„Der Kohleausstieg geschieht von selbst“
RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sieht sein Unternehmen für Energiewende und Klimaschutz gut aufgestellt.
VDI nachrichten: Die Kohlekommission hat ihre Arbeit aufgenommen. Sind Sie mit der Zusammensetzung zufrieden, sehen Sie Ihre Interessen vertreten?
Schmitz: Sie meinen sicher die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Da geht es weniger darum, ob unsere Interessen gut vertreten sind, sondern mehr darum, eine breite Meinungsvielfalt abzubilden. Das ist aus der Zusammensetzung gegeben. Wobei ich finde, dass die Wissenschaft zu kurz kommt.
Die Essener RWE AG, Essen, hat derzeit vier Standbeine:
Braunkohle & Kernenergie
europäische Stromerzeugung aus Gas, Kohle, Wasserkraft und Biomasse
Energiehandel
Finanzbeteiligung an der Innogy SE
Beschäftigte:Fast 60 000, davon über 40 000 bei der Innogy SE
Umsatz:44,585 Mrd. €
Nettogewinn973 Mio. €
Quelle: RWE AG, Geschäftsbericht 2017
Welche Wissenschaftsvertreter hätten Sie sich denn zusätzlich gewünscht?
Es bräuchte Energiewissenschaftler, die den Sachverstand der Energiewirtschaft miteinbringen könnten. Aber die Kommission ist so zusammengesetzt, wie sie ist. Da haben wir nicht drüber zu befinden. Das ist eine politische Entscheidung.
Auch das Ergebnis der Kommission wird eine politische Entscheidung sein. Und die Entscheidung wird am Ende die Jahreszahl sein, bis wann der Kohleausstieg vollzogen wird …
… und das finde ich gelinde gesagt Unsinn. Denn es ist einfach falsch herum gerechnet. Wir haben ein Marktsystem, das dazu führt, dass nach dem Auslaufen der Kernenergie jede Kilowattstunde, die mit erneuerbaren Energien produziert wird, automatisch eine Kilowattstunde aus konventioneller Erzeugung verdrängen wird. Deshalb ist die Aufgabenstellung falsch definiert.
CEO der RWE AG seit Oktober 2016, seit Mai 2009 Mitglied im RWE-Vorstand.
tätig in der Energiewirtschaft seit 1986, vor RWE unter anderem bei Steag, Veba, Rhenag, Thüga, Rheinenergie und bei der Eon Kraftwerke GmbH.
promovierter Maschinenbauingenieur (RWTH Aachen).
Wie müsste sie denn aussehen?
Die Netze und die erneuerbaren Energien ausbauen. Der Kohleausstieg ist das zwangsläufige Resultat. Der geschieht dann von selbst.
Doch was machen wir, wenn der Kohleausstieg festgesetzt wird und die erneuerbaren Energien bis dahin nicht ausreichend ausgebaut wurden, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten? Dann ein Zwischensystem aus Gaskraftwerken für acht oder zehn Jahre aufbauen? Das ist nicht sinnvoll. Das kostet nur viel Geld.
Wie stark die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, ist auch eine politische Entscheidung …
Deutschland und Europa haben sich Grenzen gesetzt, wie viel CO2 sie pro Jahr maximal ausstoßen wollen. Wenn sie diese Werte erreicht haben, aber Menschen noch Strom brauchen, um nicht im Dunkeln zu sitzen, dann muss den irgendwer liefern.
Dem Klimawandel ist es egal, ob jemand im Dunkeln sitzt. Mit dem Argument lässt er sich nicht aufschieben. Nur mit CO2-Reduktion ist das möglich.
Wir haben unseren eigenen, klaren Fahrplan. Wir werden unsere CO2-Emissionen im Konzern bis 2030 um 40 % bis 50 % gegenüber dem Jahr 2015 planmäßig senken. Ich würde mich freuen, wenn andere Bereiche – wie der Verkehr, die Landwirtschaft oder der Gebäudesektor – sich gleiche Ziele setzen würden.
Der Einstieg in den Kohleausstieg hat ja längst begonnen. Es soll doch niemand den Eindruck vermitteln, die Kohle würde eine Renaissance erleben. Aber für das Ende des Steinkohlebergbaus haben wir 30 Jahre Zeit gehabt. Vielleicht wäre das auch ein realistischer Zeitrahmen für die Braunkohle.
Dieser Fahrplan gilt für Deutschland. Sie haben aber in ganz Europa Kraftwerke. Wie sehen Sie sich denn hier bezüglich der Energiewende aufgestellt?
Der Fahrplan gilt über die gesamte Flotte. In England haben wir noch ein Kohlekraftwerk, sonst fast nur moderne Gaskraftwerke. In den Niederlanden wird gerade über den Kohleausstieg und CO2-Mindestpreise diskutiert. Da haben wir neben unseren Gaskraftwerken zwei Anlagen, die wir auf Biomasse umrüsten. Das Tolle bei der Biomasse ist, dass sie Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit in einem Kraftwerk bietet. Denn Biomasse kann man lagern. Wir sind in all diesen Ländern auf dem Weg. Das geht leider manchmal unter. Und es muss erst noch gelernt werden, dass wir spätestens ab 2020 der drittgrößte Produzent von erneuerbaren Energien in Europa sein werden.
Für was soll RWE künftig stehen?
Wir stehen dafür, dass wir Strom aus allem, was Sie sich vorstellen können, produzieren. 2020 wird die konventionelle Stromerzeugung nur noch 20 % vom Ergebnis bei RWE ausmachen.
Sehen Sie in den bisher fehlenden Speichertechnologien einen Hemmschuh für die erneuerbaren Energien?
Nein, die werden erst wichtig, wenn der Strombedarf in Deutschland zu 80 % mit erneuerbaren Energien gedeckt wird. Bis dahin werden wir Lösungen gefunden haben. Ob das dann Power-to-Gas oder Power-to-Heat ist, werden wir sehen. Den Ausbau bis 80 % halte ich jedenfalls für realistisch, aber auch ambitioniert.
RWE ist gerade dabei, die Sparte der erneuerbaren Energien von seiner Tochter Innogy wieder zurückzuholen. Jetzt hatten Sie die Sparte gerade erst ausgegründet. Dafür geben Sie jetzt die Netze und den Vertrieb an Eon ab und bekommen auch die erneuerbare Stromerzeugungssparte von denen. Was steckt hinter dem Hin und Her?
Anfang 2015 mussten wir erkennen, dass wir finanziell nicht mehr in der Lage waren, alle Geschäftsfelder weiterzuentwickeln. Damals hatten wir eine Börsenkapitalisierung von 6 Mrd. €, heute sind wir wieder bei 12 Mrd. € bis 13 Mrd. €. Wir mussten also irgendwoher Geld bekommen, vor allem auch, um unsere Verpflichtungen im Rahmen der Kernenergievereinbarung decken zu können. Da war die Ausgründung mit Börsengang der beste Weg. Wir haben Vertrieb, Netze und erneuerbare Energien in ein Unternehmen gepackt und an die Börse gebracht. Es war eine rein finanzielle und nicht strategisch getriebene Entscheidung.
Finanziell hat sie sich auch gelohnt. RWE und Innogy haben jeweils über 2 Mrd. € durch den Börsengang eingesammelt. Warum aber wollen Sie nun wieder ein Stück von Innogy zurück und dann auch noch die Sparte der erneuerbaren Energien von Eon?
Uns war klar, dass wir bei RWE die Produktion von Strom umfassend betreiben wollen und wieder in die erneuerbaren Energien einsteigen würden. Denn die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien und nicht der konventionellen Erzeugung. Wir haben einen Grundlagenvertrag mit Innogy, der besagt, dass wir erst ab 2020 wieder in diesem Geschäftsfeld stärker aktiv werden können. Gleichzeitig hatten wir vor, unseren Anteil an Innogy wertmaximierend einzusetzen, um größere unternehmerische Freiheit zu bekommen. Und Eon war der perfekte Käufer. Denn mit dieser Transaktion bekommen wir nicht nur die erneuerbaren Energien von Innogy zurück, sondern diese Sparte auch von Eon.
Im Gegenzug geben Sie Eon die Sparten Vertrieb und Netze. Die galten lange Zeit als krisensicher. Hat Eon da nicht den besseren Deal gemacht, die haben jetzt das entspannte Geschäft und Sie müssen mit RWE die Energiewende im eigenen Unternehmen erst noch stemmen?
(lacht) Ich habe möglicherweise die noch spannenderen Aufgaben bekommen. Aber auch Eon wird sich nicht langweilen. Heute im Vertrieb erfolgreich zu sein, ist ebenfalls spannend. Hier wird sich viel ändern, und es muss investiert werden. Das Netz intelligent zu machen, wird ebenfalls eine interessante Herausforderung für Eon. Was aber deutlich ist und sich in Europa weiterentwickeln wird, ist: die Stromerzeugung auf der einen, Netz und Vertrieb auf der anderen Seite. Unternehmen werden nicht mehr alle Wertschöpfungsstufen in der kritischen Größe bespielen können. Es gibt eine klare Trennung zwischen der Erzeugung von Strom und zwischen Netz und Vertrieb. Die Zeit der integrierten Energiekonzerne ist meines Erachtens vorbei.
Bei Innogy gab es eine Strategie, die da sagte: Wir haben nicht so viel Geld, das alles selbst zu machen, wir müssen uns Partner suchen, auch große Partner. Ist das auch die Strategie für den Gesamtkonzern?
Für die einzelnen Projekte stellt sich immer die Frage, macht es Sinn, die zu 100 % zu halten oder lieber Partner reinzuholen und das Risiko zu streuen. Das werden wir uns genau anschauen und jetzt die Teams, die die Arbeit machen, einbinden in die Diskussion. Sie wissen, wo die Märkte zu finden sind, wo sie Schwerpunkte setzen. Das Einzige, was wir vielleicht besser bieten können als eine Mutter Eon oder Innogy, ist: Wir können das auch finanzieren.
Banken ziehen sich aus klimakritischen Technologien zurück. Die sagen sich dann: RWE will zwar für eine Solaranlage Geld in die Hand nehmen, hat aber noch Kohle – da investieren wir nicht. Spüren Sie das?
Zunächst: Das trifft uns aktuell nicht. Wir sind quasi schuldenfrei. Aber generell haben wir dafür kein Verständnis. Ich könnte verstehen, wenn eine Bank ein neues Kohlekraftwerk ablehnte. Aber dass man mit einem Unternehmen wie unserem, das sich gerade vollkommen transformiert, insgesamt keine Geschäfte mehr macht, das wäre nicht nachvollziehbar
Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wir haben einen klaren Fahrplan: Wir senken unsere CO2-Emissionen um 40 % bis 50 % bis 2030. Da muss ich nicht gezwungen werden. Wir machen das rein aus unserem Geschäft heraus.
Alles ist getrieben vom Weltklimavertrag in Paris. Die Finanzströme sollen global in die richtige, dekarbonisierte Richtung laufen …
Schon aus Risikogesichtspunkten macht es aus Bankensicht keinen Sinn mehr, die Finanzierung eines neuen Kohlekraftwerks zu übernehmen. Das ist für mich absolut fair und in Ordnung. Nur: Ein Unternehmen gänzlich auszuschließen, das halte ich wirklich für ganz schlimm. Insbesondere dann, wenn das Unternehmen deutlich mehr als andere beweist, dass es in der Transformation längst unterwegs ist.
Was halten Sie von der Energiepolitik der Großen Koalition?
Ich würde gern mit einer Gegenfrage antworten. Was ist die Energiepolitik der Großen Koalition?
Sie sprechen sicherlich häufiger mit Herrn Altmaier, als das bei uns der Fall ist …
Der Wirtschaftsminister hat viele andere Themen wie Zölle auf dem Tisch, die sehr dringend sind. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft in Folge der Handelsbeschränkungen sind dramatisch. Denken Sie nur an die Automobilindustrie. Da steht die Energiepolitik etwas hintenan.
Unsere Mitarbeiter wie auch das Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Deshalb halte ich es für gut, wenn aus der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ heraus der Versuch gestartet wird, Hinweise zu geben. Umsetzen muss das dann die Politik. Es geht am Ende immer um die Frage der konkreten Ausgestaltung einzelner Aspekte.
Warum sollten junge Ingenieure zu Ihnen kommen? Warum sollten die gefragten Frauen, die technische Berufe studieren, zu RWE gehen und nicht zu einem Vertreter der Ökoenergie?
Junge Ingenieurinnen und Ingenieure, die zu uns kommen, haben die Chance, überall mitzugestalten – bei den konventionellen, aber auch bei den erneuerbaren Energien.
Ich bin nach dem Studium in die Energiewirtschaft eingestiegen, bei Steag als Kraftwerksplaner. Für mich ist das immer eine faszinierende Technologie gewesen. Großtechnologien in dem Sinne von Kernenergie oder Braun- und Steinkohle werden in Deutschland zunehmend an Bedeutung verlieren. Dafür gibt es dann andere spannende Technologien wie erneuerbare Energien oder Speichertechnologien. Die haben die Zukunft noch vor sich.
Da gibt es große Unterschiede zu anderen Branchen. Wenn Sie bei uns etwas planen, dann planen Sie nicht fünf Jahre lang den rechten Außenspiegel. Sie planen ein System, sie planen Bestandteile eines Systems, die aber alle ziemlich groß sind. Daraus habe ich meine Begeisterung geschöpft. Eine kleine Verbesserung hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit, und deshalb können wir auch entsprechend viel Geld in die Hand nehmen. Das Nachdenken über komplexe Systeme und Techniken macht es so spannend für Ingenieure bei uns.
Worüber wollen Sie denn bei RWE in Zukunft nachdenken?
Wir müssen darüber nachdenken, wie wir in den kommenden Jahrzehnten die Versorgungssicherheit gewährleisten.
Wie geht das? Welche Technologien kommen dann? Wie kann ich unsere Anlagen noch flexibler machen? Wir haben ja in den letzten Jahren schon sehr viel umgebaut. Ich kann heute ein Braunkohlekraftwerk fast so schnell hoch- und runterfahren wie eine Gasturbine.
Bei Speichertechnologien wollen wir vorneweg mit dabei sein, denn wenn wir eine tolle Speichertechnologie finden, dann brauchen wir keine konventionellen Kraftwerke mehr. Das ist mir vollkommen klar. Aber das wird noch dauern.
Wir werden mit Sicherheit Power-to-Gas machen – nicht in Deutschland, aber in anderen Ländern, wo sehr viel mehr Sonne ist, um damit Synfuel (synthetischen Kraftstoff, Anm. d. Red.) herzustellen. Da ist meiner Meinung nach viel Musik drin.
Wir stellen uns sehr international auf. Wie anders soll der Verkehr denn sonst klimaneutral werden? Ich zumindest glaube nicht an die 100 %ige Elektromobilität.
Und Flugzeuge kommen unglaublich schlecht mit den Batterien hoch. Im Flottenverkehr kann ich mit neuen Konzepten viel machen, aber es wird ja schon schwierig im Schwerlastverkehr. Ob es die beste Lösung ist, Oberleitungen über die Autobahn zu bauen? – Mal sehen. Oder ob es nicht doch Sinn macht, in einem sonnenreichen Land für 2,5 Cent/kWh Solarstrom zu gewinnen, daraus Wasserstoff zu machen und daraus dann Synfuel zu erzeugen.
Was bedeuten für RWE Schlagworte wie künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung oder Industrie 4.0?
All das bezeichnet für mich derzeit einen normalen Entwicklungsprozess im Technologiebereich, keinen disruptiven. So wie sich Technik früher von der Mechanik zur Pneumatik und zur Hydraulik entwickelt hat, so ist der nächste Schritt jetzt die Digitalisierung. Das heißt: Ich mache meine Prozesse anders, ich mache sie effizienter, ich kann über KI mehr Mustererkennung betreiben, zum Beispiel in der Wartung – aber die Turbine, die ich warte, ist immer noch die gleiche.
Es ist aber möglicherweise für die Unternehmen, deren Geschäft die Wartung von Anlagen ist, disruptiv, weil die Intelligenz dann in der Zentrale sitzt, und der Mitarbeiter vor Ort setzt seine Brille mit Kamera auf und bekommt genau gesagt, was er zu tun hat. Der Kollege selbst muss gar nicht mehr genau wissen, warum das die richtige Lösung für das Problem ist. KI und Digitalisierung helfen dort also, hoch qualifizierte Mitarbeiter effizienter einzusetzen. Dadurch kommt der Wandel in die Unternehmen.
Also: Zukünftig ohne Innogy hat RWE dann keine Netze mehr, keinen Endkundenvertrieb. Dann ist die Digitalisierung gar nicht mehr das große Megathema für Sie?
Doch. Wir bekommen im Energiehandel jetzt die Blockchain-Technologie dazu, und wir müssen jetzt sehen, wie wir zusammen mit den Handelspartnern damit arbeiten können.
Disruptive Änderungen erwarten Sie in Ihrem Geschäft nicht?
Die erwarten wir in der Vermarktung, im Zusammenschalten von Anlagen. Das heißt, ich muss immer mehr Daten aufnehmen, um das Stromversorgungssystem steuern zu können.
Wir glauben, dass wir als RWE da besonders gut sind, weil wir mit der RWE Supply & Trading eine große Handelsplattform haben, weil wir wissen, wie man große Anlagenparks steuert, und weil wir sowohl fossile wie auch regenerative Energieerzeugung erfolgreich betrieben haben und auch zukünftig betreiben werden.
Wir wissen, wie wir die verschiedenen Anforderungen an Versorgungssicherheit kombinieren können und wie wir damit Geld verdienen können.
Hackerangriffe gegen die Energiewirtschaft mehren sich. Was tun Sie da?
Was kritische Infrastrukturen angeht, sind wir in engem Austausch mit dem BSI. Der erste Schritt ist, bei kritischen Infrastrukturen die Verbindung zur Außenwelt zu kappen. Das bekannteste Beispiel dafür sind Kernkraftwerke. Ein Kernkraftwerk funktioniert ohne Verbindung zur Außenwelt. Das können wir auch in anderen kritischen Infrastrukturen gewährleisten.
Bauen Sie dafür im Unternehmen die Kompetenz auf?
Wir haben die Kompetenz, schon seit Jahren. Das ist nichts Neues. Für die Kernenergie gilt das seit den Anfängen. In den letzten Jahren ist einfach die Kommunikationsinfrastruktur hinzugekommen.
Die Gefährdung über das Netz wird heiß debattiert, über Gefahren durch Terror aber wird kaum noch gesprochen. Warum?
Ich glaube, wir haben deutlich machen können, dass wir für unsere Anlagen einen ausreichenden Schutz gewährleisten können. Das kann man am besten, wenn nicht dauernd darüber geredet wird, wie man ihn tatsächlich gewährleistet.
Wonach halten Ihre Technologiescouts heute Ausschau?
Uns interessiert vor allem, wie wir mit anderen als den heutigen Methoden Versorgungssicherheit herstellen können. Zukünftige konventionelle Anlagen zur Herstellung von Versorgungssicherheit werden recht einfache Anlagen sein. Das Alleinstellungsmerkmal mit komplizierter Großtechnologie werden wir verlieren. Aber das dauert noch 20 Jahre.
Zweiter Schwerpunkt ist: Welche Technologiesprünge sind noch im Bereich der erneuerbaren Energien machbar? Was kann noch in der Photovoltaik kommen? Sind schwimmende Plattformen die große Zukunft des Offshore-Winds? Oder doch die Flugdrachen?
Brauchen Sie dafür nicht junge Leute mit neuen Ideen? Und wie viele?
Wir brauchen nicht nur Ingenieure, wir brauchen Menschen mit zwei Eigenschaften: junge Menschen, die die neuen Technologien schon kennen und damit aufgewachsen sind. Das andere sind Charaktere, die auch mal querdenken können.
Also kommen inzwischen ganz andere Leute zu RWE als früher?
Ja, aber wir müssen sie auch aktiv ansprechen. Wir brauchen Ingenieure, aber wir brauchen auch die Wirtschaftswissenschaftler, wir brauchen die Nerds – wir brauchen sie eigentlich alle.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wenn wir in Zukunft Projekte mit erneuerbaren Energien machen, dann ist das Finanzengineering mindestens genauso wichtig wie das technische Engineering. Dafür brauchen wir die entsprechenden Experten.
Hintergrund ist, dass zum Beispiel bei einem Offshore-Windrad die Hauptkosten beim Bau der Anlage anfallen. Man zahlt quasi den Brennstoff beim Bau für die nächsten 20 Jahre gleich mit. Die Betriebskosten sind viel geringer als bei konventionellen Anlagen, die Baukosten im Vergleich höher – und das darf auch sein. Das heißt aber auch: Wir müssen sehr genau schauen, wie sich die Wirtschaftlichkeitsberechnung über die nächsten 20 bis 30 Jahre darstellt. Und da geht es auch um das Finanzierungskonstrukt. Finanzengineering wird daher für uns immer wichtiger.
Braucht die Energiewirtschaft im Rahmen der Digitalisierung einen anderen Mindset?
Einen Mindset zu haben, was es an neuen Entwicklungen und Möglichkeiten gibt, ist für einen Ingenieur unabdingbar.
Ein F & E-Bereich braucht Scouts, die neue Trends, Neuentwicklungen und Technologien aufspüren. Was könnte kommen? Was ist der nächste Black Swan?
Haben Sie jetzt auch noch Scouts?
Ja, aber nicht mehr über die gesamte Breite. Wir haben damals den Photovoltaik-Black-Swan nicht kommen gesehen. Das passiert uns nicht noch mal. Der nächste Black Swan könnte die Batterie sein. Wir haben viel gelernt, wie man sein Denken umstellt und Fragen anders stellt.
Beispiel künstliche Intelligenz: Das hat es schon zu Zeiten meines Studiums gegeben. Was man mit KI machen kann, wenn die Technologie zur Verfügung steht, das wurde damals schon vorgedacht. Jetzt kann es umgesetzt werden. Der Sprung ist gekommen, weil Rechnerleistung sowie Datenspeicherplatz nahezu unbegrenzt sind und weil Speicherplatz fast nichts mehr kostet.
Ich bin persönlich davon begeistert, was da passiert. Wie wir zum Beispiel unser Gesundheitswesen mit KI umstellen können! Es ist unabdingbar, dass auch wir bei RWE uns mit diesen Themen sehr intensiv beschäftigen und mit den Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Die werden revolutionär sein.
Ich glaube, dass wir in den kommenden zwölf Jahren durch die Digitalisierung und insbesondere durch KI eine stark veränderte Arbeitswelt bekommen werden. Wie das aussieht, vermag niemand zu sagen. Deshalb wundere ich mich, dass wir heute schon vorhersagen wollen, wie die Welt in 30 Jahren aussieht. Ich weiß nur eines: All diese Entwicklungen, die da kommen werden, benötigen Strom. Und den liefert RWE.