Aus den Unternehmen - Start-up 25. Okt 2019 Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Der Batteriezelle beim Altern zusehen

Münchner Ingenieure bieten der Mobilitätsbranche einen digitalen Zwilling für Batterien. Der soll endlich genaue Lebensdauerprognosen möglich machen.

Im Labor: Zwei Drittel der 35 Twaice-Mitarbeiter arbeiten an Batteriemodellen und Algorithmen.
Foto: Twaice/Kpaou Kondodji

New Mobility World (NMW) nennt sich die Halle, in der sich auf der Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) im September auch ein Start-up aus München präsentierte. Zwei Laptops kämpfen mit Smartphones auf dem kleinen schwarzen Kaffeehaustisch um den Platz, dazu vier Stühle. Das muss Lennart Hinrichs reichen, um in der LAB19 Startup Zone neue Kunden für sein Unternehmen zu gewinnen: Twaice, eine Softwareschmiede, die mit Industrie-4.0-Methodik einen der wichtigen Bausteine für die vollelektrische Elektromobilität liefern will: das Verhalten der Batterie zu verstehen und vorherzusagen. Nichts weniger versprechen die Münchner.

„Was die Batterie interessant macht, ist die Alterung“, erklärt Hinrichs, ein gelernter Betriebswirt, der im Führungstrio als Commercial Director fungiert. „Sie zu verstehen und unter Kontrolle zu kriegen, ist das, was wir machen. Dadurch können wir Herstellern helfen, die Elektromobilität profitabel zu machen.“

Am Versprechen von Twaice hängt im Prinzip das ganze Geschäftsmodell für ein Elektroauto: Wer genau weiß und auch vorhersagen kann, wie sich die Batterie im Auto verhält, wie sie altert, wie also ihre Leistung nachlässt oder wann welche Fehler auftreten, der kann sein Geschäft profitabel betreiben. „Der Gewinn für unsere Kunden, die Automobilhersteller, ist, dass sie bis auf Zelllevel in der Praxis sehen können, wie die Batterie altert. Das ist teilweise sehr inhomogen, je nach äußeren oder auch inneren Einflüssen, zum Beispiel wie das Kühlsystem ausgelegt und angeordnet ist. Das ist sehr wichtig bei der Fahrzeugentwicklung, entweder im Labor oder in Versuchsträgern wie Erlkönigen.“

Ein Grund, warum das Spin-off der TU München, das seit 2018 unterwegs ist, nach Angabe der Gründer Stephan Rohr und Michael Baumann nicht über mangelndes Interesse und Geld klagen kann. „Das unglaublich starke Kundeninteresse und die Erweiterung unseres Teams haben innerhalb von nur sechs Monaten zu einer zügigen Professionalisierung geführt.“ Im Herbst 2018 hatte Twaice in einer ersten Runde 1,2 Mio. € Funding von UVC Partners und Speedinvest eingesammelt. Im Mai dieses Jahres schoben diese beiden und der Berliner VC-Finanzierer Cherry Ventures noch einmal gut 2 Mio. € nach. Hinzu kämen, so Hinrichs, rund 500 000 € durch ein Forschungsprojekt. „Damit sind wir für 18 Monate durchfinanziert, wir werden aber wohl noch einmal die Finanzierung erweitern.“

TWAICE Technologies GmbH: Commercial Director Lennart Hinrichs (Li) und die beiden Gründer, Dr. Stephan Rohr (Mi.) und Michael Baumann. Foto: Twaice/Blende11 Fotografen

Was ist mein Elektroauto nach drei Jahren wert?

Ist das Auto erst einmal verkauft, beginnt für Inhaber, Leasingfinanzierer oder Flottenbetreiber die Aufgabe zu bestimmen, was das Autos nach einer bestimmten Zeit noch leisten kann und was es daher wert ist. Und die Hersteller der Wagen wollen wissen, wie zuverlässig die gelieferten Module arbeiten. „Bei uns sieht man sofort, wenn einzelne Zellen eines Moduls aus dem Ruder laufen, was im Worst Case eine Fehlermeldung beim Modul bedeutet, sodass das dann abschaltet“, erklärt Hinrichs. „Wenn man das vorher sieht, kann man bei feststehenden Wartungsterminen das Modul austauschen, ohne dass der Kunde davon groß etwas mitbekommt.“

Grundlage ist der digitale Zwilling:

Was Twaice dem Kunden liefert, um all das zu bewerkstelligen, ist im Prinzip eine Software, die auf einem digitalen Zwilling basiert. „Wir nehmen Messwerte der Batterie aus deren Batteriemanagementsystem – Strom, Spannung, Temperatur. Diese Daten speisen wir in unseren Algorithmus ein und kreieren damit einen digitalen Zwilling“ so Hinrichs. So entsteht ein Zustandsabbild der Batterie, zum Beispiel über die Kapazität (wichtig für die Reichweite) oder die Innenwiderstände (wichtig für die Leistung und die Ladegeschwindigkeit). Für die beiden Gründer Rohr und Baumann, mit denen Hinrichs zusammen das Unternehmen führt, war im Studium die Beschäftigung mit sogenannten Second-Live-Speichern, der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Dabei geht es um die Weiternutzung von alten Batterien aus Elektroautos für andere Zwecke, etwa als stationärer Speicher. „Das Problem, was alle damals hatten, war, dass keiner wusste, was diese Batterien noch in der Lage waren zu leisten“, so Hinrichs.

Twaice Technologies GmbH
  • gegründet 2018 als Ausgründung der TU München, heute 35 Angestellte.
  • stellt der Mobilitätsbranche eine Batterie-Analytiksoftware zur Verfügung, die – basierend auf digitalen Zwillingen – den Alterungsprozess einer Batterie vorhersagen soll.
  • hat bisher 3,2 Mio. € an Venture-Capital-Finanzierung eingefahren.

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Im Gegensatz zu anderen rein datengetriebenen Ansätzen für die Alterungsmodellierung, so Hinrichs, fahre Twaice zweigleisig: zum einen ein empirisch-analytischer, zum anderen ein datenbasierter Ansatz, die zum digitalen Zwilling kombiniert werden. „Dadurch benötigen wir weniger Daten und können vom ersten Tag Mehrwert stiften. Real haben wir unsere Ergebnisse mit Realdaten von Autoherstellern vergleichen können und die Abweichungen liegen bei unter 1 %.“

Twaice kommt nach Hinrichs Angaben zugute, dass das Thema gerade sehr populär sei. „Die Unternehmen, die derzeit Batterieentwicklung betreiben, sind derzeit so darauf fokussiert, neue Technologien zu entwickeln, dass die Zeit fehlt, das eigentliche Verständnis und die eigentliche Analytik aufzubauen. Das bleibt bisher auf der Strecke.“

Weil es ein neues Feld ist, gibt es nicht viele Spezialisten auf dem freien Markt. Hinrichs spricht von begrenzten Humanressourcen. „Wir sind ein Softwareunternehmen mit sehr viel batteriespezifischem Wissen. Neben Softwareentwicklern arbeiten größtenteils Batterieingenieure bei uns.“ Leute zu finden, ist scheinbar kein Problem: „Es ist eine kleine Community und die Leute kennen sich.“ Viele junge Leute würden eine Arbeitsatmosphäre suchen, in der sie selbstverantwortlich arbeiten können. „Und das können wir bieten.“

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