Brennende Photovoltaikspeicher beschäftigen die Gerichte
Nach den jüngsten Brandereignissen, ausgelöst durch Photovoltaikspeicher verschiedener Hersteller, beschäftigen sich nun Juristen mit der komplexen Situation. VDI nachrichten sprach mit dem Stuttgarter Rechtsanwalt Jochen Schanbacher, bei dem Photovoltaikgeschädigte derzeit Schlange stehen.
Inhaltsverzeichnis
- Photovoltaikspeicher erhöhen das Explosionsrisiko
- Wer übernimmt die Haftung für Photovoltaikspeicher?
- Ursache der jüngsten Brände von Photovoltaikspeichern noch nicht geklärt
- Wer ist Ansprechpartner bei einem gedrosselten Photovoltaikspeichersystem?
- Was passiert, wenn der Käufer eines Photovoltaikspeichers vom Kauf zurücktreten will?
- So werden Photovoltaikspeicher richtig versichert
Wer in eine Solaranlage investiert hat und sich nun an jedem Sonnentag an seinem kostenlosen Solarstromertrag erfreut, macht sich über die juristische Situation seines Kaufvertrags eher selten Gedanken. Dieser Vertrag wird in der Regel zwischen dem Investor und seinem Lieferanten, dem Solarteur, abgeschlossen. Doch spätestens mit der Fernabschaltung von Senec-Speichersystemen im Jahr 2022 und den jüngsten Kapazitäts- und Leistungsdrosselungen, die bei vielen Anlagen noch immer anhalten, fragen sich die Kunden, wie es um Regress, um Schadensersatz und um eine mögliche Rückabwicklung des Kaufvertrags bestellt ist. Rechtsanwalt Jochen Schanbacher gibt Antworten.
VDI nachrichten: Herr Schanbacher, Sie haben sich auf den Bereich der Schadenersatzklagen Photovoltaikgeschädigter spezialisiert?
Schanbacher: Bei uns haben sich nach den Vorfällen mit Photovoltaikspeicher-Bränden verschiedener Hersteller wie Senec und LG in 2022 zahlreiche Mandanten gemeldet, für die wir dann tätig geworden sind. Wir haben in diesem Bereich eine gründliche Expertise aufbauen können.
Energiespeicher legen kräftig zu
Photovoltaikspeicher erhöhen das Explosionsrisiko
Was unterscheidet die Installation eines Lithium-Ionen-Speichers beispielsweise von der einer Gas-, Öl- oder Pelletheizung – unter rechtlichen Aspekten der Brandgefahr?
Die Frage, auf die es hier ankommt, ist, ob die Brandgefahr im Falle der Senec-Speicher einen kaufrechtlichen bzw. garantievertragsrechtlichen Sachmangel darstellt. Der Unterschied liegt bei den Senec-Speichern statistisch betrachtet darin, dass die abstrakte Brand- oder Explosionsgefahr einer Gasheizung um ein Vielfaches niedriger ist als die Explosionsgefahr eines Senec-Speichers. Wenn man die Statistiken des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches betrachtet, dann ist es je 1 Mio. erdgasbeheizter Wohnungen im Jahr 2020 durchschnittlich zu zwei Explosionsvorfällen gekommen, während es bei Senec im Zeitraum von rund zwölf Monaten bei rund 120 000 Anlagen zu mindestens vier Brandvorfällen gekommen ist. Die statistische Wahrscheinlichkeit der Brandgefahr begründet hier nach unserer Auffassung einen Sachmangel. Senec verteidigt sich häufig damit, dass auch von allen anderen elektrischen und akkubetriebenen Geräten eine gewisse Brandgefahr als Technologierisiko ausgeht; allerdings hat sich dieses Risiko bei Senec auch im Vergleich zu anderen großen Batteriespeicherherstellern so verdichtet, dass wir der Auffassung sind, dass hier ein kaufrechtlicher und garantievertraglicher Sachmangel vorliegt.
Solarspeicher: Stand-by vom Hersteller ohne Ansage
Wer übernimmt die Haftung für Photovoltaikspeicher?
Haftet der Hersteller für Schäden, die von seinem Produkt ausgehen, lebenslang, also auch über die Gewährleistungsfrist hinaus?
Der Hersteller haftet im Rahmen der Produkthaftung für Schäden, die sein Produkt verursacht. Dieser Anspruch erlischt zehn Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem der Hersteller das Produkt, das den Schaden verursacht hat, in den Verkehr gebracht hat.
Bei Senec geht es aber darum, ob das Unternehmen im Rahmen der Herstellergarantie für Schäden am Speicher selbst haftet. Diese Garantien sind freiwillig und werden in der Regel für zehn oder für 20 Jahren ausgesprochen; sie sind also deutlich länger als die kaufrechtliche Gewährleistungszeit für Batteriespeicher von zwei Jahren. Dieses Garantieversprechen umfasst auch eine verfügbare Kapazität von 2,5 kWh pro Speichermodul für den Garantiezeitraum.
Update: Erneuter Brand bei Solarspeicher von Senec – Brandursache weiterhin unbekannt
Was ist nach Ablauf der versprochenen Zehnjahresgarantie mit Schäden im Brandfall? Haftet der Hersteller dann noch?
Hier besteht grundsätzlich ein Gleichlauf zwischen der Frist der gesetzlichen Haftung nach Produkthaftungsgesetz für Schäden durch das Produkt und der von Senec ausgegebenen Herstellergarantie für zehn Jahre für Schäden am Produkt. Ein Hersteller haftet in diesem Zeitraum im Rahmen der gesetzlichen Produkthaftung für die Qualität seiner Produkte. So lange haftet Senec im Rahmen der Herstellergarantie auch für Schäden am Speicher selbst. Wenn Kunden eine Garantieverlängerung auf 20 Jahre erworben haben, so haftet Senec sogar länger für die Betriebsfähigkeit der Speicher selbst als für die zum Beispiel in Folge eines Brandereignisses hierdurch hervorgerufenen Schäden.
Ursache der jüngsten Brände von Photovoltaikspeichern noch nicht geklärt
Wer ist bei einem juristischen Streitfall der juristische Gegner – der Solarteur, der die Anlage geliefert und montiert hat, oder der Hersteller der installierten Produkte?
Man muss hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen zwischen Verkäufer und Hersteller differenzieren. Der Verkäufer, also der Solarteur, haftet auf Grundlage des Kaufvertrages für die Beseitigung sämtlicher Sachmängel, die bei Gefahrübergang – also bei Inbetriebnahme – vorlagen und innerhalb von zwei Jahren nach Inbetriebnahme des Speichers auftreten.
Was eine mögliche Brandgefahr angeht, so ist der Verkäufer verpflichtet, diese Brandgefahr zu beseitigen, wenn diese Gefahr durch defekte Zellen entsteht, die schon bei der Inbetriebnahme im Speicher verbaut waren. Dann schuldet der Verkäufer dem Käufer den Tausch der schadhaften Zellmodule. Das wird er in der Praxis natürlich in Abstimmung mit dem Hersteller machen; daher hat der Kunde Ansprüche gegen beide Seiten!
Aber das setzt doch voraus, dass die Zellen beim Kunden defekt sind. Beim jüngsten Photovoltaikbrand eines Speichers von Senec in Burladingen, so der aktuelle Kenntnisstand, ist die Brandursache noch nicht zweifelsfrei geklärt. Es soll sich um einen Einzelfall gehandelt haben und die Drosselung von Anlagen einer bestimmten Gerätegeneration sei rein vorsorglich erfolgt. Also hat der Kunde doch keine rechtliche Handhabe, da sein Speicher vermutlich keine Schäden aufweist!
Nein. Der Beweis, dass gedrosselte Anlagen nicht funktionstüchtig sind, lässt sich dadurch führen, dass Senec nicht alle Speicher, sondern generationsübergreifend nur eine gewisse Anzahl in Kapazität und Leistung reduziert hat. Wenn man sich vor Augen führt, dass es auch Speicher gibt, die nicht gedrosselt sind, dann muss man sich nach den Gründen fragen.
Was sieht die Überwachungssoftware Smart Guard in den Speichern, die gedrosselt wurden, und was sieht Smart Guard in den anderen Speichern, die nicht gedrosselt wurden? Da sehen wir ein starkes Argument dafür, dass ein gedrosselter Speicher nicht voll in Ordnung ist. Wir vermuten eher, dass Senec Auffälligkeiten in der Zellspannung der jeweiligen Module erkannt hat, die mit Smart Guard weiter untersucht werden. Dies spricht für mangelhafte Zellmodule.
Was sollte Senec Ihrer Meinung tun, um juristische Anfechtungen zu vermeiden?
Wir halten eine Wiederinbetriebnahme möglich – so wie es auch in der Shutdown-Phase 2022 der Fall war – wenn Senec schlicht die Module gegen neue tauscht.
Es ist ein Widerspruch, zu behaupten, bei den gedrosselten Speichern sei alles in Ordnung, gleichzeitig wird zwischen einzelnen Speichern differenziert – bestimmte Speicher werden gedrosselt, andere nicht. Wenn Senec so zuversichtlich wäre, dass es keine individuellen Auffälligkeiten in den gedrosselten Speichern gäbe, dann sollte man diese Speicher auch sicher wieder voll in Betrieb nehmen können.
Wer ist Ansprechpartner bei einem gedrosselten Photovoltaikspeichersystem?
An wen sollte sich ein Kunde, dessen System gedrosselt wurde oder noch immer gedrosselt ist, wenden – an den Solarteur oder an den Speicherhersteller?
Primär sollte man sich an den Hersteller wenden, der eine Bauteile- und Kapazitätsgarantie ausgesprochen hat. Es kommt letztlich gar nicht auf die Ursache der Drosselung an; die Herstellergarantie gilt ursachenunabhängig. Es gilt die 100 %-ige Garantie der Ladekapazität.
Hersteller wie Senec möchten das Problem natürlich möglichst kosteneffizient lösen, indem man softwaregesteuert die Funktionsfähigkeit der Speicher wiederherstellt. Wir sagen: Die betroffenen Kunden müssen darauf nicht warten. Die Kunden haben einen direkten Anspruch auf Wiederinbetriebnahme aufgrund der Bauteil-Garantie. Wenn die softwaregesteuerte Inbetriebnahme nicht fristgerecht erfolgt, dann kann die Lieferung neuer Module verlangt werden, mit denen der Speicher dann wieder voll in Betrieb genommen werden kann.
Der Kunde soll seine Ansprüche also primär gegenüber dem Hersteller anmelden. Sind dabei Fristen zu setzen?
Unbedingt. Wir halten eine Frist von zwei Wochen zur Beseitigung von Mängeln – in diesem Fall zum Austausch von Modulen – für angemessen.
Stromspeicher: Photovoltaiknutzer müssen sich weiter in Geduld üben
Was ist mit Kunden, die, von der Fernabschaltung oder Drosselung einmal abgesehen, so verunsichert sind, dass sie vom Kauf zurücktreten und die Anlage gegen Kaufpreiserstattung zurückgeben möchten?
Nach unserer Erfahrung sind weder Verkäufer noch Hersteller zur Kaufrückabwicklung außergerichtlich bereit. Senec war bei den Prozessen gegen die Lieferanten immer beteiligt und dies aus folgendem Grund: Wenn das Gericht feststellt, dass die Brandgefahr einen Sachmangel darstellt, aufgrund dessen der Kaufpreis zurückgefordert werden kann, hätte der Verkäufer weitergehende Ansprüche gegen den Hersteller. Daher holt der Verkäufer immer den Hersteller mit ins Boot. In diesen Fällen ist ein Gerichtsverfahren unvermeidlich, weil die Verkäufer auf Anweisung des Herstellers handeln und beide nicht zu einer Kaufpreiserstattung bereit sind – und schon gar nicht außergerichtlich. Dann sind Sachverständigen-Gutachten erforderlich, weil das Gericht die technischen Hintergründe der Brandgefahr durch einen Experten klären lassen. Solche Verfahren sind meist sehr langwierig.
Was passiert, wenn der Käufer eines Photovoltaikspeichers vom Kauf zurücktreten will?
Ist eine Klage gegen den Solarteur also wenig aussichtsreich?
Das hängt davon ab, was der Kunde möchte. Will er eine zügige Wiederinbetriebnahme seines Speichers, muss er juristisch gegen den Hersteller vorgehen und ihm zumindest eine Frist für den Modultausch setzen. Bei nicht funktionierenden Speichern lässt sich dieser Anspruch auch rascher gerichtlich durchsetzen.
Will der Kunde vom Kauf zurücktreten und den Kaufpreis erstattet bekommen, kann er sich mit seiner Forderung nur an den direkten Geschäftspartner, also den Solarteur, wenden. Die Erfolgsaussichten können hier je nach Einzelfall sehr hoch sein, die Durchsetzung des Anspruchs benötigt jedoch wegen der Dauer des Gerichtsverfahrens deutlich länger. Das Gesetz kennt keine Herstellergarantie; der gesetzliche Regelfall ist, dass im Fall der Vertragsbeendigung oder der Vertragsauflösung zwischen den Parteien, die einen Kaufvertrag geschlossen haben, auch die jeweiligen Leistungen rückabgewickelt werden müssen. Also: Es hängt vom Rechtsziel des Mandanten ab, wer verklagt werden soll – der Solarteur oder der Hersteller.
Wie beurteilen Sie die Aussichten, dass Hersteller wie Senec freiwillig Kaufpreise erstatten oder Module tauschen?
Wir schätzen die Möglichkeit eher gering ein. Auch ein Modultausch ist mit hohen Kosten verbunden. Senec wird häufig versuchen, Kunden hinzuhalten und möglichst per Software-Update das Problem in den Griff zu bekommen. Aber ich meine, dass Kunden nicht warten müssen, bis ein Bug-Fix gelingt, wenn auf der anderen Seite der ordnungsgemäße Zustand durch ein Modultausch herstellbar sein könnte.
Was geschieht, wenn es erneut zu Brandvorfällen kommt und Speicher ein weiteres Mal abgeschaltet oder gedrosselt werden?
Wenn ein Verkäufer zweimal erfolglos versucht, einen Mangel zu beseitigen, kann die Mängelbeseitigung als gescheitert betrachtet werden. Der Käufer muss dann keine weiteren Reparaturversuche hinnehmen. Er kann vom Kaufvertrag zurücktreten und den Kaufpreis beim Solarteur zurückfordern.
So werden Photovoltaikspeicher richtig versichert
Gibt es Unterschiede zwischen privaten und gewerblichen Kunden und gibt es nicht auch eine Grauzone, da viele Privatleute ihre Anlage aus steuerlichen Gründen gewerblich betreiben?
Eine wesentliche Differenzierung gilt bei der Rechtsschutzversicherung. Viele sind zwar rechtsschutzversichert, aber die Versicherungen verweigern die Kostenübernahme mit Hinweis auf die Gewerblichkeit der Anlagen. Privatrechtsschutz greift da gegebenenfalls nicht, wenn die Anlage etwa über eine eigens gegründete GbR betrieben wird. Des Weiteren muss man unbedingt auch die Gebäudeversicherung oder sonstige Sachversicherungen prüfen. Wenn der Speicher im Privatbereich steht, kann es im Schadensfall Probleme geben, wenn die Photovoltaikanlage kleingewerblich genutzt wird. Dann werden Schäden am Privateigentum unter Umständen nicht gedeckt. Bei der Vermengung des privaten und gewerblichen Bereichs können ungeahnte Deckungslücken entstehen.
Aber unabhängig ob privat oder gewerblich: Alle Photovoltaikanlagen-Betreiber sollten darauf achten, dass die Gebäude- oder Hausratversicherungen über die Existenz bzw. Anschaffung eines Photovoltaikspeichers informiert werden. Jeder Photovoltaikspeicher ist ein gefahrerhöhender Umstand. Auch wenn der Speicher ganz privat betrieben wird und die Versicherung von dem Speicher nicht frühzeitig erfahren und eventuell die Versicherungsbeiträge angepasst hätte, kann man im Schadensfall ein Problem mit der Deckung bekommen.