Die deutschen Atomkraftwerke könnten etwas länger laufen
Die von Russland geschürte Energiekrise hat eine Diskussion um Laufzeitverlängerung für die drei noch laufenden Kernkraftwerke in Deutschland ausgelöst. Was aber müssen wir beachten, wenn die drei noch laufenden Kernkraftwerke in Deutschland länger in Betrieb bleiben sollen? Ein Faktencheck.
Aus dem lange geplanten stillen Abschied Deutschlands von der Kernenergie wird nichts. Sogar die Wiederinbetriebnahme der drei erst am Jahreswechsel 2021/22 abgeschalteten Reaktoren steht plötzlich zur Debatte. Dabei geht es – neben grundsätzlichem Pro oder Contra – vor allem um die technischen, wirtschaftlichen und juristischen Herausforderungen einer kurzfristig anberaumten Laufzeitverlängerung. Schließlich hat die 13. Novelle des Atomgesetzes im Juli 2011 einen verbindlichen Ausstiegsfahrplan aufgestellt, auf den sich alle Seiten eingestellt haben. Abzulesen ist das etwa an den gesetzlich erlaubten Elektrizitätsmengen, die die drei noch laufenden Reaktoren bis zum Jahresende erzeugen dürfen. Im ersten Halbjahr 2022 erzeugten die Kraftwerke 5,6 % der deutschen Bruttostromerzeugung von 299,2 TWh, so die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen.
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Das Bundesamt für die Sicherung der nuklearen Entsorgung meldet diese exakt, mittlerweile sogar im Monatsrhythmus. Die aktuelle Meldung zum 31. Mai verzeichnet für die restlichen sieben Monate des Jahres eine erlaubte Gesamtmenge von gut 18 500 GWh. Das entspricht etwa sechs Monaten Erzeugung. Nach Einschätzung von Michael Sailer, ehemals Sprecher der Öko-Institut-Geschäftsführung, haben die Betreiber von Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland ihre Reaktorkerne im Prinzip so aufgebaut, dass der spaltbare Brennstoff Ende 2022 auch verbraucht ist. „Die Frage ist, wie viel Zusatzversorgung der Betreiber eingeplant hat“, so der Atomkritiker, dessen Expertise auch im anderen Lager anerkannt wird.
Wie lange die Laufzeit der Brennstäbe der Atomkraftwerke noch gestreckt werden könnte, ist noch nicht klar
Für Isar 2 hat der TÜV Süd dies in einer Stellungnahme für die bayerische Staatsregierung beziffert: Mit dem aktuellen Kern könne im sogenannten Streckbetrieb noch 80 Tage weiter produziert werden, 2200 zusätzliche Gigawattstunden wären so möglich. Offenbar gibt es darüber hinaus noch einen Vorrat an Brennelementen, der den Betrieb für weitere drei Monate oder 2960 GWh erlaubt.
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„Bei Emsland und bei Neckarwestheim sind die Daten nicht so öffentlich“, erklärt Uwe Stoll, technisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln. Allerdings sei bekannt, dass beide Blöcke schon in ihrer regulären Laufzeit in den sogenannten Streckbetrieb gehen, also kontrolliert ihre Leistung verringern, um den Kern länger nutzen zu können. Dieser Streckbetrieb gehört zu den normalen Maßnahmen, um die reine Produktionszeit eines Reaktorkerns zu verlängern. Dabei wird die Kühlwassertemperatur langsam abgesenkt, damit die Kettenreaktion weiterläuft und die Ausbeute aus den Brennelementen maximiert wird.
Um die Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, müsste das Atomgesetz geändert werden
Die Kernkraftwerke über das Jahresende mit verringerter Leistung weiterlaufen zu lassen, ist aber nicht ohne Änderungen im Atomgesetz möglich. Darin hat der Gesetzgeber festgesetzt, dass die drei letzten Anlagen am 31. Dezember die Erlaubnis zur Stromerzeugung verlieren. Auch die maximale Stromerzeugung ist dort fixiert. „Beide Änderungen wären mit einem extrem schlanken Änderungsgesetz möglich, aber es muss natürlich der politische Wille vorhanden sein“, erklärt der auf Atomrecht spezialisierte Rechtsanwalt Christian Raetzke, der für die bayerische Staatsregierung eine juristische Einschätzung verfasst hat.
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