Energiewende 16. Mrz 2023 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Erneuerbare Energien: Ausbau geht Wirtschaft nicht schnell genug

Branchenübergreifend fordern 92 % der Unternehmensverantwortlichen, den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland noch stärker voranzutreiben, so eine heute (16. 3. 2023) vorgestellte Studie. Gestern erst hatte das Umweltbundesamt die Treibhausgasbilanz für 2022 vorgestellt und betont, die Klimaschutzziele hätten nur dank des Ausbaus von Ökoenergien knapp erreicht werden können.

Nach Angaben der Studie „Nachhaltigkeit im internationalen Vergleich“ der Managementberatung Horváth bemängelten rund zwei Drittel fehlende Transparenz in Hinblick auf den Status quo des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland. Unklarheit besteht vor allem darüber, in welchen Bereichen (Industrie, Landwirtschaft, Gebäude, Verkehr etc.) Deutschland in puncto CO2-Emissionen aktuell wo genau steht und welche Maßnahmen konkret ergriffen werden müssen, um die bis 2045 avisierte Klimaneutralität zu erreichen.
Foto: PantherMedia / Jens Ickler

Nach Angaben der Studie „Nachhaltigkeit im internationalen Vergleich“ der Managementberatung Horváth bemängeln rund zwei Drittel fehlende Transparenz in Hinblick auf den Status quo des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland. Die 180 befragten Firmenchefinnen und -chefs aus Unternehmen mit mindestens 100 Mio. € Jahresumsatz fordern zudem konkrete Maßnahmen zur Erreichung von Klimaschutzzielen. Es bestehe die Gefahr, so ist die Sorge, dass Deutschland bei erneuerbaren Energien auf lange Sicht seinen Vorsprung verspiele – weil andere Länder sich inzwischen eindeutig positionierten und entschlossen agierten.

Wie wir in Deutschland am besten den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen

Bis 2030 will die deutsche Bundesregierung 80 % des Stromverbrauchs im Land mit Ökostrom decken. Der Horváth-Umfrage zufolge fordern 92 % der Befragten, den Ausbau dieser Anlagen noch stärker und zielgerichteter voranzutreiben. Die Forderung der Unternehmensführungen nach mehr Transparenz beim Erneuerbarenausbau bezieht sich vor allem darauf, dass Unklarheit darüber besteht, in welchen Bereichen (Industrie, Landwirtschaft, Gebäude, Verkehr etc.) Deutschland in puncto CO2-Emissionen aktuell wo genau steht. Darüber hinaus wollen die Befragten erfahren, welche Maßnahmen konkret ergriffen werden müssen, um die bis 2045 avisierte Klimaneutralität zu erreichen. 64 % geben diese Einschätzung in der Studie zu Protokoll.

Ausbau erneuerbarer Energie im globalen Vergleich nicht besonders ambitioniert

„Die von der Bundesregierung verkündeten Programme und Pläne ergeben für viele Verantwortliche aus der Wirtschaft noch kein überzeugendes Gesamtbild und erscheinen angesichts des steigenden Energiebedarfs auch nicht ausreichend“, sagt Helmut Ahr, CEO der Managementberatung Horváth. Als Beispiel nennt er die angekündigten 10 000 neuen Windräder, die bis 2030 durch das Beschleunigungsgesetz für schnellere Genehmigungsverfahren installiert werden sollen. „Das klingt viel, ist bei genauerer Betrachtung aber gebotenes Mindestmaß und im internationalen Vergleich auch nicht besonders ambitioniert“, so Ahr.

EU: Souveränitätsfonds für erneuerbare Energien als Antwort auf Protektionismus der USA

„Der Wettstreit um grüne Energieträger, strategische Partnerschaften und Speichertechnologien ist in vollem Gang“, so der Horváth-CEO mit Blick auf internationale Vergleichsstudien seines Hauses zum gleichen Thema. Die gute Nachricht: Die deutsche Wirtschaft sei bereit, „notwendige Preiserhöhungen zu tragen, und stabil genug, sie zu verkraften“. Zudem trieben die Unternehmen ihre eigenen Klimaziele mit Hochdruck voran und seien optimistisch, sie zu erreichen. Größte Hürde für die Erreichung der Dekarbonisierungsziele in Deutschland seien für die Industrie die Einsparungen und die Ablösung der Energieträger Öl, Kohle und Gas.

Erneuerbare sichern deutsches Klimaschutzziel für 2022

Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamts in Dessau, zeigt auf der Bundespressekonferenz am 15. März 2023 eine Grafik. Auf ihr sind die deutschen Treibhausgasemissionen nach Sektoren (durchgezogene Linien) sowie eine Prognose (gestrichelte Linien) für 2022 aufgetragen. Foto: IMAGO/Political-Moments

Wie wichtig ein zielgerichteter und ambitionierter Ausbau erneuerbarer Energien ist, zeigte die gestern veröffentlichte Prognose des Umweltbundesamts (UBA) in Dessau zu den deutschen Treibhausgasemissionen für 2022. Die sanken nämlich um 1,9 % von 760,358  Mio. t CO2-Äquivalenten im Jahr 2021 auf 745,614 Mio. t; und so wurden gerade eben die von der Bundesregierung festgelegten Klimaschutzziele erreicht. Zwar wurden mehr Kohle und Kraftstoff verbraucht, aber mehr Erneuerbare und ein insgesamt reduzierter Energieverbrauch, vor allem auch in der Industrie, dämpften diese Effekte.

Ein Jahr Ampelkoalition: Klimaschutz im Verkehr fast ein Totalausfall

UBA-Präsident Dirk Messner rechnete vor, dass nun die Treibhausgasemissionen im Durchschnitt um jährlich 6 % gemindert werden müssen, um das Klimaschutzziel der Bundesregierung für 2023 erreichen zu können: 138,8 Mio. t CO2-Äquivalente. Heruntergerechnet auf die einzelnen Sektoren – Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Gebäude sind die größten –, ist der Verkehrssektor der einzige, der 2022 sowohl mehr Treibhausgasemissionen erzeugte als im Vorjahr als auch seine eigenen per Gesetz festgesetzten sektoralen Klimaschutzziele verfehlte.

Fest stand das schon im Dezember, jetzt hat Verkehrsminister Volker Wissing es amtlich. Wissing verwies gestern diesbezüglich auf immer mehr Elektroautos, die zugelassen würden, Umrüstprogramme für dieselbetriebene Busse, das Deutschlandticket oder das Ausbauprogramm für Elektromobilität. Weil mehr Strom aus Kohle und Gas erzeugte wurde, stieg zwar auch der Treibhausgasausstoß des Energiesektors, er übererfüllte aber ohnehin das sektorale Klimaschutzziel auch schon im Vorjahr.

Strom aus Sonne und Wind sorgte für viel Ökostrom 2022

Ebenfalls am 15. März 2023 stellte die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) ihre endgültigen Zahlen für 2023 vor. Demnach nahm der Endenergieverbrauch⁠ aus erneuerbaren Energien insgesamt deutlich zu, von 19,2 % auf 20,4 % des gesamten Brutto-Endenergieverbrauchs. „Maßgeblich für den Anstieg war insbesondere das starke Wachstum der erneuerbaren Energien im Stromsektor“, heißt es einer Mitteilung.

Energieverbrauch in Deutschland 2021: Kohle und Gas legen zu

Nach dem witterungsbedingten Einbruch im Vorjahr wuchs die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Jahr 2022 auf 254,0 Mrd. kWh oder 254,0 TWh, das waren 8,5 % mehr als noch im Vorjahr (234,0 TWh), eine neue Rekordmenge. Ökostrom deckte damit 46,2 % des deutschen Bruttostromverbrauchs ab, so die AGEB-Zahlen. Vor allem die Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen stieg um 23 % auf 60,8 TWh, Elektrizität aus Windkraftanlagen (on- und offshore) legte um 9 % auf 125,3 TWh zu.

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