BIOGAS 08. Jul 2019 Heinz Wraneschitz Lesezeit: ca. 3 Minuten

Biogasanlagen für manchen Betreiber einfach zu komplex

Im Herbst letzten Jahres schreckte ein Fernsehbeitrag in „Report München“ die Ökoenergiebranche auf: „Tote Flüsse, große Umweltschäden – Wie Biogasanlagen zum Sicherheitsrisiko werden“. Mit drastischen Bildern wollte der Bayerische Rundfunk zeigen: Landauf, landab platzen hundertfach die Fermenter, also jene Behälter, in denen Bakterien aus Biomasse Methangas produzieren. Doch das ist nur die halbe Wahrheit – die ganze ist viel komplexer.

Biogasanlagen stehen in der Kritik, zu oft Leckagen aufzuweisen, so dass es zu Gewässerverunreinigungen kommt.
Foto: Heinz Wraneschitz

Alles begann in Bayern mit der „Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Harry Scheuenstuhl (SPD) vom 25. 11. 2014“ an die Staatsregierung. Das Landtagsmitglied wollte wissen, wie es um „mögliche Gefahren von Gewässerverunreinigung durch Biogasanlagen in Bayern“ stehe. An den 2330 Biogasanlagen, die es Ende 2013 in Bayern gab, „wurden seit 2004 657 Gewässerverunreinigungen durch die Kreisverwaltungsbehörden registriert“, antwortete das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV).

Erfasst worden seien sowohl Verunreinigungen des Grundwassers als auch von Oberflächengewässern. Es sei nicht unterschieden worden, ob bleibende oder nur vorübergehende Schäden für die Umwelt entstanden seien oder wie schwer die Verunreinigungen gewesen seien.

Die Statistik sagt: Mehr als jede vierte Biogasanlage lief aus. Doch genauer hinzuschauen lohnt sich: Tatsächlich waren „technische Defekte für 102 Gewässerverunreinigungen ursächlich“, also nur knapp für jeden sechsten der 657 Schäden. An den restlichen 555 Gewässerverunreinigungen waren 311-mal „bauliche Mängel“ schuld, an weiteren 244 Fällen „betriebliche Mängel“. Zumindest dieser Teil der Schäden hätte nach Auskunft des StMUV durch sorgsameren Betrieb vermieden werden können.

Die Kreisverwaltungsbehörden, von denen das Ministerium die meisten Schadensmeldungen bekommen hat, schätzen außerdem: „Durch bessere Planung und fachgerechten Bau wären 334 Gewässerverunreinigungen vermeidbar gewesen.“ Das heißt: Den 657 gelisteten Biogasunfällen in Bayern liegen in 79 Fällen „echte“ Pannen zugrunde, also „technisches Versagen“ von Fermentern oder Leitungen.

Der Bericht „Biogasanlagen zukunftssicher betreiben“ des Landes Baden-Württemberg produzierte ähnliche Schlagzeilen wie die bayerische Regierungsantwort. Die Gewerbeaufsicht im Ländle hatte zwischen März 2013 und Februar 2015 721 der insgesamt 850 Biogaskraftwerke unter die Lupe genommen.

Grundlage für die Prüfer war eine einheitliche Checkliste gewesen. Auch in Baden-Württemberg wurden bei jeder vierten Anlage „offensichtliche wasserrechtliche Mängel“ festgestellt. Gleichzeitig waren in der gleichen Kategorie „über 80 % der Anlagen mängelfrei“. Erklärt wird diese Diskrepanz nicht.

Zudem wurden auch solche Mängel aufgelistet, für die der Bund als Gesetzgeber mit Verantwortung trägt: Zum Zeitpunkt des Baus waren andere (Errichtungs-)Vorschriften gültig als zum Zeitpunkt der Kontrolle. Selbst Richtlinien wie die „Technische Regel wassergefährdende Stoffe“ (TRwS), im März 2015 gerade als Entwurf vorhanden und somit nicht bindend in der Umsetzung, wurde berücksichtigt. Auch fanden sich bei vielen Biogasanlagen „schlechte Dokumentationen“, zum Beispiel Bedienungsanleitungen in Fremdsprachen.

Zumindest an jeder zehnten Anlage in Baden-Württemberg traten echte Schäden auf. Vor allem „nicht geschlossene Schieber“, „Überlaufen des Fermenters“, „Versagen des Rührwerkes“ oder „Undichtigkeit im Fahrsilo“ sind im Gewerbeaufsichtsbericht als Hauptursachen genannt. In der Zusammenfassung wird klar, warum die meisten Fehler passiert sind: „Viele landwirtschaftliche Betreiber sind mit der Vielzahl und der Komplexität der geltenden Vorschriften überfordert.“ Die Empfehlung der Überwachungsbehörde: „Regelmäßige Schulungen sowie ein kompaktes, überschaubares Vorschriftenwerk.“

Die für die Betreiber von Biogasanlagen geforderten Inhalte für Sicherheitsschulungen seien bislang ziemlich unkonkret formuliert, heißt es vom Fachverband Biogas (FVB) in Freising. Doch seit die TRGS 529, die klarere „Technische Regel für Gefahrstoffe 529 – Tätigkeiten bei der Herstellung von Biogas“, gelte, habe allein der vom FVB initiierte „Schulungsverbund Biogas in seinen mittlerweile 13 Bildungseinrichtungen über 1500 Leute geschult“, so Lucas Wagner, beim FVB zuständig für Qualifizierung und Sicherheit.

Doch weil pro Anlage zwei „Beschulte“ benötigt werden, könnten die deutschlandweit 16 000 Weiterbildungen nicht „unverzüglich“ durchgeführt werden. Und: Gerade Landwirte bräuchten trotz Schulung Unterstützung. Sogenannte „befähigte Personen sollten deshalb mit weiteren Rechten für Prüfung und Wartung ausgestattet werden“, fordert Wagner mit Blick auf den Gesetzgeber.

Kaum lösbare Probleme sieht Wagner beim Bauzustand bestehender Anlagen. Während neuere Kraftwerke schon mit Betonwällen vor Auslaufen geschützt sind, stelle „die wohl kommende Umwallungspflicht für einige Altanlagen ein großes Nachrüstungsproblem dar“. Auch würden bis heute unterschiedliche Wasserrichtlinien in den einzelnen Bundesländern Schwierigkeiten bereiten.

Vielfach bemängelt wird laut der Studien, dass die „wiederkehrenden Prüfungen“ nicht durchgeführt wurden. Hier weist Wagner darauf hin: Diese Prüfungen müssten von den Behörden oft selbst in Auftrag gegeben werden.

Dass jeder Unfall auf Biogasanlagen einer zu viel sei, dass Lecks in den Fahrsilos für das Substrat, also das Futter für die Bakterien, unter allen Umständen vermieden werden müssten, weil recht giftiger Sickersaft das Grundwasser gefährden könne: Das sieht auch der FVB so.

Deshalb kann man wohl in Freising auch die Forderung der Landtagsfraktionen der Grünen und der SPD nachvollziehen: Beide hatten im Sommer 2015, nach Bekanntwerden der StMUV-Antwort im Landesparlament, „Sonderkontrollen“ beziehungsweise „die sofortige Umsetzung wirksamer Schutzmaßnahmen“ gefordert. Beide Anträge lehnte die Mehrheitsfraktion der CSU ab.

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