Gleichstromnetze bringen Vorteile für die Industrie
Der zunehmende Einsatz von Frequenzumrichtern zur Verbesserung der Energieeffizienz stößt an Grenzen. Gleichstromnetze könnten eine Alternative sein.
Abseits von digitaler Transformation, Industrie 4.0 und Gateways zur Anbindung an das Internet deutete sich auf der Automatisierungsmesse SPS/IPC/Drives vorige Woche in Nürnberg ein neuer Trend an.
Waren Elektromotoren mit Frequenzumrichter bisher das Mittel der Wahl, um die von EU-Gesetzen geforderte Energieeffizienz in der Industrie zu verbessern, stößt die Technik in einigen Einsatzbereichen bereits an ihre Leistungsgrenzen. Insbesondere in Automobilwerken, wo viele Elektroantriebe im Einsatz sind, wird es immer schwieriger, die Netzstabilität sicherzustellen. Zudem gibt es Grenzen für weitere Energieeinsparungen.
Im Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) hat sich der Fachbereich „Elektrische Antriebe“ daher mit neuen Ansätzen beschäftigt. „Eine vom ZVEI initiierte Vorstudie zum Einsatz eines Gleichstromnetzes in Produktionsanlagen bestätigt das große Energieeffizienzpotenzial, das hier gehoben werden kann“, sagt Karl-Peter Simon, der Vorsitzende des Fachbereichs.
Die Herausforderungen in der Industrieautomation verändern sich. „Bei der heutigen Struktur der Drehzahlregelung von Elektromotoren im Wechselstromnetz benötigt jeder Frequenzumrichter einen Netzfilter und einen Gleichrichter“, verdeutlicht Simon, der Geschäftsführer beim Esslinger Getriebemotorhersteller Bauer Gear Motor ist. Zusätzliche Komponenten und die Umwandlung von Wechsel- in Gleichstrom (AC/DC) erhöhen die elektrischen Verluste. Elektrotechniker sprechen von Wandlungsverlusten.
Die Lösung könnte laut Simon das Gleichspannungsnetz sein. Frequenzumrichter würden dabei von einem einfach handhabbaren Gleichstromnetz versorgt. Statt die vielen Geräte mit individuellen Gleichrichtern auszurüsten, reiche dann ein zentraler Gleichrichter mit Netzfilter. Der Nutzen liegt für Simon auf der Hand: Frequenzumrichter brauchen deutlich weniger Bauraum und werden kostengünstiger. Damit ließen sie sich einfacher in Motoren integrieren.
Vorteile haben die Gleichstromnetze auch beim Energieaustausch, wenn z. B. einige Antriebe Energie ins Netz zurückspeisen, während andere Energiebedarf haben. Dann muss die zentrale Gleichstromversorgung nur noch die Differenz zwischen der Generatorleistung und der motorischen Leistung einspeisen. Für ZVEI-Fachmann Simon kann das zu einem neuen Motorkonzept führen: „Mit dem Frequenzumrichter als kompaktem, intelligenten Leistungsmodul könnte der Weg zum Elektronikmotor bereitet werden.“ Damit ließe sich eine der wichtigsten Komponenten auf dem Weg zur wirtschaftlichen Umsetzung von Industrie 4.0 realisieren.
Werden die Nachteile der DC-Technik wie Schaltlichtbögen mithilfe neuer Materialien gelöst, dann locken neben geringeren Systemkosten und einer Verbesserung der Energieeffizienz durch den verlustfreien Leistungsausgleich weitere Vorteile. In dezentralen Strukturen ließe sich Energie einfacher in Speichern puffern, auch könnte Strom aus Photovoltaik ohne zusätzliche Wechselrichter direkt eingespeist werden.
Die Politik hat den Forschungsbedarf erkannt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird in den kommenden drei Jahren die Entwicklung solcher Gleichstromnetze im Projekt „DC-Industrie“ fördern. Gemeinsam arbeiten 21 Industrieunternehmen und vier Forschungsinstitute sowie der ZVEI daran, die Konzepte in die Praxis zu übertragen. Weitere Details wollen die Beteiligten, zu denen Siemens, Daimler und die Hochschule Ostwestfalen-Lippe gehören, frühestens zur Hannover Messe im nächsten Jahr vorstellen.
Wirtschaftlich könnte das der Automatisierungsbranche neue Impulse geben. Denn mit dem Maschinenbau erlebt eine wichtige Abnehmerbranche in diesem Jahr einen wirtschaftlichen Seitwärtstrend. Gleichzeitig befindet sich die Kundschaft aus der Automobilindustrie in einem tief greifenden Wandel. Auf dem Weg zum Elektromobil könnten DC-Netze weitere Vorteile ausspielen.
Noch hinterlässt das gebremste Wachstum auch in der elektrischen Antriebstechnik Spuren. In Deutschland liegt die Branche etwa auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahreszeitraum. Der Auftragseingang wuchs von Januar bis September 2016 lediglich um 0,2 % und der Umsatz um 0,6 %. Produktion und Mitarbeiterzahlen sind laut ZVEI bis Ende Juni sogar leicht gefallen.
Kaum besser geht es der Automatisierungstechnik. Zwar erreicht der Weltmarkt nach vorläufigen Zahlen für 2015 ein Wachstum um 4 % gegenüber dem Vorjahr auf 453 Mrd. €, doch für 2016 sieht es nicht mehr so gut aus. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erzielten die deutschen Hersteller nach ZVEI-Angaben mit einem Umsatz von 37,2 Mrd. € einen Zuwachs von 2,6 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Auftragseingang stieg bisher nur um 1,5 % gegenüber einem Wachstum von 7,8 % in den ersten neun Monaten 2015. Als Grund nennt der Branchenverband die damals positive Währungsdifferenz gegenüber den Vereinigten Staaten, die sich inzwischen eher umgekehrt habe.