Deutsche Industrie investierte 2021 deutlich mehr für Energieeffizienzmaßnahmen
70 % der Unternehmen wollen ihre Produkte klimaneutral anbieten, so der Energieeffizienz-Index (EEI) des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart. Die Dekarbonisierung ist als Leitidee inzwischen in der Breite in der Industrie angekommen.
Die Investitionen in Effizienzmaßnahmen sind im vergangenen Halbjahr wieder deutlich gestiegen. Das sagt die Wintererhebung für den halbjährlich erhobenen Energieeffizienz-Index (EEI) der deutschen Industrie. Alle sechs Monate erstellt ihn das Instituts für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart. Vor dem aktuellen Anstieg war der Index zuletzt stark eingebrochen. Die Energieproduktivität sei weiter rasant gestiegen, so das Forschungsteam um EEP-Leiter Alexander Sauer. Insgesamt wollen 70 % der befragten Unternehmen ihre Produkte klimaneutral anbieten.
Nach Angaben von EEP-Forscher Christian Schneider weist speziell der Teilindex für Produktivität den stärksten Anstieg seit der Frühjahrserhebung 2015 aus. Hintergrund, so Alexander Sauer: „Die aktuelle Situation mit steigenden Energie- und Emissionspreisen sowie der Wechsel in der Bundesregierung lassen Bestrebungen zur Effizienzsteigerung offenbar wieder steigen.“ Ein anderer Teilindex, der für die Investitionen, hat sich nach einem starken Rückgang nur leicht erholt. Beim Gesamt-EEI-Index, so Schneider habe sich seit 2018 eine Art Sägezahnmuster der halbjährlichen Erhebungen bei einem gleichzeitigen leichten Rückgang herausgebildet. Die Erwartungslage sei jedoch für die nächsten zwölf Monate sehr positiv.
Industrie fordert Hilfe der Politik bei Energieeffizienzmaßnahmen
Die Mehrheit der Unternehmen (66 %) hält ordnungspolitische Elemente für notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Über 70 % der Befragten wünschen sich hierbei Unterstützung. EEP-Leiter Sauer: „Die Planungszeiten müssen verkürzt werden, für mehr Planbarkeit muss die Emissionsbepreisung vereinheitlicht werden. Die Unterstützungsmaßnahmen sollten auf die verschiedenen Akteursgruppen angepasst sein.“
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Es sei weiterhin wichtig, Risiken zu senken, indem Energie, Fachkräfte, Rohstoffe und Material zu einem bezahlbaren Preis sicher verfügbar seien. „Auch die Planungs- bzw. Projektierungskosten in einem für viele Unternehmen neuen Feld müssen überschaubar sein, damit wir global konkurrenzfähig bleiben“, weiß Sauer. Immerhin machten sich der Erhebung zufolge 59 % der befragten Firmen Sorgen darum, international ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
Energieeffizienz und Dekarbonisierung hängen zusammen
Einen besonderen Schwerpunkt bildeten in der aktuellen Befragung die Bereiche, sogenannte Scopes, in denen die Unternehmen Treibhausgase einsparen wollen, sich also dekarbonisieren: Scopes werden im Fachsprech diejenigen Bereiche genannt, in denen sich die Unternehmen um Klimaschutz und Dekarbonisierung kümmern:
- Scope1: Werk und Fuhrpark,
- Scope 2: eingekaufte Energie,
- Scope 3: alle anderen Emissionen inklusive vor- und nachgelagerter Lieferkette.
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Der Anteil derer, die bereits an der Dekarbonisierung der eingesetzten Energiequellen arbeiten, also dem Scope 2, ist am höchsten (78 %). „Das wundert uns nicht, denn dies ist relativ leicht über eine Umstellung der Lieferverträge zu erreichen“, so Sauer. „Aber angesichts des stockenden Ausbaus erneuerbarer Energien besteht die reale Gefahr, dass nicht schnell genug ausreichend emissionsfreie Energie auf dem Markt verfügbar ist und die Dekarbonisierung der Unternehmen dadurch ausgebremst wird.“
Dekarbonisierung in der deutschen Industrie auf gutem Weg
Hilfe bei der Dekarbonisierung benötigen sie nicht, sagte die Mehrheit der befragten Unternehmen. Über alle Bereiche hinweg sind es nur jeweils etwas mehr als 10 %, die zum Beispiel sagten, sie bräuchten finanzielle Unterstützung. Einen Hilfsbedarf gibt es jedoch bei der Umsetzung der Dekarbonisierungsanstrengungen beim Scope 1 – wie also bringt ein Unternehmen das im eigenen Werk auf die Straße.
Der Scope 3, also die Emissionen sowohl der vor- wie auch der nachgelagerten Lieferkette zu dekarbonisieren sei, ist laut Sauer, prinzipiell besonders anspruchsvoll. Ursache sei, dass die Emissionen des Scope 3 größtenteils außerhalb des Einflusses der Unternehmen lägen. Dennoch ist der Anteil der Unternehmen, die sich vorgenommen haben, diese Emissionen zu reduzieren, mit 75 % überraschend hoch. Die allermeisten stünden hier jedoch noch am Anfang.
Unternehmensnetzwerke für Energieeffizienz
Zu unterscheiden sind einerseits Firmen, die den Ansatz verfolgen, die Dekarbonisierung in Scope 3 durch die Umstellung von Lieferverträgen zu erreichen. Wie stark dies erfolgt, ist auch branchenabhängig. Andererseits verfolgen andere Branchen und Unternehmen eher einen integrativen, kooperativen Ansatz in Netzwerken.