Brennende Batterien
Die Universität Ulm ist dem Phänomen auf der Spur, warum Lithium-Ionen-Akkus in Flammen aufgehen können.
Samsung hatte besonders beim Smartphone Note 7 das Problem, Tesla bei verschiedenen E-Mobilen – Lithium-Ionen-Batterien, die in Flammen aufgingen. Weltweit gehen Forschende den Auslösern solcher Batteriebrände nach. Grund dafür sind oftmals astartige Auswüchse (sogenannte Dendriten), die beim Aufladen der Akkus entstehen. Nun haben die Chemiker Wolfgang Schmickler und Elizabeth Santos vom Institut für Theoretische Chemie an der Universität Ulm ein Modell auf atomarer Ebene entwickelt, das erklärt, wie und warum bestimmte Metalle bei der Abscheidung Dendriten bilden.
Feurige Dendriten
Bisher treiben vor allem Lithium-Ionen-Akkus Smartphones, Laptops oder Elektroautos an. Doch gerade für die Anforderungen der Elektromobilität ist die Leistungsfähigkeit dieser Batterien begrenzt. Das Problem: Um Kurzschlüsse zu vermeiden, sind Lithium-Ionen in Grafit eingelagert, was das Volumen und Gewicht der Akkus erhöht – und die Reichweite entsprechend sinken lässt. Batterien mit einer reinen Lithium-Elektrode hätten zwar eine deutlich höhere Energiedichte, neigen jedoch zur Dendritenbildung. Diese astartigen Auswüchse entstehen allmählich beim Aufladen der Batterie an der negativen Elektrode. Wenn sie die Gegenelektrode erreichen, können diese Dendriten im Zusammenspiel mit entflammbaren Elektrolyten einen Kurzschluss verursachen – die Batterie brennt ab. Bisher war allerdings nicht bekannt, warum Metalle wie Lithium Dendriten bilden, Kupfer oder beispielsweise Silber jedoch nicht. Weitere Materialien formieren die gefährlichen Kristallstrukturen erst bei sehr großer Spannung.
Das Modell
Schmickler und Santos entwickelten ein Modell, das die Entstehung der astartigen Dendriten erklärt. Auf dem Ulmer Supercomputer Justus 2 haben die Forschenden quantenchemische Berechnungen mithilfe einer Weiterentwicklung der Density Functional Theory (DFBT+) durchgeführt. Die Dichtefunktionaltheorie ist ein Verfahren zur Bestimmung des quantenmechanischen Grundzustands eines Vielelektronensystems, das auf der ortsabhängigen Elektronendichte beruht (Quelle: Wikipedia).
Die Erkenntnisse
Die Ergebnisse der Forschenden legen folgendes Szenario für die Dendritenbildung nahe: Jedes Metall verfügt über einen sogenannten Ladungsnullpunkt. Wird das Metall bei Potenzialen unterhalb dieses Ladungsnullpunkts – also bei einer negativ geladenen Elektrode – abgeschieden, entstehen die kristallartigen Dendriten. „Bei der Abscheidung bilden sich immer wieder kleine Unebenheiten wie Vorsprünge auf der Oberfläche“, erklärt Schmickler. „Den Gesetzen der Elektrostatik folgend, konzentriert sich die negative Ladung auf den Spitzen solcher Cluster und zieht die positiv geladenen Lithium-Ionen an. Somit wachsen diese Spitzen weiter und bilden schließlich Dendriten.“ Darüber hinaus konnten die Forschenden ein weiteres Phänomen nachweisen, das zur Dendritenbildung beiträgt: Die negative Ladung verkleinert die Oberflächenspannung und fördert damit die Entstehung von Vorsprüngen auf der Oberfläche. Santos und Schmickler vergleichen diesen Vorgang mit Spülmittel, das die Bildung von Blasen im Wasser erleichtert.
Kupfer und Silber dendritenlos
Zwar sind diese Erkenntnisse kompatibel mit bisherigen Forschungsergebnissen. Allerdings haben Schmickler und Santos mit ihren Berechnungen erstmals ein Modell auf atomarer Ebene entwickelt. Dieses lässt sich auf andere Metalle übertragen und erklärt gleichzeitig, warum beispielsweise Kupfer keineswegs anfällig für Dendriten ist. „Bei Metallen wie Kupfer oder Silber ist die Oberfläche bei der Abscheidung positiv geladen. Bildet sich dort ein kleiner Vorsprung auf der Oberfläche, sammelt sich eine positive Ladung an. Diese stößt die positiv geladenen Metall-Ionen ab, das Cluster kann nicht weiter wachsen und Dendriten bilden“, erläutert Elizabeth Santos.
Die Relevanz
Welche praktische Relevanz haben diese Forschungsergebnisse für die Entwicklung hochleistungsfähiger Batterien? Mit ihrem neuen Modell können die Chemiker zeigen, warum einige relevante Materialien Dendriten bilden und andere nicht. Darüber hinaus liefern sie eine Erklärung für die Entstehung der Kristallstrukturen auf atomarer Ebene. „Im Prinzip sagt unser Modell voraus, wie sich die Bildung von Dendriten in aufladbaren Batterien vermeiden lässt“, betonen die Autoren. „Hierfür wäre allerdings ein Lösungsmittel erforderlich, das widersprüchliche Anforderungen erfüllt. Daher haben unsere Ergebnisse zunächst vor allem theoretische Relevanz.“