und nach vorne betreiben“. Und was auf jeden Fall nicht geht – und das hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in ihrem Energiewendeparameter dargestellt, dass vier von zehn Unternehmen mit dem Gedanken spielen, Deutschland zu verlassen, weil die Energiepreise nicht belastbar, planbar und nicht mehr wettbewerbsfähig sind. „Das heißt, der Standort kommt ins Hintertreffen“, beschrieb sie die Lage im Revier.
Zudem mahnte sie, dass die „Systemkosten durch den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht durch zusätzliche Steuern und Abgaben ausschließlich bei den Unternehmen abgelagert werden“ dürften. Hiermit bezog sie sich vor allem auf die Stromnetzentgelte, die derzeit die energieintensiveren Unternehmen überproportional belasten würden. Hinzu kämen weitere Abgaben wie die CO2-Zertifikate.
Wie bekommen wir Wasserstoff vor Ort produziert?
Dabei sind die Chancen da, dass die Energiewende zum gewünschten Erfolgsprojekt wird, machte Westnetz-Chefin Katharina Reiche in Essen klar, man dürfe sich nur nicht selbst im Weg stehen. „Deutschland steht an der Schwelle zu einem klimaneutralen Zeitalter“, sagte sie. Das sei aber noch „ein weiter Weg. Die Art und Weise, wie wir die Energiewende umsetzen, wird nicht dazu führen, die Klimaneutralität zu erreichen. Am Ende müssen wir die Klimaneutralität mit allen möglichen technischen Mitteln erreichen.“ Alles müsse auf den Tisch, was zur Klimaneutralität beitragen könne. Entsprechend offen müssten die Vorgaben des Gesetzgebers sein: „Warum heute Lösungsräume verschließen, die wir vielleicht morgen dringend brauchen?“, fragte Reiche, die auch Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates ist. Womit wir beim blauen Wasserstoffs sind, der dringend für den Hochlauf einer nationalen Wasserstoffwirtschaft benötigt werde.
Maximilien Feldes, Geschäftsführer des Landesverbandes erneuerbare Energien (LEE) Nordrhein-Westfalen, betonte, Wasserstoffimporte seien teilweise noch unsicher, was die Mengen und Lieferzeit angeht. „Das heißt, wir müssen die Importe, die es braucht, auch mit der heimischen Produktion ergänzen.“ Nur wer nicht nah am beschlossenen Kernnetz liegt, hat da erst einmal ein Problem, an den gewünschten Wasserstoff zu kommen – ob blau oder grün. Da gelte es kreativ zu überlegen: Wie kriegen wir hier Wasserstoff vor Ort produziert?
Probleme bereitet dabei auch eine Regelung, die auch in anderen Fällen engagierten Unternehmen das Leben schwer macht. Sollte sich ein Unternehmen entschließen, zum Beispiel Strom direkt von einer Ökostromerzeugungsanlage zu beziehen, dann ist diese Direktleitung nur bis zu einer Länge von 5 km erlaubt. Darüber hinaus nicht. In der Praxis ein Chancenkiller, macht Feldes deutlich. „Regularien behindern, dass Industrie- und Gewerbebetriebe in großem Stil mit preiswertem Wind- und Solarstrom beliefert werden können“, klagt Feldes.