Biomasse 17. Apr 2015 Christian Dany Lesezeit: ca. 3 Minuten

Auf die Schnelle Kohle machen

Versuch zur Bioverkohlung: Der Ingenieur Peter Brinkhege erprobt die vapothermale Verkohlung von unterschiedlicher Biomasse in den Druckbehältern seines Kalksandsteinwerkes.
Foto: Brinkhege Biokohle Verfahrenstechnik

Als erste Stadt Deutschlands möchte Halle an der Saale einen Teil seiner Grünabfälle künftig zu Biokohle verarbeiten: Aus 10 000 t Grünschnitt und Herbstlaub sollen durch hydrothermale Carbonisierung (HTC) jährlich 2500 t pflanzliche Kohle entstehen.

Hierzu ist im Vorjahr eine Anlage der Artec Biotechnologie GmbH aus Bad Königshofen/Unterfranken in den Probebetrieb genommen worden. 2015 soll die Demo-Anlage die reguläre Produktion aufnehmen. Das Projekt der Hallenser wird vom Deutschen Biomasseforschungszentrum Leipzig wissenschaftlich begleitet.

Die hydrothermale Carbonisierung oder Inkohlung bildet den in der Natur Millionen Jahre dauernden Kohlegestehungsprozess in wenigen Stunden nach: Biomasse wird unter Luftabschluss bei einer Temperatur um 200 °C einem Druck zwischen 12 bar und 35 bar ausgesetzt. Die Reaktion findet im Wasserbad eines überdimensionalen „Schnellkochtopfes“ statt. Dabei werden von Kohlehydraten unter Energieabgabe Wassermoleküle abgespalten. Verwendet werden kann jegliches organisches Material in fester oder flüssiger Form.

Biokohle lässt sich zwar auch durch Pyrolyse mit Temperaturen um die 1000 °C herstellen. Hier, genauso wie bei der Torrefizierung, einer Art Röstverfahren um 250 °C, ist jedoch in der Regel Holz von guter Qualität nötig.

Vorteil der HTC: Aus Biomassen verschiedener Qualität kann mit geringem Energieeinsatz ein hochwertiger Brennstoff erzeugt werden. „Die Umwandlung eines ‚Eduktes‘, zum Beispiel Stroh oder Rindenmulch, führt zu einer Biokohlenmenge, die circa 20 % bis 35 % geringer ist als die Ausgangsmenge“, erklärt Klaus Serfass,Vorsitzender des Bundesverbands Hydrothermale Carbonisierung.

Wegen des höher konzentrierten Kohlenstoffs könne, so Serfass, abhängig vom Edukt ein Brennwert über dem von Braunkohle erreicht werden. Die HTC-Kohle lasse sich aber auch als Bodenverbesserer (Terra Preta) einsetzen. Nach rund sieben Jahren Forschung und Entwicklung bietet mittlerweile ein halbes Dutzend Anlagenhersteller HTC-Anlagen für den kommerziellen Betrieb an. „Die Technologie ist heute so weit vorangeschritten, dass industrielle Anlagen betriebssicher gebaut werden können“, sagt Serfass, Inhaber eines Ingenieurbüros bei Bremen. Wichtigste Forderung des HTC-Bundesverbands ist der End-of-Waste-Status für Biokohle. Wie Serfass erklärt, kann die Pflanzenkohle mit dem momentanen Abfallstatus nur als „Ersatzbrennstoff“ in dafür zugelassenen Kraftwerken eingesetzt werden. Erforderlich wäre eine Einstufung als Regelbrennstoff gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz. Eine Definition als normierter Brennstoff sei dem Ingenieur zufolge aber äußerst schwierig, weil HTC-Kohle je nach Ausgangsstoff und Produktionsverfahren unterschiedliche Eigenschaften aufweise.

Nach Serfass’ Ansicht ist ein wirtschaftlicher HTC-Anlagenbetrieb ab einer Mindestgröße von 30 000 t/a möglich. In Deutschland werde ein Zugriff auf entsprechende Abfallmengen aber zunehmend schwierig, der Markt sei hart umkämpft. Grünabfälle aus kommunalen Sammelstellen werden bislang überwiegend kompostiert – ohne energetische Nutzung. Hier sieht Serfass ein lohnendes Potenzial für die HTC. Denn bei den Betreibern von Vergärungsanlagen ist das energiearme Material, das auch noch unstetig anfällt, nicht sehr beliebt.

Noch hat die HTC einen weiten Weg vor sich. Ein Beispiel hierfür ist das bei der Entwässerung nach dem HTC-Prozess anfallende Restwasser: Einerseits ist es stark organisch belastet, andererseits weist es Düngerqualität auf. Der Bundesverband leitet zurzeit erste Schritte für eine Düngemittelzulassung des Prozesswassers ein.

Derweil haben die Anlagenhersteller, zum Beispiel die Grenol GmbH aus Ratingen/NRW und die Carbonsolutions GmbH aus Teltow/Brandenburg Verfahren zur Prozesswasserbehandlung entwickelt. Die Suncoal Industries GmbH aus Ludwigsfelde bei Berlin betont die Möglichkeit, das Prozesswasser einer anaeroben Vergärung in einem Faulturm oder einer Biogasanlage zuzuführen.

Mit der vapothermalen Carbonisierung (VTC) kann der Prozesswasseranfall stark eingeschränkt werden. Der Ingenieur Peter Brinkhege hat mit den Druckbehältern seines Kalksandsteinwerkes in Osnabrück schon erfolgreich VTC-Versuche durchgeführt.

Nun möchte Brinkhege zusammen mit einem Investor im Großraum Berlin eine VTC-Großanlage bauen und hat dabei die 200 000 t/a an Grünabfällen plus 70 000 t/a Herbstlaub der Bundeshauptstadt im Blick, zumal die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt stark daran interessiert ist, diese Ressourcen energetisch optimal zu verwerten. Brinkhege hat vor, die VTC-Anlage mit einer Trockenfermentation zu kombinieren. Dann könnten das Prozesswasser gleich als Perkolat für die Vergärung und die Gärreste wiederum zur Carbonisierung genutzt werden. Ein Standort mit Restdampf, wie bei einem Stahlwerk, sei ideal für eine kosteneffiziente Wärmeversorgung.

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