Neue Studien zur globalen Energiewende 09. Okt 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Erneuerbare Energien im Leerlauf: 1700 GW weltweit warten auf Netzanschluss

2030 soll Ökostrom fast die Hälfte des Strombedarfs weltweit decken, so eine neue Studie der IEA. China und Photovoltaik sind die Treiber, fehlende Netzanbindungen und hohe Finanzierungskosten die großen Baustellen.

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2030 soll Ökostrom fast die Hälfte des Strombedarfs weltweit decken, so eine neue Studie der Internationalen Energieagentur IEA. China und Photovoltaik sind die Treiber, fehlende Netzanbindungen und hohe Finanzierungskosten die großen Baustellen.
Foto: PantherMedia / Fahroni

Die Zahl ist gigantisch. In diesem Jahr, so Fatih Birol, Generaldirektor der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris, sollen weltweit 670 GW an Stromerzeugungskapazitäten auf Basis erneuerbarer Energiequellen neu zugebaut werden. In einem Jahr setzt die Welt mal soeben fast die dreifacher Stromerzeugungskapazität Deutschlands auf die Wiese, die beziffert das Infoportal Energycharts der Fraunhofer-Gesellschaft auf 251,5 GW für dieses Jahr. Das weitgehend auf Basis des globalen Zugpferds, der Photovoltaik, und zu Preisen, die keine andere Stromerzeugungstechnik darstellen kann.

Noch gigantischer aber ist die Zahl der aufgebauten Anlagen für erneuerbare Energien, die zwar gebaut sind, aber – nix tun. Sie stehen da rum, denn sie können keinen Strom einspeisen, weil die Netzanbindung fehlt. Auf 1700 GW weltweit beziffert die IEA diese gigantische Erzeugungskapazität, die quasi im Leerlauf auf Anschluss wartet.

Diese beiden Punkte sind die Licht- und Schattenseite, die der Bericht „Renewables 2024 – Analysis and forecasts to 2030“ der IEA aufzeigt. „Wenn ich das vereinfachen und diese schöne Geschichte auf zwei Worte reduzieren müsste, wären das China und Solar“, sagte Birol bei der Vorstellung der Studie. Wichtig ist dabei auch, dass offenbar das auf der Weltklimakonferenz COP28 im letzten Jahr in Dubai vereinbarte Ziel, die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen, in greifbare Nähe rückt. Auf dem Pfad zum Faktor 2,7 sei die Weltgemeinschaft heute schon, so Birol. Mehr sei drin, wenn eine weitere Hürde, nämlich die vor allem für Entwicklungs- und Schwellenländern aktuell hohen Finanzierungskosten für die Installationen erneuerbarer Energiequellen, gesenkt werden könnten.

Wirtschaftliche Faktoren treiben weltweit den Ausbau Erneuerbarer voran

Allerdings: Mit der Klimapolitik und staatlichen Förderprogrammen hat dieser globale Ausbauboom eher wenig zu tun. „Der große Ausbau der erneuerbaren Energien wird nicht durch Klimapolitik angetrieben, sondern hauptsächlich durch wirtschaftliche Faktoren“, betonte Birol. „Heute sind erneuerbare Energien, insbesondere Solar- und Windenergie, die günstigste Option für den Bau neuer Kraftwerke in fast allen Ländern der Welt. In vielen Ländern ist sogar Solar plus Speicherung günstiger als die Konkurrenz“, betonte er.

Zwischen jetzt und 2030 soll der globale Zubau für die Ökostromerzeugung bei 5500 GW liegen, das entspreche, so Birol, aktuell der gesamten Stromerzeugungskapazität der USA plus China plus der Europäischen Union plus Indien. 80 % davon solle Photovoltaik ausmachen. Warum nur?“ Erstens sei es im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energietechnologien einfacher zu genehmigen und einfacher zu bauen, erklärt Studien-Hauptautor Heymi Bahar. Da seien die kleinen Installationen für Wohn- und Gewerbekunden zu nennen, die durch Einzelhandelspreise attraktiv würden. Andererseits lasse sich Photovoltaik schneller als jede andere Technologie bauen, weil es in Bezug auf die Genehmigung „keine hohen Hürden gibt“, wie Bahar betont. „Das ist eine massive Transformation unseres Stromsystems“, so der IEA-Chef.

Die Erneuerbaren würden 2030 auch rund die Hälfte des erzeugten Stroms produzieren. „Wir erwarten, dass in 19 Ländern bis 2030 50 % oder mehr der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammen werden, und diese Zahl wird weiter wachsen, wenn wir diese Prognose Jahr für Jahr aktualisieren“, ist sich Bahar sicher.

Sinkende Preise belasten die Branche – Pleitegeier über Chinas Solarbranche?

Die Erfolgsgeschichte hat aber auch eine Schattenseite für die Branche selbst, auf die Bahar hinweist: „Die Preise sind im letzten Jahr um mehr als 50 % gesunken, was auf ein Überangebot in China zurückzuführen ist. Es gibt eine unglaubliche Überkapazitätssituation. Dennoch sehen wir, dass die Gewinnmargen der Hersteller erneuerbarer Energien nach soliden Gewinnen negativ werden.“

Die chinesischen Photovoltaikhersteller bestehen nicht nur aus den global agierenden, auch hierzulande bekannten Herstellern. Es gibt auch kleinere, die technologisch auch nicht auf dem neuesten Stand sind. Für 18 % der Erzeugungskapazität in China sieht die IEA inzwischen eine hohes Pleiterisiko. Die Nettogewinnmarge für ausgesuchte chinesische Hersteller beziffert die IEA im zweiten Quartal 2024 auf -2 %. „Dies führt zu einigen Herausforderungen bei der Prognose für die Ausweitung der Produktionskapazitäten“, so Bahar. Projekte für die nächsten fünf Jahren im Wert von 25 Mrd. $ seien inzwischen storniert oder auf unbestimmte Zeit verschoben worden. „Deshalb revidieren wir unsere Prognosen für die Produktionskapazitäten bis 2030, insbesondere für Wafer, um 25 % nach unten“, so Bahar.

Unabhängiges Marktwachstum für erneuerbare Energien, staatliche Ziele werden weit übertroffen

Dass sich das Marktwachstum für erneuerbare Energien so stark von den staatlichen Maßnahmen entkoppelt, ist ein gutes Zeichen. Vor allem pulverisiert dieses Wachstum auch die zum Teil recht zögerlichen staatlichen Ziele, die offiziell ausgegeben werden. Allein China sei heute schon auf dem Ausbaustand, den es eigentlich erst in sechs Jahre erwarte habe, so die IEA. Insgesamt prognostiziert die IEA, dass die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 10.000 GW erreichen wird. „Das bedeutet, dass 70 Länder weltweit ihre eigenen bestehenden Ambitionen aufgrund unserer Prognose übertreffen werden“, so Bahar.

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